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Lebensqualität bei ITP (Morbus Werlhof)

Prof. Dr. med. A. Matzdorff

Onkologisches Zentrum Saarbrücken, Klinik für Hämatologie und Onkologie, CaritasKlinikum Saarbrücken St. Theresia

 

PROTOKOLL

Lebensqualität bei ITP (Morbus Werlhof)

PROF. MATZDORFF: Wir beginnen um 19 Uhr.

Rothermund : Ich hatte schon mehrere Thrombosen, deshalb nehme ich Blutverdünner. Durch eine chemotherapeutische Behandlung sind meine Thrombozyten total in den Keller gegangen und da muss jetzt was gemacht werden. Die Blutverdünnung kann ich aber nicht absetzen. Geht das überhaupt zusammen?

PROF. MATZDORFF: Sie haben ein ganz spezielles Problem. Die Thrombose sollte natürlich mit einem Blutverdünner behandelt werden. Andererseits bedeutet der Thrombozytenabfall durch die Chemotherapie ein Blutungsrisiko. Ich gehe davon aus, dass Sie keine ITP haben, sondern die Thrombozytopenie allein durch die Chemotherapie bedingt ist. Hier gibt es keinen festen Regeln. "Aus dem Bauch heraus" geben wir den Blutverdünner in der üblichen Dosis, bis die Thrombozyten auf 50.000 abfallen. Bei niedrigeren Werten wird die Dosis des Blutverdünners halbiert, ab 30.000 Thrombozyten ganz abgesetzt. Es kann durchaus sein, dass ein anderer Arzt hier andere Grenzwerte setzt. Wir behandeln viele Tumorpatienten mit Thrombosen und sind mit dieser groben Leitlinie gut zurechtgekommen. Sollten Sie allerdings schon bei höheren Thrombozytenwerten deutlich bluten, dann muss der Blutverdünner natürlich früher abgesetzt werden. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob er dies selber überwachen oder einen Experten für Blutgerinnung (Hämostaseologe) hinzuziehen will.

Hämofreak : Gibt es als Alternative zu einer totalen Entfernung der Milz (Splenektomie) auch die Möglichkeit einer Milzverkleinerung, oder so etwas wie ein "Magenband für die Milz"?

PROF. MATZDORFF: Leider gibt es kein Magenband für die Milz. Wenn man die Milz nicht ganz entfernen will, wurde früher eine Embolisation der Milz probiert. Ich glaube, man hat diese Technik verlassen, weil man vorher nie weiß, wieviel man embolisieren muss, um eine ausreichende Wirkung auf die Thrombozytenzahl zu erreichen. Mir ist keine Klinik bekannt, die bei ITP eine partielle Entfernung der Milz oder Embolisation noch durchführt, möglicherweise bin ich da aber nicht ganz auf dem Laufenden. Manchmal gibt es Patienten - zum Glück sehr selten - die eigentlich eine Milzentfernung brauchen, aufgrund des Alters oder anderer Erkrankungen aber nicht operiert werden können. Dann kann man die Milz bestrahlen. Dies ist aber immer nur die zweitbeste Lösung. Wenn man sich dafür entscheidet, dann sollte man besser gleich die Milz rausnehmen. Viel schwieriger ist die Frage, ob die Milz denn wirklich entfernt werden muss. Aber dazu gibt es später sicherlich noch mehr Fragen.

Carpio : Wie lange darf man Nplate bekommen? Auch wenn es jetzt erst einmal richtig hilfreich ist? Manche Medikamente darf man nicht zu lange nehmen. Wie lange geht das. Passiert was, wenn man es länger bekommt?

PROF. MATZDORFF: Vielen Dank für diese Frage! Sie wird von vielen Patienten gestellt und anfangs hatten auch die Ärzte große Sorge, ob man NPlate wirklich über Jahre nehmen könne. Jetzt haben wir seit vier Jahren bei einigen Patienten sogar noch viel länger gute Erfahrungen gemacht. Wenn ein Patient NPlate verträgt, wenn die Thrombozyten gut angestiegen sind und wenn er mit den wöchentlichen Spritzen gut zurechtkommt, dann spricht bis jetzt nichts gegen eine Dauertherapie. Es wird diskutiert, dass eine Dauertherapie mit NPlate oder dem Schwesterpräparat Revolade zu einer so genannten Knochenmarksfibrose (das ist eine "Vernarbung" des Knochenmarks)führen könnte. Alle bisherigen Untersuchungen finden diese Veränderung jedoch so selten und nur so minimal ausgeprägt, dass sie für die Entscheidung, NPlate dauerhaft einzusetzen in meiner Praxis keine große Rolle spielt.

PROF. MATZDORFF: Manche Patienten haben eher ein Problem mit den wöchentlichen Injektionen. Ich habe gehört, dass der Hersteller darüber nachdenkt, eine NPlate-Zubereitung herzustellen, bei der der Patient sich selber behandeln kann. Ich würde mir wünschen, dass diese Planung bald erfolgreich ist.

Demir : Wieso zerstört die Chemotherapie gerade die Blutplättchen? Gibt es eine chemo, die bei Darmkrebs angewendet wird, die das nicht macht?

PROF. MATZDORFF: Chemotherapie greift häufig das Blut an, nicht nur die Blutplättchen, auch die weißen Blutkörperchen und die roten Blutkörperchen. Nur bei den weißen Blutkörperchen und Thrombozyten merkt man es als erstes, während die roten Blutkörperchen nur sehr langsam reagieren. Eine Standard-Chemotherapie beim Darmkrebs kann immer zu einem Abfall der Blutwerte führen, vielleicht nicht gleich beim ersten Zyklus, aber nach sechs, sieben oder acht Zyklen kann dies passieren. Neuerdings gibt es auch Antikörpertherapien bei Darmkrebs, die nicht auf die Thrombozyten oder Leukozyten wirken. In der Regel werden diese Antikörper aber mit Chemotherapie kombiniert und dann haben wir wieder das gleiche Problem. Bei meinen eigenen Patienten mit Darmkrebs, die einen starken (!) Abfall der Thrombozytenzahl haben, reduziere ich lieber die Dosis der Chemotherapie. Damit kommen die Blutwerte und natürlich auch die Patienten dann besser zurecht. Anzumerken bleibt, dass hier die Thrombozytopenie nicht durch eine ITP, sondern - wie bereits in der ersten Frage oben - durch eine Chemotherapie ausgelöst wird. Jeder Onkologe ist mit dieser Situation gut vertraut und kann Ihnen helfen.

Hofmann : Bei mir stürzten die Werte in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung ab. ITP gilt als Autoimmunerkrankung. Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Es wäre nett, wenn der Herr Prof. Matzdorff das erklären könnte. Bitte so, dass ich es ohne medizinische Vorbildung verstehe. Herzlichen Dank.

PROF. MATZDORFF: Es ist tatsächlich so, dass manchmal eine ITP mit einer Krebserkrankung kombiniert ist. Wenn diese Krebserkrankung ein Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) ist, dann sucht man die Erklärung für diesen Zusammenhang in der lymphombedingten Störung des Immunsystems. Bei einigen Lymphomen kommt es in bis zu 5 % der Fälle zu einer ITP. Das darf dann aber nicht verwechselt werden mit der Thrombozytopenie, wenn dieser Lymphompatient Chemotherapie bekommt. Zusammengefasst heißt dies, Lymphome sind eine Erkrankung von Teilen des Immunsystems, damit ist auch das Immunsystem durcheinander und die ITP kann entstehen. Es gibt aber auch die ITP in Kombination mit anderen Tumorerkrankungen, z. B. Nierenkrebs, Lungenkrebs und vielen anderen Formen. Für dieses Zusammentreffen hat man noch keine gute Erklärung.

Wanda Rick : Ich habe große Angst vor einer Knochenmarkuntersuchung. Habe mir schon mal diese Nadel angeguckt und will da am liebsten überhaupt nicht hingehen. Wie weit wird man betäubt, oder kann ich eine Schlafspritze bekommen, wie bei der Darmspiegelung?

PROF. MATZDORFF: Die Antwort lautet folgendermaßen: Ich hatte früher immer Angst vorm Zahnarzt, bis mir aufgefallen ist, dass der nach der Spritze 10 Minuten wartet und dann erst mit dem Bohren loslegt. So ähnlich sollte das auch bei Knochenmarkpunktion sein. Ich sage meinen Patienten, dass sie natürlich etwas spüren werden. Dies ist in der Regel aber nicht schlimm und - das ist aber meine Meinung - niemals so schlimm, wie beim Zahnarzt. Natürlich spielt es auch eine Rolle, wenn man Angst hat, sich verkrampft und angespannt ist. Dann kann der Arzt so etwas ähnliches wie Valium spritzen. Dann ist man nicht "ganz weg", aber der ganze Eingriff wird viel besser erträglich. Der Arzt sollte sich genügend Zeit für die Punktion nehmen und dann sagen fast alle Patienten, dass es die ganze Angst gar nicht Wert gewesen ist. Nur eins darf man vorher nicht machen, sich die Nadel angucken! Man hat untersucht, wie häufig ernste Komplikationen nach einer Knochenmarktransplantation auftreten. Dies ist sehr sehr selten. Wenn Sie unsicher sind und ein Beruhigungsmittel bekommen, dann sollten Sie sich unbedingt von einem Verwandten oder Freund nach Hause bringen lassen und an diesem Tag nicht mehr Autofahren.

Peter.Becker : Seit ich eine neue Herzklappe habe sind meine Blutwerte schlecht, bis sehr schlecht. Nachdem überall geguckt wurde, woran es liegen könnte, sagte mir der Kardiologe, ja das kommt manchmal nach einer künstlichen Herzklappe. Ist das allgemein bekannt? Mir hat keiner vorher gesagt. Kann man die schwankenden Werte dauerhaft stabilisieren?

PROF. MATZDORFF: Oh je, das ist eine schwere Frage. Es ist tatsächlich so, dass manchmal nach einer Herzklappenoperation rote Blutkörperchen kaputt gehen. Man spricht dann von einer Anämie, genauer von einer mechanischen Anämie. Dies ist sehr selten und nicht vorhersehbar. Wenn es das ist, was Sie mit Ihrer Frage meinten, dann muss man überlegen, ob Ihre Werte so schlecht sind, dass Sie Bluttransfusionen brauchen. Wenn es aber auch ohne Transfusionen geht, dann würde ich wahrscheinlich die Herzklappe nicht noch einmal operieren. Wenn Sie mit schlechten Blutwerten etwas anderes gemeint haben, dann melden Sie sich bitte noch einmal.

Böhmer : Meine Mutter ist Diabetikerin mit erheblichem Übergewicht. Die Diagnose Darmkrebs war niederschmetternd, erst kam Chemo, dann kam eine große Operation und danach noch einmal Chemotherapie. Als Folge hat sie sehr schlechte Blutwerte und es besteht die Gefahr von Blutergüssen. Es fiel der Begriff ITP. Habe das im Internet recherchiert und bin zu dieser Sprechstunde gekommen. Bluterügsse oder noch viel schlimmer innere Blutungen sind ganz schlecht wegen ihrem Diabetes. Es ist ein Teufelskreis.Wie kommen wir da raus?

PROF. MATZDORFF: Ich verstehe Ihre Frage so, dass Ihre Mutter sowohl Darmkrebs als auch eine ITP hat. Und wenn die ITP jetzt mit Cortison behandelt wird, weil die Thrombozytenwerte während der Chemotherapie nicht abfallen sollen, dann ist das wieder schlecht für den Diabetes. Leider haben wir immer mehr Patienten, die neben einer Krebserkrankung noch andere Erkrankungen haben. Da gibt es keine perfekte Lösung. Wenn man die ITP mit kleinen Cortison-Dosen kontrollieren kann, dann wäre das der beste Weg. Wenn man die ITP nur mit großen Cortison-Dosen kontrollieren kann, dann macht das auf die Dauer der Diabetes nicht mit. Dann muss man sich wirklich fragen, ob man nicht die Milz entfernt (dies ist bei einer übergewichtigen Patientin aber nicht so einfach) oder in dieser seltenen und ungewöhnlichen Situation nicht doch NPlate oder Revolade gibt. Hier ist sicherlich der betreuende Onkologe wieder hilfreich, weil er die Risiken der Tumorerkrankung des Diabetes oder der ITP gegeneinander abwägen muss und kann. Man könnte Ihre Frage auch so verstehen, dass es bei der Mutter zu einem Rückfall der Tumorerkrankung gekommen ist und sie deshalb eine neue Chemotherapie braucht. Dann stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Krankheit noch heilbar ist und ob die Nebenwirkung einer Chemotherapie überhaupt in Kauf genommen werden sollen. Gerade bei älteren Patienten mit metastasierter Erkrankung ist dies eine berechtigte Frage, weil man ihnen die unerwünschten Wirkungen einer Chemotherapie erspart.

Bartel : Gilt der Einsatz von Rituximab bei einer ITP immer noch als experimentell, oder ist das inzwischen eine anerkannte Behandlungsform? Ich weiß, dass einem Freund dadurch sehr geholfen wurde, aber bei meinem Onkel soll das nicht eingesetzte warden sondern stattdessen Nplate. Was ist daran anders in der Wirkweise?

PROF. MATZDORFF: Rituximab ist bei der ITP eine wirksame Therapie. Sie wird auch von vielen Ärzten eingesetzt, wenn der Patient auf Cortison oder die Milzentfernung oder andere Behandlungen nicht ausreichend angesprochen hat. Andererseits muss in Deutschland der Arzt auch genau auf die arzneimittelrechtliche Zulassung achten und Rituximab ist nun einmal für die ITP nicht zugelassen. Wenn er Rituximab verordnet, dann sollte er vorher die etablierten und zugelassenen Therapien durchprobiert haben. NPlate ist für die Therapie der ITP zugelassen und aus diesem arzneimittelrechtlichen Grund vor Rituximab einzusetzen. Anders ist die medizinische Abwägung zu sehen. Rituximab gibt man nur über vier Wochen und dann hat ein gewisser, wenn auch nicht sehr hoher Teil der Patienten einen langfristigen Erfolg. NPlate muss man dauerhaft geben. Letztlich ist aber die arzneimittelrechtliche Situation hier ausschlaggebend und in unserer Klinik geben wir Rituximab nur, wenn NPlate und Revolade nicht ausreichend wirksam sind und wenn der Patient weiterhin Probleme mit seiner Thrombozytopenie hat.

PROF. MATZDORFF: Sie fragen nach der Wirkweise: Rituximab hemmt das Immunsystem, während NPlate das Immunsystem weitgehend in Ruhe lässt, aber dafür sorgt, dass der Körper mehr Thrombozyten bildet und somit den verstärkten Thrombozytenabbau kontrolliert. Die Wirkmechanismen sind somit vollständig anders. Nur deshalb macht es auch Sinn, Rituximab zu probieren, wenn NPlate nicht wirkt.

Lanpohl : Unser Familienarzt hat meine Mutter aufgrund ihrer Blutwerte (Werlhof Syndrom) an ein onkologisches Zentrum überweisen. Angeblich hat sie aber keinen Blutkrebs. Unsere Familie ist seither sehr unruhig und wir fragen uns, ob wir uns auf diese Aussage verlassen können. Warum wird sie weiterhin dort behandelt. Sie bekommt jede Woche eine Spritze und es geht ihr sehr viel besser. Ich sollte noch erwähnen, dass meine Mutter vorher nie solche Probleme hatte. Ist das eine Vorstufe von Krebs?

PROF. MATZDORFF: Ich glaube, ich darf Sie beruhigen. In onkologischen Zentren sitzen Fachärzte, die sich sowohl mit Tumorerkrankungen (Onkologie) als auch mit Bluterkrankungen (Hämatologie) auskennen. Deshalb hat Ihr Hausarzt Ihre Mutter in dieses Zentrum geschickt. Es soll kein Tumor gefunden, sondern die Bluterkrankung Morbus Werlhof behandelt werden. Bei einem Onkologen / Hämatologen ist Ihre Mutter somit genau richtig. Andererseits hatte ich oben gesagt, dass ein Morbus Werlhof manchmal (selten) ein Vorbote einer Tumor- oder Lymphomerkrankung sein kann. Ich gehe deshalb davon aus, dass der Arzt im onkologischen Zentrum Ultraschall und andere Blutuntersuchungen gemacht hat, um diese seltene Kombination auszuschließen. Bei Patienten über 60 Jahren gehört dazu auch eine Knochenmarkpunktion und die sollte nicht weh tun.

Schönholz : Mein Mann ist Fernfahrer und alles hat angefangen mit Nasenbluten. Dann ging es weiter blauen Flecken, die mir auffielen, aber die keiner so richtig Ernst genommen hat. Er war immer unterwegs. Irgendwann habe ich ihn zum Arzt gezerrt und dann kam der Schock. Er hatte so niedriger Werte in seinem Blut, dass er hätte verbluten können. Das ist 4 Monate her, jetzt spricht der Arzt von einer ITP. Woher das alles kommt weiß bis heute keiner. Er möchte wieder arbeiten, aber er wird nicht gesund geschrieben. Alles ganz schwierig. So schlecht geht es ihm aber gar nicht. Was ist möglich, was sollten wir machen?

PROF. MATZDORFF: Woher eine ITP kommt weiß man in der Regel nicht. Die ITP ist eine Immunerkrankung und der letztendliche Auslöser bleibt unklar. Bei Kindern geht manchmal ein Infekt voraus, bei Erwachsenen ist dies nur selten der Fall. Ich schaue bei meinen Patienten, ob sie eine andere Immunerkrankung haben, z. B. Rheuma oder eine Immunerkrankung der Niere, manchmal gibt es da einen Zusammenhang. Dann haben Sie aber im Moment noch ein anderes - viel schwerwiegenderes - Problem. Es ist nicht so wichtig, woher die Krankheit kommt, sondern, was Sie mit den niedrigen Thrombozytenwerten machen. Es gibt viele ITP-Patienten, die haben sehr niedrige Thrombozytenwerte und bluten gar nicht. Manche haben auch nur ab und zu einmal blaue Flecken oder kleine Blutpunkte (Petechien). Dann sollte man nicht so viel Angst haben, dass Schlimmeres passiert. Andererseits muss der Arbeitgeber berücksichtigen, ob sich Ihr Mann bei der Arbeit verletzten kann. Und natürlich kann dies bei einem Fernfahrer passieren und deshalb möchte man ihn wahrscheinlich auch nicht "an das Steuer lassen", solange die Thrombozyten niedrig sind. Es kommt also jetzt darauf an, die Thrombozyten anzuheben. Sprechen Sie mit Ihrem Hämatologen (Blutspezialisten), ob dies mit einer niedrigen Dosis Cortison (bitte keine Dauertherapie mit hohen Dosen) geht. Man kann auch andere Medikamente, Immunglobuline, die Milzentfernung diskutieren. Wenn Ihr Mann als Fernfahrer häufig im Ausland unterwegs ist, dann würde ich wirklich an eine Milzentfernung denken. Durch diese Operation ist in zwei Drittel der Fälle die Krankheit unter Kontrolle. Dann braucht er nicht bei einer unerwarteten Blutung im Ausland zum Arzt. Leider gibt es nach der Milzentfernung in einem Drittel der Fälle einen Rückfall der Erkrankung. Dann kann man NPlate oder Revolade anbieten und bei den allermeisten Patienten sind dann die Thrombozytenwerte wieder oben und die Patienten können arbeiten. Insofern sollte Ihr Mann nicht weiter abwarten, sondern mit dem Arzt sprechen, dass eine nächste Therapie versucht wird, damit er bald wieder arbeiten kann.

Ekiz : Viel hilft nicht immer viel, aber meine Schwester will das nicht verstehen. Sie macht was ganz gefährliches. Sie bekommt von einem Arzt Spritzen, damit die Thrombozyten sich wieder aufbauen und von einem anderen zusätzlich Tabletten, damit sie nicht so schlapp ist. Meine Schwester ist alleinerziehend und darf ihren Job nicht verlieren. Die beiden Ärzte wissen nichts voneinander. Eigentlich müsste ich eingreifen, aber ich darf das ja nicht. Meine Schwester ist total uneinsichtig und kämpft darum möglichst schnell wieder voll arbeiten zu können. Wie gefährlich ist das, wie soll ich mich verhalten?

PROF. MATZDORFF: Das weiß ich auch nicht, denn egal, was ich jetzt sage, entweder wird es Ihnen oder Ihrer Schwester nicht gefallen. Am besten ist es, man redet offen darüber.

Möhrle : Ist es nicht besser Thrombozyten mit einem Zellseparator konzentriert zusammenzustellen und dem Körper zuzuführen, als in die Produktion des Knochenmarks einzugreifen

PROF. MATZDORFF: Wenn man einem Patienten mit ITP Thrombozyten gibt, dann halten die meist nicht sehr lange, nur wenige Stunden. Deshalb macht es auch keinen Sinn, Thrombozytentransfusionen zu geben. Nur bei schwersten Blutungen von ITP-Patienten gebe ich Thrombozysten und das ist zum Glück sehr lange her. Der Anrufer meint aber möglichweise ein andere Situation: Wenn Patienten, die keine ITP haben, aus anderen Gründen häufig Thrombozyten bekommen müssen (Leukämie, Lymphompatienten), dann können sie manchmal Antikörper gegen Thrombozyten entwickeln. Dann muss man Thrombozyten suchen, die von diesen Antikörpern nicht erwischt werden. Das ist ein bisschen so, wie bei den roten Blutkörperchen, wenn man die richtige Blutgruppe aussuchen muss. Diese Thrombozyten halten dann länger. Das sind aber andere Erkrankungen und keine ITP. Deshalb gibt man bei ITP keine Thrombozyten.

Alina : Ich hatte nie Schwierigkeiten mit meiner Periode. Das lief immer ganz normal mit im Alltag ohne Einschränkungen zu verursachen. Dafür haben mich viele Freundinnen beneidet. Dann kam ich in die Wechseljahre und plötzlich bekam ich ganz starke Blutungen. Die wurden immer stärker. Am Ende hat mein Frauenarzt eine Thrombozytopenie festgestellt, die offenbar schon länger besteht, was keiner gemerkt hat, weil auch die Symptome, wie Abgeschlagenheit, Schlafstörungen usw. den Wechseljahren zugeordnet wurden. Das ging so, bis ich merkte, kleine Wunden heilen schlecht. Da ging plötzlich der Alarm los. Keiner weiß also, wie lange ich schon damit herumlaufe. Woher kommt das plötzlich? Hat diese verzögerte Diagnose Auswirkung auf die Heilungschancen, oder gibt es ohnehin keine Heilung?

PROF. MATZDORFF: Bei vielen Patienten wird die Thrombozytopenie zufällig entdeckt. Manche Patienten beobachten auch seit Jahren blaue Flecke oder - wie bei Ihnen - stärkere Regelblutungen und erst sehr spät wird die Thrombozytopenie erkannt. Wenn es sich wirklich um eine ITP handelt, dann sollte die Therapie genauso gut wirken, wenn man die Erkrankung erst jetzt behandelt, als wenn man sie früher entdeckt hätte. Eines ist allerdings richtig: Wenn eine Thrombozytopenie schon viele Jahre besteht, dann ist die Chance, die Erkrankung zu heilen, nicht mehr so hoch. Ich würde dennoch immer einen Therapieversuch unternehmen. Bei Patienten um die 50 Jahre sollte man auch andere Ursachen einer Thrombozytopenie ausschließen. Nehmen Sie irgendwelche Medikamente? Sind auch andere Blutzellen verändert? Manchmal kann man dies nur durch eine Knochenmarkpunktion erkennen. Letztendlich sollten Sie aber Hoffnung haben. Bei den allermeisten Patienten lässt sich die ITP mit den neuen Medikamenten gut kontrollieren.

Schmidt100 : Bin Neu-ITP-Patient. Da das ja offenbar auch was mit dem Immunsystem zu tun hat wüsste ich gern, ob ich jetzt auch anfälliger bin gegen andere Erkrankungen.

PROF. MATZDORFF: Nein! Sie haben aber möglicherweise ein Risiko, andere Erkrankungen zu entwickeln, weil man Ihnen immunhemmende Medikamente gibt. Unter Cortison kann es zu Blutzuckerschwankungen, zu Infekten, zu Stimmungsschwankungen und vielem anderem kommen. Deshalb sollte man Cortison nicht zu lange geben. Man weiß heute, dass ITP-Patienten fast genauso viele Probleme durch ihre Blutungen wie durch die Behandlung haben. Dennoch macht es am Anfang der Erkrankung (Sie sind Neupatient) Sinn, den Patienten zu behandeln. Nur, wenn die Behandlung sich lange hinzieht, über Monate oder manchmal Jahre, dann muss der Arzt sehr genau abwägen, ob er dem Patienten nicht mehr durch die Medikamente als durch die Erkrankung schadet. Manche ITP-Patienten haben auch Schilddrüsenfunktionsstörungen. Es würde zu weit führen, dies hier zu erklären, aber meine ITP-Patienten untersuche ich immer bezüglich der Schilddrüsenfunktion.

Katharina3 : Das ist vielleicht eine zu einfache Frage, aber es würde mir sehr helfen wenn Herr Prof. Matzdoff sie mir beantworten könnte, weil ITP ja eine ziemlich spezielle Erkrankung ist. Gibt es für diese Erkrankung in Deutschland Selbsthilfegruppen? Wie finde ich die ggf.?

PROF. MATZDORFF: Vielen Dank, dass Sie das fragen, sonst hätte ich am Schluss dies noch einschieben müssen. Es gibt mehrere Selbsthilfegruppen in Deutschland. Die eine hat ihr Selbsthilfegruppetreffen am 25. Mai 2013 in Eltville (am Rhein). Die Internetadresse lautet: www.itp-information.de Eine andere Gruppe erreichen Sie unter www.morbus-werlhof.de Eine dritte Gruppe findet sich in Sömmerda / Thüringen, hier lautet die E-Mail-Adresse: s-riese@t-online.de Die Selbsthilfegruppen veranstalten regelmäßig Treffen, in denen sich die Patienten über ihre Erkrankung und ihre Erfahrung mit der Erkrankung austauschen können. Bei dem Treffen in Eltville waren in den letzten Jahren 100 und mehr Patienten. Manchmal hat man den Eindruck, die Patienten lernen dort mehr als ihre Ärzte zu Hause wissen - und das ist gut so.

Moniki : Mich hat die Berichterstattung um diesen Sänger NinoDiAngelo verunsichert. Da ging es immer wieder darum, dass er vielleicht bald sterben muss und wie schlecht es ihm geht weil er so niedrige Werte hatte. Jetzt tritt er wieder überall auf. Stirbt man wirklich daran, oder ist das nur ein willkommener Werbegag, weil sonst niemand mehr über ihn schreibt?

PROF. MATZDORFF: Nicht nur NinoDiAngelo, auch bei Julia Roberts "munkelt man", dass sie eine ITP gehabt habe. Man stirbt aber nicht an niedrigen Thrombozytenwerten, sondern an Blutungen. Es gibt viele ITP-Patienten, die trotz niedrigster Werte gar nicht oder nur sehr wenig bluten. Vielleicht hat NinoDiAngelo niedrige Werte und blutet nicht oder seine ITP ist unter der Behandlung besser geworden. Auf jeden Fall freue ich mich, dass es ihm jetzt wieder besser geht.

Jule11 : Bin von Freunden eingeladen worden, die vor 4 Jahren nach Brasilien ausgewandert sind. Seither hatte ich eine Operation und Chemotherapie wegen Nierenkrebs und neige nach wie vor zu niedrigen Thrombozyten-Werten. Kommt irgendwie nicht richtig in Ordnung. Schwankt immer noch. Gibt es Impfungen, die ich vermeiden muss? Ich muss jetzt eine Reihe von Impfungen machen lassen, da ich mir dann auch das Land angucken möchte, wenn ich die weite Reise auf mich nehme.

PROF. MATZDORFF: Viel ITP-Patienten wollen Reisen unternehmen. Es gibt nichts, was gegen eine Impfung spricht. Sie sollten aber folgende Impfungen vermeiden: Lebendimpfungen (fragen Sie bitte Ihren Impfarzt) und wenn Sie niedrige Thrombozyten haben, dann sollte man die Impfung auch nicht tief in den Muskel spritzen. Dann gibt es nämlich ein großes Hämatom. Ich rate meinen ITP-Patienten sogar zu den regelmäßigen Impfungen gegen Grippe und Lungenentzündung. Nur, wenn die ITP anfangs nach einer Impfung aufgetreten ist, dann sollte man diese damalige Impfung nicht noch einmal bekommen. Insgesamt gilt aber, dass ITP-Patienten Impfungen gut vertragen (bis auf Lebendimpfungen). Wenn Sie Cortison nehmen, dann könnte es sein, dass die Impfung nicht so gut anspricht. Patienten mit Asthma und Heuschnupfen nehmen aber auch Cortison und reisen trotzdem durch die Welt. Dies sollte also kein Hindernis sein. Gute Reise!

Nima : Ich habe das Werlhof Syndrom (chronisch). Warum, weshalb ist nicht bekannt. Könnte der Experte sich evtl. äußern, wie oder woher das kommt?

PROF. MATZDORFF: Man weiß nur bei sehr wenigen Patienten, warum sie ein Werlhof-Syndrom haben. Manche Patienten habe eine Hepatitis-C oder eine HIV-Erkrankung eine andere Immunerkrankung (z. B. Rheuma) und dann tritt der Morbus Werlhof als Begleiterkrankung dazu. Oder Patienten haben ein Lymphom und entwickeln einen Morbus Werlhof (darüber haben wir oben schon gesprochen). Bei den allermeisten Erwachsenen bleibt aber der Auslöser und die Ursache unklar. Das ist genauso wie bei Asthma und Heuschnupfen. Der eine bekommt es und der andere nicht und keiner weiß warum. Haben Sie darauf geachtet, ob ein Medikament als Auslöser in Frage kommt? Haben Sie neue Medikamente bekommen und danach ist die ITP aufgetreten?

Dietrich_Aachen : Was ist mit fliegen bei niedrigen Throbozyten? Macht es einen Unterschied zwischen Lang- und Mittelstrecke aufgrund der unterschiedlichen Höhe? Hat das irgendwelche Auswirkungen auf Blutwerte?

PROF. MATZDORFF: Vielen Dank für die Frage. Viele ITP-Patienten fragen sich, ob sie fliegen können. Normalerweise haben Passagierflugzeuge einen Druck, der einem Aufstieg auf 2000 m Höhe entspricht. Das kann man mit einer ITP immer bewältigen. Ich sehe deshalb keine Gefahr. Was anderes wäre es natürlich, wenn Sie mit einem offenen Flieger in höchste Höhen aufsteigen. Aber davon gehe ich nicht aus.

PROF. MATZDORFF: Wenn Sie aber in das Ausland fliegen, dann denken Sie bitte an Ihre Medikamente. Wenn Sie Spritzen mitnehmen, dann sollten Sie begleitend auch ein Schreiben Ihres Arztes dabei haben, wofür Sie diese Spritzen brauchen. Nicht, dass es beim Zoll Probleme gibt. Informieren Sie sich auch, ob es in dem Urlaubsland eine ausreichende medizinische Versorgung gibt.

Henny : Bei einigen chronischen Krankheiten spielt die Jahreszeit eine Rolle (Asthma). Ist das bei ITP auch der Fall?

PROF. MATZDORFF: Bei der ITP der Erwachsenen gibt es keine jahreszeitliche Häufung. Bei der ITP der Kinder scheint diese im Frühjahr häufiger aufzutreten, möglicherweise wegen der Infekte. Ein viel größeres Problem ist die Versorgung an langen Feiertagen (zwischen den Jahren). Sorgen Sie dafür, dass Sie ausreichend Medikamente im Haus haben und dass Sie wissen, an wen Sie sich bei Blutungen wenden können. Haben Sie einen ITP-Pass?

Marcel1980 : Ich hatte im Herbst 2012 eine haploidente Stammzelltransplantation aufgrund einer CLL. Der Verlauf war ganz ordentlich, bis vor 2 Wochen zu niedrige Thrombozyten festgestellt wurden. Sie liegen derzeit bei 17.000, Hb und Leukozyten sind unauffällig. Aus diesem Grund wird eine ITP vermutet. Eine Kortisongabe (Prednisolon) von 0,5 mg/KG ergab innerhalb einer Woche keine Besserung, so dass die Kortisonmenge auf 1mg/KG angehoben wurde. Mein behandelnder Arzt möchte mit dieser Dosis eine weitere Woche abwarten. Sollte die Kortisontherapie bis dahin keine Veränderung bringen ist eine 3-Tagestherapie mit Immunglobulinen vorgesehen. Jetzt habe ich aber in der Literatur gelesen das eine Immunglobulintherapie nur dem "Notfall" vorbehalten sein soll. Blutungszeichen habe ich derzeit keine. Macht die Therapie dennoch Sinn? Ist eine Remission zu erwarten oder kann die Immunglobulintherapie auch als diagnostisches Verfahren eingesetzt werden?

PROF. MATZDORFF: Die ITP nach Transplantation sollte von der ITP bei anderen Patienten unterschieden werden. Tatsächlich ist nach Transplantation die Gabe von Cortison und von Immunglobulinen eine etablierte Therapie. Wenn das nicht anspricht, dann sollte der behandelnde Arzt genau abwägen, welche weiteren Therapiemaßnahmen in Frage kommen, ob man NPlate oder Revolade geben soll oder andere immunhemmende Medikamente. Dies ist eine Spezialsituation, bei der sich Transplantationsmediziner ganz gut auskennen. Auch ein Virusinfekt sollte ausgeschlossen werden oder ein Rezidiv der CLL.

Jürgi : Bin von der Leiter gefallen beim als ich einen toten Ast aus unserer Kastanie schneiden wollte. Es sind keine inneren Blutungen festgestellt worden. Wirkt das jetzt noch länger nach, oder muss ich mir wirklich keine Gedanken mehr machen wegen möglicher Spätfolgen wegen bestehender aber gerade nicht akuter ITP?

PROF. MATZDORFF: Hier sollte man ganz praktisch vorgehen: Haben Sie noch Schmerzen? Haben Sie einen großen blauen Fleck entwickelt? Haben Sie einen schnellen Puls oder sind Sie schwindelig? Wenn Sie sich schlecht fühlen, dann sollten sie jetzt einen Arzt aufsuchen. Wenn es aber so ist, wie man sich nach einem Sturz normalerweise fühlt, dann sehe ich keinen Grund, hier in Panik zu verfallen.

Bindseil : Kann man eine Heilung von einer Thrombozytenerkrankung erreichen? Was passiert, wenn man die Medikamente wieder absetzt?

PROF. MATZDORFF: Wahrscheinlich erreicht die Hälfte aller erwachsenen ITP-Patienten irgendwann eine Thrombozytenzahl, die hoch genug ist, dass sie nicht weiter behandelt werden müssen. Es besteht also gute Hoffnung auf Besserung, auch wenn das nicht automatisch Heilung heißt. Wenn man NPlate und Revolade absetzt, dann kommt es bei den allermeisten Patienten zu einem erneuten Abfall der Thrombozytenzahl. Es gibt aber auch einige wenige, da bleiben die Thrombozyten oben. Man weiß nicht genau, warum das so ist. Man kann jetzt spekulieren, dass diese Patienten ohnehin eine Normalisierung der Thrombozyten erreicht hätten, auch ohne Therapie. Man kann auch argumentieren, dass die Normalisierung der Thrombozyten unter NPlate das Immunsystem gewissermaßen "desensibilisiert" hat. Das ist aber für den einzelnen Patienten nicht voraussehbar. Zusammengefasst heißt das, dass viele Patienten auf eine deutliche Besserung hoffen können, dass es sogar einige Patienten gibt, bei denen nach dem Absetzen von NPlate die Thrombozyten oben bleiben, nur wer das ist, weiß niemand.

Seher : Mein Bruder und ich sind eineiige Zwillinge. Bei uns war das immer so, wie man das in der Satire liest. Unsere Kinderkrankheiten bekamen wir zusammen. Mein Bruder bekam im Alter von 53 Jahren Darmkrebs. Ich nicht. Es folgte Chemotherapie, Operation und wieder Chemotherapie. Während der Chemo gingen seine Thrombozyten in den Keller. Er soll jetzt Medikamente bekommen, damit die sich wieder schneller erneuern. Ich frage mich, ob das gut ist. Aufgrund unserer genetischen Gleichheit könnte ich doch regelmäßig Thrombozyten spenden und meinem Bruder würde zusätzliche Chemie erspart. Bislang will der Hämatologe da nicht ran. Ich verstehe das nicht. Ich suche in erster Linie nach Argumenten für diesen Schritt, um die behandelnden Ärzte von den Vorteilen zu überzeugen.

PROF. MATZDORFF: Auf den ersten Blick ist Ihr Argument bestechend. Sie würden Ihrem Bruder Thrombozyten spenden. Aber was hätte Ihr Bruder dadurch gewonnen. Man kann doch genauso seine Blutwerte durch die Medikamente schneller regenerieren. Dann erspart man ihm die Gabe eines Blutproduktes. Bei Blutprodukten gibt es viele rechtliche Vorschriften zu beachten. Das wäre bei Ihnen ein bisschen wie eine Organtransplantation. Regelmäßig das Organ Thrombozyten zu transplantieren, damit Ihre Bruder die Chemotherapie bekommen kann, ist wahrscheinlich zu aufwendig. Ich würde es wahrscheinlich genauso wie der Arzt machen und ihm lieber die Medikamente zur schnelleren Neubildung geben. Eine Randbemerkung: Soll Ihr Bruder wirklich Medikamente zur Neubildung von Thrombozyten oden von Leukozyten bekommen. Eine Therapie der Leukozyten wird häufig angeboten. Eine Stimulierung der Thrombozyten zur Neubildung zur Durchführung der Chemotherapie ist relativ ungewöhnlich. Vielleicht fragen Sie noch einmal, ob es nicht doch nur um die Leukozyten geht. Leukozyten sollten Sie nicht spenden. Dann habe ich noch eine zweite Bitte: Lassen Sie Ihren Darm spiegeln, damit Sie nicht auch das Risiko eines Darmkrebses haben.

Ole : Was ist die Ursache einer Thrombozytopenie? Angeblich sei es schwer, das herauszufinden. Ich bin sprachlos. Das muss doch in der heutigen Zeit bei dem Wissensstand der Forschung möglich sein. Ich finde das total beunruhigend.

PROF. MATZDORFF: Es gibt so viele verschiedene Ursachen eine Thrombozytopenie, dass die Wissenschaft noch nicht am Ende, sondern ganz am Anfang steht. Dies gilt nicht für die ITP, sondern für viele andere Bluterkrankungen auch. Ständig entdecken wir neue Zusammenhänge. Es ist deshalb nicht leicht, den Überblick zu behalten. Neue Therapien werden entwickelt, neue Zusammenhänge erkannt und auch unerwünschte Wirkungen müssen beachtet werden. Ich empfehle deshalb jedem Patienten, sich über seine Erkrankung zu informieren. Dies geht im Internet, auf Selbsthilfegruppentreffen und natürlich immer auch im Gespräch mit dem Arzt. Wenn man eine so seltene Erkrankung hat, wie die ITP muss man die Dinge manchmal selber in die Hand nehmen. Dies haben viele der Teilnehmer heute getan. Dies war nicht nur für Sie, sondern auch für mich ein sehr lohnender Chat. Und ich wünsche allen baldige Besserung und Genesung.



Ende der Sprechstunde.


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