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Multiples Myelom: Bessere Wirkung - weniger belastend

Experte:
Dr. med. Oliver Schmah
Leiter der onkologischen Ambulanz
Tumorzentrum
Caritas Klinikum Saarbrücken
 

PROTOKOLL

Multiples Myelom: Bessere Wirkung - weniger belastend

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Wir beginnen um 19 Uhr.

Bochum : Seit meine Mutter an m. Myelom erkrankt ist schläft sie unglaublich viel, 12-14 Stunden. Bleibt das so, hilft ihr das oder ist das eine psychische Reaktion?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Wie bei anderen Krebserkrankungen, ist auch beim multiplen Myelom natürlich die Grunderkrankung Ursache für eine generelle Kraftlosigkeit. Im Englischen bezeichnet man das als Fatique. Dieses klassisches Symptom für eine Tumorerkrankung sollte bei einer Patientin, die behandelt wird, sich im Therapieverlauf auch wieder verbessern. Das ist durchaus im Sinne einer körperlichen Reaktion auf die Tumorerkrankung, vor allem auch verbunden mit der Anämie, die bei der Erkrankung häufig auftritt, und selten eine psychische Reaktion.

Zoe : Hat die Radioimmuntherapie auch Aussicht auf Erfolg beim Multiplen Myelom? Für die evtl. Beantwortung im Voraus besten Dank. Herzliche Grüße Zoe

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Eine Radioimmuntherapie besteht aus einem Antikörper, der mit einer radioaktiven Strahlungsquelle verbunden ist. Für das multiple Myelom befinden sich Antikörper, die gezielt die Plasmazelle attackieren können in Entwicklung und teilweise auch in klinischen Studien bereits in Testung. Ein in der Klinik erhältlicher Antikörper im Sinne einer Radioimmuntherapie ist mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt.

österreicher : Was genau ist denn ein Multiples Myelom und welche Beschwerden verursacht es? Wann tritt es auf?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Das multiple Myelom ist eine Erkrankung der Plasmazelle. Hierbei kommt es durch Entartung einer Zelle zu einer klonalen Expansion dieser Plasmazelle, die inkomplette oder nicht funktionierende Antikörper herstellt. Die Beschwerden der Erkrankung können zunächst sehr unspezifisch sein. Von - wie schon erwähnter - Müdigkeit, Abgeschlagenheit über Gewichtsverlust, Blutarmut bis zu so genannten pathologischen Frakturen und anderen Endorganschäden, sind vielfältige Ausprägungen der Erkrankung möglich. Eine häufige Symptomatik, die zur Diagnosestellung führt, sind Knochenschmerzen, die schon erwähnte Anämie oder Blutarmut. Sie ist eine Erkrankung des höheren Erwachsenenalters und wird teilweise auch durch Zufall bei Routineuntersuchungen beim Hausarzt diagnostiziert. Die eben schon erwähnten pathologischen Frakturen, das sind Frakturen, die ohne ein nachvollziehbares Trauma auftreten, führen häufig über den Weg des Orthopäden oder Unfallchirurgen zum Onkologen.

Binasch : Ist eine Chemo mit Thalidomid eine zeitgemäße Behandlung? Ich dachte diese Substanz sei international verboten nach dem Contergan-Skandal.

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Thalidomid spielt in der Behandlung des Plasmocetoms eine wesentliche Rolle. Sie ist die Ursprungssubstanz einer ganzen Gruppe neuer Medikamente, die bezüglich der Behandlungsoptionen des multiplen Myeloms einen Meilenstein darstellen. Die Information über Thalidomid ist richtig. Sie ist die Substanz, die im Contergan-Skandal eine Rolle spielte. Entsprechend hoch sind auch die Sicherheitsanforderungen an die Verordnung und Rezeptierung der Substanz. Aber man muss bei der Beurteilung dieser Substanz und Substanzgruppe natürlich berücksichtigen, dass im Gegensatz zu der damaligen Medikation als Schlafmittel die Substanz heute als antineoplastische, d. h. Substanz, die gegen Tumorwachstum gerichtet ist, einen völlig anderen Einsatzbereich hat.

Selmiker : Was löst diese schreckliche Krankheit aus?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Wie bereits weiter oben erwähnt, ist die Erkrankung ursächlich durch entartete Plasmazellen charakterisiert. Die genauen Pathomechanismen sind wie bei anderen Krebserkrankungen häufig unklar. Es gibt gewisse Risikofaktoren, z. B. ist in der afroamerikanischen das Auftreten deutlich höher als in der restlichen Bevölkerung der USA, Umweltfaktoren, wie ionisierende Strahlung, Giftstoffe aus der Petrochemie und Pestizide werden als Ursachen oder Mitauslöser diskutiert. In asiatischen Raum treten diese Erkrankungen wesentlich seltener auf.

ZÜRICH334 : Es sind ja heute viele sehr gut informierte Patienten online. Vielleicht ist meine Frage zu banal, aber was genau ist eigentlich ein Proteasomenhemmer, zum Beispiel die Namen Carfilzomib und KYPROLIS, die ich hierzu im Schweizer Google gefunden habe?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Proteasomeninhibitoren, wie Carfilzomib, sind ebenfalls eine moderne und neue Medikamentengruppe. Das Proteasom ist eine Art Produktionsstätte in der Zelle, die Botenstoffe modifizieren und dadurch die Kommunikation in der Zelle regulieren kann. Durch den Einsatz dieser Proteasomeninhibitoren wird diese Kommunikation der Zelle verändert und dadurch das Wachstum der Tumorzelle behindert.

Zoza : Wie behandelt man und wann in welchem Stadium ein Plasmocytom?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Das Plasmocytom gehört in eine Gruppe von engverwandten Erkrankungen der Plasmazelle. Wie bei vielen Dingen in der Natur gibt es keinen Beginn und kein Ende der Erkrankung, sondern meist eine kontinuierliche Evolution. Ein MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) stellt eine Vorform des multiplen Myeloms dar und ist keine Therapieindikation. Die Therapieindikation beim multiplen Myelom ergibt sich aus dem Auftreten von Symptomen, wobei Symptome in diesem Zusammenhang nicht nur Symptome, die der Patient selber spüren kann, sein können, sondern auch Ausdruck der Endorganschädigung durch die Ablagerung von "falschen" Immunglobulien (Abwehreiweißstoffe). Nach den aktuell geltenden Leitlinien bezeichnen wir die Kriterien zur Therapieeinleitung als so genannte Crab-Kriterien. Diese englische Abkürzung steht für erhöhte Calciumwerte im Blut, Nierenversagen, Anämie (Blutarmut) und Knochenauflösungen. Aufgrund der immer besser werdenden Diagnostik, insbesondere der Bildgebung, werden aus meiner Sicht die Kriterien für eine Behandlungsbedürftigkeit in Zukunft großzügiger gestellt werden.

Jens : Im Sommer 2013 wurde bei mir ein M-Myelom diagnostiziert, das mit einer knallharten Chemotherapie behandelt wurde. Danach waren meine Werte gut und die Behandlung ausgesetzt, weil es nicht mehr erforderlich war. Mich verunsichert das nach wie vor, denn das ist doch eine umfassende Erkrankung, die nicht einfach so weggeht. Kann ich den Aussagen des Hämato-Onkologen vertrauen? Ich gehe regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen.

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Grundlegend steht, bis auf Ausnahmefälle, zum jetzigen Zeitpunkt keine heilende Behandlung für das multiple Myelom zur Verfügung. In Ausnahmefällen kann durch eine Knochenmarktransplantation vom Fremdspender sowie im lokalisierten Stadium mittels Bestrahlungstherapie eine Heilung erreicht werden. Durch die Entwicklung neuer Substanzen hat sich die Therapierbarkeit der Erkrankung wesentlich verbessert und im Allgemeinen kann man von einer Behandlung einer chronischen Erkrankung reden. Die Behandlung zielt darauf ab, eine möglichst lang andauernde Kontrolle der bösartigen Zellen zu erreichen und macht Therapiepausen, wie in Ihrem Fall, möglich. Es gibt darüber hinaus die Möglichkeit, auch so genannte Erhaltungstherapien durchzuführen. Diese sollen helfen, den durch die intensive Chemotherapie erreichten Therapieerfolg möglichst lange aufrecht zu erhalten. Wie in Ihrem Falle, ist eine engmaschige Kontrolle beim Spezialisten sinnvoll und notwendig, um den richtigen Zeitpunkt für eine erneute Therapie auszuwählen.

Eulrich : Kann man ein MM auch in den Erbanlagen nachweisen? Mein Vater ist nach entsetzlichem Siechtum daran gestorben. Letztlich waren wir dankbar, als er vor 3 Jahren erlöst wurde. Aber seither bin ich sehr unruhig und möchte hier diese Gelegenheit nutzen und einmal konkret nachfragen. Bitte keine beschwichtigende, sondern eine absolut ehrliche Antwort! Wenn diese Krankheit nun erblich sein sollte, macht es Sinn, dass wir 3 Geschwister und auch unsere Kinder sich testen lassen?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Diese Frage kann sehr kurz beantwortet werden. Es gibt eine gewisse Häufigkeit auf Geschwisterebene, jedoch ist eine Vererbung dieser Erkrankung nach aktuellem Wissensstand nicht möglich und es besteht auch keine Möglichkeit, dies aktuell zu testen.

ReginaGanswindt : Welche Erfahrung hat der Experte mit einer Minitransplantation (Kombination Chemo/Stammzellübertragung). Das soll gerade für ältere Menschen sinnvoll sein. Warum? Käme das auch für meine Mutter in Betracht 74J/6 Zyklen Chemo? Was ist besser an so einer Minitransplantation?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Die angesprochene Minitransplantation betriff die Transplantation vom Familien- oder Fremdspender. Der Begriff Minitransplantation rührt von der Intensität der Konditionierungschemotherapie her. Es wird also eine Chemotherapie appliziert, deren Ziel es weniger ist, möglichst viele Tumorzellen zu zerstören, sondern den Empfänger optimal für die Aufnahme des fremden Knochenmarks vorzubereiten. Während der Immuneffekt der Transplantation vom Familien- oder Fremdspender bei einer normalen Transplantation - im Vergleich zur Minitransplantation - vergleichbar ist, ist die unerwünschte Wirkung durch die Chemotherapie reduziert und somit überhaupt die Transplantation älterer Erwachsener möglich macht. Für die spezifische Therapieplanung bei Ihrer Mutter ist jedoch eine sehr differenzierte Betrachtung des Krankheitsverlaufs und der Begleiterkrankung notwendig, um die optimale Therapie für Ihre Mutter zu finden. Grundsätzlich gibt es in Deutschland die Möglichkeit, selbst im Alter von 74 Jahren, eine solche Transplantation durchführen zu lassen. Im Rahmen der neuen Therapieoptionen ist diese kritische Bewertung ganz besonders wichtig, da auch durch ein Therapiekonzept ohne Transplantation mittlerweile sehr lange Verläufe möglich sind.

P_Schuster : In der kommenden Woche beginne ich meine erste Chemotherapie. Ich habe Angst und mache mir Gedanken, wie es weitergehen soll? Bekomme ich irgendwann sogar eine Knochenmarkübertragung aus meinen eigenen Zellen, wann werden die QUOT1abgezweigtQUOT2? Gibt es dafür einen besonders geeigneten Zeitpunkt? Ich vertrau den Ärzten zwar, aber es hat sich so viel in der Medizin geändert, dass mitdenken sicherlich nicht falsch ist. Ich will nicht reagieren, ich will agieren, so habe ich immer mein Leben gestaltet und das hilft mir mehr, als schlapp herumzusitzen. Was muss ich sonst noch bedenken, bin 59 Jahre und sonst ganz gesund. Verstehe das alles sowieso überhaupt nicht, woher diese Krankheit kommt bei mir.

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Diese Frage kann pauschal so nicht beantwortet werden, da sehr viele individuelle Faktoren abgewägt werden müssen. Ich rate meinen Patienten grundsätzlich auch dazu, sich bei den oft schweren Entscheidungen noch eine zweite Meinung einzuholen. Das ermöglich Ihnen die von Ihrem aktuell betreuenden Onkologen festgesetzte Therapie besser bewerten zu können und hilft, eine entsprechende Therapieentscheidung zu fällen.

Jule_S : Was für neue Medikamente gegen das Multiple Myelom befinden sich in der Entwicklung?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Es befinden sich eine ganze Reihe verschiedener neuer Medikamente in der Entwicklung. Diese basieren teilweise auf bereits auf dem Markt befindlichen Substanzen als auch völlig neuen Entwicklungen. Diese sind z. B. im Bereich der Antikörperentwicklung und DNA- bzw. Histonbeeinflussung zu finden. Wie schon erwähnt, aber auch Weiterentwicklungen der Proteasoninhibitoren und der so genannten immunmodulatorischen Substanzen (IMIDS).

R. Wedellan : War bis zur Diagnose Jogger. Jetzt fehlt mir häufig die Kraft dazu, obwohl ich keine langen Strecken laufe. Glaube aber, dass die Bewegung auch für die Knochen gut wäre. Wie komme ich aus diesem Teufelskreis heraus? Ich würde gern wieder jeden Tag eine kleine Strecke von 2km o.ä. laufen.

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Die Erkrankung des multiplen Myeloms geht häufig mit einer gewissen Frakturgefährdung einher. Diese ist mit dem betreuenden Hämato-Onkologen intensiv abzuklären. Grundsätzlich ist körperliche Bewegung und Sport sehr gut für Krebspatienten, allerdings speziell bei Plasmozytom-Patienten mit dem Risiko von Frakturen verbunden. Sollte eine Frakturgefährdung mittels entsprechender Diagnostik ausgeschlossen worden sein, spricht gegen eine sportliche Betätigung mit dieser Erkrankung ebenfalls nichts.

Majella : Vor 4 Wochen Diagnose Plasmacytom, durch eine Immunglobulin Bestimmung, Nierenfunktion, Kalzium. Die Diagnose wurde ohne Röntgenuntersuchung erstellt. Das ist sonst absolut unüblich ist, dass keine Röntgenuntersuchung zur Erkennung von Veränderungen an den Knochen gemacht wurde. Kann man überhaupt ohne Röntgen eine zuverlässige Diagnose stellen? Ich bin erst 53 Jahre. Bin ich nicht ungewöhnlich jung für diese Krankheit?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Die Diagnose des multiplen Myeloms umfasst neben der von Ihnen schon erwähnten Laboruntersuchung eine Abklärung mittels Röntgendiagnostik. Ich empfehle meinen Patienten mittlerweile ein MRT-Achsenskelett und ein so genanntes niedrig dosiertes CT-Knochen, um mögliche Osteolysen, das sind so genannte Knochenerweichungen, die durch das multiple Myelom verursacht werden, erkennen zu können. Außerdem gehört zur adäquaten Abklärung immer eine Knochenmarkuntersuchung. Üblicherweise tritt die Erkrankung zwischen dem 45. und dem 75. Lebensjahr auf, somit gehören Sie eher zu jüngeren Patienten, aber 53 Jahre ist nicht ungewöhnlich. Insbesondere bei den jüngeren Patienten, die darüber hinaus wenig Nebendiagnosen oder Erkrankungen haben, gehen die aktuellen Empfehlungen eher Richtung einer hochdosierten Chemotherapie mit Stammzelltransplantation, in Einzelfällen auch - wie schon erwähnt - eine Stammzelltransplantation vom Familien- oder Fremdspender.

Lebrecht : Habe im Netz gesucht und weiß jetzt, dass es in Norddeutschland mehrere Zentren gibt, die besonders viel Erfahrung mit Zellübertragung von Stammzellen hat. Wo finde ich eine Statistik darüber, wie viele davon erfolgreich angewachsen sind. Kann der Experte dazu vielleicht etwas sagen? Oder wie ist die allgemeine Erfolgs-Statistik?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Im Falle Stammzelltransplantation mit eigenen Stammzellen ist die Zellübertragung sehr sicher und ein Nichtanwachsen nahezu ausgeschlossen. Auch bei der Transplantation vom Familien- oder Fremdspender ist das Risiko eines Nichtanwachsens der Stammzellen vernachlässigbar. Insbesondere beim jüngeren Patienten ohne Nebenerkrankungen, der einen idealen Kandidaten für eine Hochdosis-Chemotherapie mit Stammzellübertragung darstellt, sind die Daten des Wiederauftretens der Myelom-Erkrankung deutlich besser, jedoch beruhen diese Daten teilweise auf Untersuchungen vor der Einführung der neuen Myelom-Therapien. Somit bleibt abzuwarten, ob in neueren Vergleichen ähnliche Ergebnisse auch ohne Transplantation möglich sind. Interessanterweise sind aber auch Beobachtungen bei der Kombination von Transplantationsverfahren mit neuen Substanzen, z. B. der immunmodulatorischen IMIDS, welche vielversprechende Verbesserungen bezüglich einer Heilung des multiplen Myeloms erhoffen lassen.

D:Steffen : Vor 7 Jahren Verdacht auf Plasmocytom. Immer wieder Kontrollen. Vor 1 Jahr Ausbruch der Krankheit, Behandlung mit Chemo und Cortison in hohen Gaben. Keine Besserung, weil meine Mutter Cortison nicht gut verträgt. Blutwerte trotzdem relativ gut. Jetzt massive Knochenschmerzen. Hat Dr. Schmah einen Rat?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Aus der kurzen Schilderung entnehme ich, dass bei Ihrer Mutter ein so genanntes schwelendes Plasmocytom oder ein MGUS vor sieben Jahren diagnostiziert wurde. Bezüglich der Knochenschmerzen hat sich der Einsatz der so genannten Bisphosphonate in der Behandlung der Knochenauflösung sehr bewährt. Eine genaue Stellungnahme zum therapeutischen Konzept kann nur der Onkologe vor Ort mit vollständiger Diagnostik beantworten. Jedoch gibt es auch im Falle einer schlechten Verträglichkeit heutzutage sehr viele Alternativ-Kombinations-Therapien, die im individuellen Fall besser verträglich sind.

Claudio Ohl : Eine Mitpatientin hat Bisphosphonate oder ähnliche Substanzen als Schutz für die Knochen empfohlen. Ich will das ja gern selbst bezahlen, aber mein behandelnder Arzt will mir noch nicht mal ein Privat-Rezept ausstellen. Warum nicht, ich belaste doch gar nicht sein Budget, wenn ich das selbst finanziere?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Bis auf Einzelfälle ist der Einsatz von Bisphosphonaten aus meiner Sicht im Falle von symptomatischen Knochenläsionen unersetzbar. Ohne den Fall im speziellen zu kennen, ist mir nicht klar, warum der Einsatz bei Ihnen nicht in Frage kommt. Hierzu hilft nur ein klärendes Gespräch mit dem behandelnden Onkologen. Bei Komplikationen oder Kontraindikationen erkläre ich meinen Patienten immer, warum diese oder jene Therapie bei ihnen nicht möglich ist.

Willmann : Meine Recherche hat ergeben, dass die Heilungschancen von einer Multiplen Myelom-Erkrankung irgendwo zwischen 40-90 Prozent sein soll. Das ist ja himmelweiter Unterschied. Wovon hängt Heilung ab? Alter, Gesamtzustand, oder gibt es da noch Unterschiede in der Erkrankungsform und der Heftigkeit?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Der Oberbegriff multiples Myelom oder besser der Plasmazellneoplasien umfasst ein weites Spektrum an verschiedenartigen Krankheitsbildern und -verläufen. Neben Risikofaktoren, wie Alter, Gesamtzustand, Laborkonstellation, spielen zunehmend auch molekulare Untersuchungen der Krebszelle eine Rolle bezüglich der Prognose der zugrundeliegenden Erkrankung. Von sehr milden Verläufen bis zu höchst aggressiven Verläufen, bei denen man von einer Plasmazellleukämie spricht, präsentiert sich das Krankheitsbild sehr unterschiedlich. Dies ist Ausdruck für die unterschiedlich langen Überlebenszeiten und auch Möglichkeiten einer Heilbarkeit.

Jana_Bartsch : Ich habe seit Jan. 2022 M-Myeloma (Typ IgG kappa, Stadium IIIA). 6 x Chemo, Feb 2013 Hochdosis-Chemotherapie/Stammzellenrückgabe. Habe mich nur schwer davon erholt. Bin in enger Kontrolle und wurde gefragt, ob ich an einer Studie teilzunehmen würde, wenn es dazu die Möglichkeit gäbe, obwohl es keinen akuten Anlass für weitere Behandlung gibt. Offenbar ist da irgendwas geplant, denn die Studie soll zeigen, ob die Überlebensrate dadurch verbessert wird. Bin unentschlossen, ob ich das machen soll, weil ich gerade wieder einigermaßen (30Stunde/Woche) angefangen habe zu arbeiten. Macht es Sinn an so was teilzunehmen?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Grundlegend ist die Teilnahme an Studien aus meiner Sicht immer zu empfehlen. Sie ermöglicht den Zugang zu modernsten Behandlungsverfahren und entgegen der so häufig genannten Versuchskaninchenatmosphäre sind die Ergebnisse bezüglich Lebenserwartung und Heilungschancen nachweislich besser. In Ihrem speziellen Fall kann ich zu den vorgeschlagenen Therapien oder auch diagnostischen Studien keine Aussage machen, da mir nicht klar ist, um welche Testung oder Studien es gehen soll. Hier empfehle ich - wie auch bei den speziellen Fragen von anderen Teilnehmern -, das Gespräch mit dem behandelnden Onkologen zu suchen, der im Detail zu Ihren Fragen die entsprechenden Antworten haben sollte.

Nervo : Im April hatte ich eine Stammzelltransplantation. Deshalb haben mir die Ärzte in diesem Jahr von einer Grippeschutzimpfung abgeraten. Wie soll ich mich jetzt im Winter besonders vor Grippe schützen? Das geht ja kaum. Ich muss z.B. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren, weil es keine Parkplätze gibt, wo ich in Köln arbeite. Ich weiß, um das Gefahrenpotenzial.

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Die Frage bezüglich einer Impfung im Fall einer Stammzelltransplantation oder auch im Rahmen von intensiven Chemotherapien ist eine Frage, die häufig gestellt wird und große Bedeutung hat. Im Falle einer Hochdosistherapie mit Eigenstammzelltransplantation sollte mittlerweile eine entsprechende Normalisierung des Immunsystems begonnen haben. Für die Transplantation vom Fremdspender gehen die Empfehlungen üblicherweise von einer Normalisierung von etwa einem Jahr aus. Ich empfehle meinen Patienten grundsätzlich, eine Grippeimpfung durchführen zu lassen, da der zu erwartende Nutzen in einem günstigen Verhältnis zu den Risiken steht. Die Grippeschutzimpfung ist ein so genannter Tod-Impfstoff, welcher trotz Immunsuppression nicht zu einem Ausbruch der Grippe bei den Patienten führen kann. Inwieweit eine normale Immunreaktion zum entsprechenden Zeitpunkt stattfinden kann, ist nicht abschließend gesichert. Hilfreich kann hier eine Testung des Immunsystems durch den betreuenden Onkologen sein, um die Erfolgschancen einer Impfung besser abschätzen zu können.

Henner : Bisher hieß es, dass nach einer gescheiterten Knochenmarktransplantation nicht mehr viel geht. In den USA bekommen Patienten durch Velcade eine weitere Chance. Ich dachte immer, es gelten internationale Standards. Gibt es noch was neueres, besseres?

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Auch diese Frage habe ich bereits weiter oben angeschnitten. Vielversprechend sind Ansätze einer Kombination aus Stammzelltransplantation mit modernen Myelom-Medikamenten. Auch in Deutschland werden an Transplantationszentren entsprechende Therapien angeboten. Da dies noch kein Standard ist, sind diese Ergebnisse zunächst als vorläufig zu betrachten und weitere Untersuchungen in Studien zwingend erforderlich.

DR. MED. OLIVER SCHMAH: Ich bedanke mich bei allen Teilnehmern dieser Sprechstunde für die vielen interessanten Fragen und die rege Teilnahme. Ihnen allen wünsche ich nun noch einen angenehmen Abend.



Ende der Sprechstunde.


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