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Nierenzellkarzinom: Neue Perspektiven und bessere Lebensqualität

Prof. Dr. med. Marc Oliver Grimm
Universitätsklinikum Jena
Klinikdirektor
Klinik und Poliklinik für Urologie
Lessingstr. 1
07743 Jena

03641 / 935206
03641 / 935003

Nora.hesse@med.uni-jena.de
www.urologie.uniklinikum-jena.de

 

Schwerpunkte
 
Urologische Onkologie
 
Nierenzellkarzinom

•Operative Therapie einschließlich laparoskopischer
•Tumornephrektomie bzw. roboterassistierter (DaVinci)
•laparoskopischer Nierentumorresektion (nierenerhaltend)

 
 
Medikamentöse Therapie mit s. g. „targeted drugs“
 
Prostatakarzinom

•Operative Therapie einschließlich DaVinci Prostatektomie
•Medikamentöse Therapie (Chemotherapie, Immuntherapie
i. R. klinischer Studien)


Blasenkarzinom

•Transurethrale Blasentumorresektion mit fotodynamischer
•Diagnostik
•Radikale Zystektomie (einschl. roboterassistiert) mit allen modernen
•Harnableitungsformen (Ersatzblase, katheterisierbarer Pouch)
•Medikamentöse Therapie (Chemotherapie, Immuntherapie
i. R. klinischer Studien)


Hodentumoren

•Operative Therapie einschl. Nervenschonender retroperitonealer
•Lymphknotenentfernung
•Polychemotherapie
 

Weitere Schwerpunkte

•Prostataadenom einschl. Greenlight XPS Laservaporisation

PROTOKOLL

Nierenzellkarzinom: Neue Perspektiven und bessere Lebensqualität

MODERATOR: Wir beginnen mit der LIVE-Sprechstunde um 19 Uhr. Der heutige Experte Prof. Grimm ist live aus Kanada zugeschaltet.

PROF. GRIMM: Wir beginnen um 19 Uhr deutscher Zeit.

Grobi : Tabletten als Krebstherapie macht die Krankheit irgendwie kleiner und der Gedanke tut gut. Ist so eine Behandlung auch weniger anstrengend? Könnte mein Mann bald wieder arbeiten und um seinen Job kämpfen? Wir haben zwei Kinder 3 und 8 Jahre. Ich arbeite natürlich auch, aber davon können wir nicht leben.

PROF. GRIMM: Es gibt mittlerweile zahlreiche Krebstherapien gegen Nierentumore in Tablettenform. Diese Therapie kann in der Regel ambulant durchgeführt werden, ist also insgesamt besser verträglich als die meisten Chemotherapien. Dennoch haben auch diese Medikamente einige unerwünschte Wirkungen. Diese unterscheiden sich von Präparat zu Präparat. Insofern müsste man - in Abhängigkeit von der Tätigkeit - überlegen, welches Präparat am besten geeignet ist. Die Möglichkeit, wieder zu arbeiten, hängt einerseits von den Einschränkungen durch die Krankheit ab, ist andererseits aber natürlich auch von den unerwünschten Wirkungen, die bei Patienten sehr individuell und unterschiedlich sind, abhängig.

Preisler : Was ist das neueste Medikament, was bei der Diagnose Nierenkrebs T3cN2M1 helfen kann? Gibt es überhaupt Hilfe? Wir wissen, dass es keine Heilung geben kann. Aber wie kann eine Lebensverlängerung aussehen? Danke vielmals für eine Antwort.

PROF. GRIMM: Bei einem Nierenkrebs in diesem Stadium gibt es, in Abhängigkeit vom Zelltyp (klarzellig, papilär etc.) mittlerweile zahlreiche Medikamente. Das zuletzt zugelassene Medikament in der so genannten Erstlinientherapie ist das Präparat Votrient. Grundsätzlich sind die Präparate in ihrer Wirksamkeit - auch in Bezug auf eine Lebensverlängerung - wahrscheinlich vergleichbar. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Art der unerwünschten Wirkungen. Insofern kann in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen, der beruflichen Tätigkeit oder Freizeitaktivitäten, am ehesten eine Entscheidung über das Präparat getroffen werden. Auch der Allgemeinzustand und die Art der Metastasierung sowie eventuell bestehende Beschwerden spielen natürlich eine große Rolle bei der Auswahl des Präparates.

Katie : Welche Kontrolluntersuchungen sind erforderlich in welchen Abständen unter einer Nexavar-Behandlung? Zwei Mal im Monat wird bei mir Labor gemacht und Blutdruck gemessen. Meine eine Freundin sagt, die Abstände sind zu lang (selbst Ärztin/allerdings Augen), die andere meint so häufig sei das nicht erforderlich. Ich will das im Grunde alles gar nicht mehr hören, trotzdem beschäftigt mich das.

PROF. GRIMM: Aus meiner Sicht sind die Kontrollintervalle bei den Laborbestimmungen ausreichend, da Laborwertveränderungen unter einer Nexavar-Behandlung nicht so häufig bzw. gravierend sind. Der Blutdruck sollte regelmäßig gemessen werden. Hier empfehle ich, dass Sie dies zu Hause mit einem eigenen Blutdruckmessgerät tun. Sofern Sie schon länger mit dem Präparat behandelt werden, ist allerdings nicht zu erwarten, dass sich jetzt noch gravierende Blutdruckwert-Veränderungen einstellen. Bei der Behandlung mit Nexavar zählt zu den typischen unerwünschten Wirkungen das Auftreten einer so genannten Hand-Fuß-Haut-Reaktion. Von daher ist darüber hinaus die regelmäßige Verwendung einer lipophilen Harnstoffcreme zu empfehlen.

Bianka.schwartz@me.c: Guten Tag, Ich bin sehr verzweifelt. Meinem Mann wurde 2005 aufgrund eines Nierentumors (pT1bG2RO)die rechte Niere entfernt. Metastasen gab es keine bis 2012 Metastasen in der Lunge festgestellt wurde. Es erfolgte eine 6moatige Chemotherapie mit Votrient, die ersten 4 Monate 800mg dann aufgrund stärker Nebenwirkungen 600 mg. Die Nebenwirkungen waren Durchfall Hand Fuß Syndrom, sehr große Probleme mit der Schleimhaut Hals Rachen Speiseröhre. Da im Mai d.J. nach CT keine Metastasen mehr zu finden waren erfolgte eine Pause von drei Monaten danach gab es wieder zwei sehr kleine rundherde in der Lunge.der Urologe verordnete wieder votrient 600 mg. Meine Mann bekam wieder sehr starke Nebenwirkungen. Da uns der Urologe auf mehrmaliger Nachfrage bei den Nebenwirkungen nicht helfen konnte haben wir eine. Onkologen aufgesucht, der das Medikament sofort absetzte und nun mit einer Interferon Therapie beginnen will. Ich bin sehr verunsichert, ob es die richtige Therapie fuer meinen Mann ist. Da heute zielgerichtete Substanzen zur Anwendung kommen und Interferon von der Wirksamkeit umstritten ist. Ich wurde mich freuen, wenn Sie heute Abend im live Sprechstunde meine Verunsicherung nehmen Koennten. Vielen Dank!,

PROF. GRIMM: Grundsätzlich kann in dieser Situation Interferon eingesetzt werden. Dies entspricht aber nicht den derzeitigen Empfehlungen der Fachgesellschaften. Nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften kämen als Präparate z. B. Afinitor oder Inlyta in Frage. Aus meiner Sicht sollte aber auch geprüft werden, ob nicht eine chirurgische Entfernung der Lungenmetastasen möglich ist. Immerhin handelt es sich bei den Metastasen Ihres Mannes um ein so genanntes Spätrezidiv, da die Metastasen sieben Jahre nach der Initialen Operation aufgetreten sind. Es gibt hier mehrere Thoraxchirurgien, die sich auf die Entfernung solcher Metastasen - auch in größerer Zahl - spezialisiert haben. Sofern keine Metastasen in anderen Organsystemen gleichzeitig bestehen, halte ich das auch unter dem Aspekt der gravierende unerwünschten Wirkungen für eine sinnvolle Option (in Abhängigkeit von den radiologischen Befunden).

Linsehut : Ich habe seit kurzem Bluthochdruck, was sehr ärgerlich ist, denn dadurch verzögert sich die notwendige Tabletten-Therapie, die jetzt eigentlich beginnen sollte. Zum einen finde ich die Perspektive jetzt QUOT1nur nochQUOT2 Tabletten nehmen zu müssen eine ganz große Erleichterung zum anderen sollte das ohne Verzögerung beginnen. Warum kann man Blutdrucksenker und Nexavar nicht gleichzeitig nehmen?

PROF. GRIMM: Grundsätzlich sollte vor dem Beginn einer Therapie mit einem Hemmstoff der Gefäßneubildung, wie Nexavar, immer eine Blutdruckeinstellung erfolgen. Dies soll letztlich verhindern, dass es nicht durch unkontrollierte Blutdruckspitzen zu unerwünschten Ereignissen kommt. Insofern kann ich Ihnen nur empfehlen, die Blutdruckeinstellung vornehmen zu lassen und danach mit Nexavar zu beginnen.

Stolli : Die vielen Substanzen verwirren mich gerade. Ich bin aber positiv überrascht, dass es eine eingreifende Krebstherapie in Tablettenform gibt, sogar mehrere verschiedene. Die laufen unter dem Begriff Tyrosinkinasehmmer. Wann kommt diese Behandlung in Betracht? Mein Zwillingsbruder ? wir sind 38 J. ? hat rechts einen Nierentumor von dem die Ärzte sagen, er sei noch am Anfang und es sei eine glückliche Fügung, dass die Krankheit überhaupt so früh entdeckt wurde. Angeblich keine Metastasen ? wie kann man das sicher sagen? Nächste Woche ist die Operation, aber erst danach wird entschieden, wie es weitergeht. Wäre eine Tablettenbehandlung für ihn möglich?

PROF. GRIMM: Grundsätzlich ist die chirurgische Therapie, also die Entfernung des Nierentumors bzw. von Metastasen, die einzige Therapieoption mit einer "heilenden Wirkung". Die Tyrosinkinasehemmstoffe werden bei einer metastasierten Erkrankung eingesetzt, bei der eine Heilung dann nicht mehr möglich ist. Nach Diagnosestellung wird in der Regel eine Ausbreitungsdiagnostik durchgeführt, diese umfasst je nach Tumorstadium des Nierentumors auch eine Röntgenuntersuchung der Lunge oder eine entsprechende Computertomographie. Damit können Metastasen ab einer bestimmten Größe nachgewiesen werden. Auf eine medikamentöse Therapie kann also verzichtet werden, wenn der Nierentumor chirurgisch vollständig entfernt werden kann und die Ausbreitungsdiagnostik keine Metastasen ergeben hat.

Hinneberg : Was ist eine Zweitlinientherapie?

PROF. GRIMM: Von einer Zweitlinientherapie spricht man dann, wenn die erste medikamentöse Therapie, z. B. wegen unerwünschter Wirkungen oder bei einem Fortschreiten der Tumorerkrankung, abgesetzt werden muss. Beim Nierenzellkarzinom liegt die Besonderheit vor, dass sowohl die Erstlinien- als auch die Zweitlinientherapie sehr gut durch klinische Studien abgesichert ist und in beiden Linien zahlreiche Präparate zur Verfügung stehen.

Kojo : Ich finde es sehr hilfreich, wenn man gesagt bekommt, wie man Nebenwirkungen verhindern kann. Es hilft mir besonders dann, wenn ich auch noch verstehe warum. Unklar ist mir geblieben, warum die Substanz Sorafenib, damit werde ich gerade behandelt, auf scharfes Essen reagiert und dann im Gegenzug bei mir schmerzhafte Hautprobleme verursacht. Warum ist das so?

PROF. GRIMM: Zu den typischen unerwünschten Wirkungen von Sorafenib (Nexavar) zählen gastrointestinale Beschwerden, vor allem Durchfälle sowie die Hand-Fuß-Haut-Reaktion. Warum Nexavar häufiger als andere Substanzen zu Hautproblemen führt, ist letztlich unklar. Die unerwünschten Wirkungen am Magen-Darm-Trakt sind möglicherweise mit der Resorption der Substanz vergesellschaftet.

Evelyn : Nachuntersuchung bei Rezidiv Niere (Teilresektion) MRT oder CT? Abgesehen von der besseren Darstellungskraft der Weichteile bei MRT ? steht dem CT eine bessere Befundung der Knochen gegenüber. Negativ bei CT die Strahlenbelastung. Unabhängig davon frage ich mich aber welche Wahl ich besser aufgrund des Kontrastmittel treffen soll. Gerade bei MRT kann ja das enthaltende G. auch stark nierenschädigend sein. Gibt es da Empfehlungen?.

PROF. GRIMM: Grundsätzlich sind sowohl das Röntgenkontrastmittel als auch das Kontrastmittel beim MRT bei einer eingeschränkten Nierenfunktion problematisch. Anders herum können beide Kontrastmittel bei normaler Nierenfunktion (wie sie nach Teilresektion vorhanden sein sollte), verwendet werden. Aus meiner Sicht ist in der Regel ein CT (trotz der Strahlenbelastung) zu bevorzugen. Im Zweifelsfall kann man dann mit seinem Radiologen absprechen, ob ein MRT eine zusätzliche Information bringt.

Krohne10 : Welchen Stellenwert haben Laboranalysen beim Staging von Nierenzellkrebs, oder sind dafür nur bildgebende Verfahren ausschlaggebend?

PROF. GRIMM: Beim Staging - also der Ausbreitungdiagnostik - sind Laboranalysen von untergeordneter Bedeutung; es gibt beim Nierenzellkrebs keinen Tumormarker wie bei anderen Tumorarten. Liegt allerdings eine metastasierte Erkrankung vor, dann sind bestimmte Laborparameter bedeutsam, um die so genannte MSKCC-Risikogruppe zu ermitteln. Zu diesen Laborwerten zählen Hämoglobinwert, das Serum Calcium und die LDH. Von der MSKCC-Risikogruppe hängt ab, welche Medikamente für die Therapie in Betracht kommen.

Diewold.re : Bis zu welchem Stadium, oder ab welchem Stadium ist die Immuntherapie empfehlenswert? Das klingt vielversprechend und klingt nach wenig Nebenwirkungen. Stimmt das? OP hat natürlich stattgefunden.

PROF. GRIMM: Eine Immuntherapie kommt ausschließlich im metastasierten Stadium und einem klarzelligen Nierenzellkarzinom in Betracht. Die Immuntherapie ist aber heute als alleinige Therapie nicht mehr der Therapiestandard. Als Substanzen kommen Interferon Alpha (in der Regel in Kombination mit Avastin) oder Interleukin 2 hochdosiert in Betracht. Insbesondere beim Interleukin 2 sind die unerwünschten Wirkungen erheblich; auch beim Interferon kommt es zu grippeähnlichen Wirkungen (z. B. Abgeschlagenheit, Fieber etc.). Man kann also aus meiner Sicht nicht sagen, dass die unspezifische Immuntherapie beim Nierenzellkarzinom besonders arm an unerwünschten Wirkungen sei. Deshalb hat man sie auch (mit Ausnahme der Kombination Avastin und Interferon) im Wesentlichen verlassen.

Grassmann : In einer vorangegangenen Behandlung ist mein Bruder mit Sutent behandelt worden. Aber da waren die Nebenwirkung so groß und es wurde sogar abgebrochen. Jetzt geht es mit Nexavar weiter und wir haben große Sorge, dass auch diese Behandlung evtl. abgebrochen werden muss. Was unterscheidet die beiden Behandlungen? Wo sind weniger Nebenwirkung? Wir sind sehr hoffnungsvoll und wollen meinen Bruder aufs beste unterstützen.

PROF. GRIMM: Wenn die Behandlung mit Sutent abgebrochen werden musste, so ist Nexavar sicherlich eine gute Wahl als Zweitlinientherapie. Wie bereits zuvor ausgeführt, treten bei Nexavar als unerwünschte Wirkung u. a. Durchfälle und Hand-Fuß-Haut-Reaktionen auf. Letzterem kann man mit einer Prophylaxe, einer lipophilen Harnstoffcreme, und angepasstem bequemen Schuhwerk entgegenwirken. Insgesamt gilt Nexavar als eine der Substanzen, oder sogar die Substanz, mit dem "mildesten" Spektrum unerwünschter Wirkungen.

Hans Spiew : Gibt es einen Unterschied zwischen nicht klarzelligem und kleinzelligem Nierenkrebs?

PROF. GRIMM: Beim Nierenkrebs gibt es verschiedene Zelltypen. Mehr als 90 % der Tumoren sind vom klarzelligen Typ. Zu der Gruppe der nicht klarzelligen Typen zählen das papiläre und das chromophobe Nierenzellkarzinom. Mit einem kleinzelligen Nierenkrebs meinen Sie wahrscheinlich das so genannte Sammelrohr-Karzinom, was auch zu den nicht Klarzellern gehört.

Berendt : Die Diagnose ist eindeutig es geht um Nierenzellkarzinom und es sind auch schon Metastasen da. Das hat mich besonders geschockt, denn ich fühle mich nicht wirklich schlecht. Klickt man ein wenig herum, kommt man darauf, dass manche Metastasen sich zurückbilden, wenn der eigentliche Tumor entfernt wurde. Ist das seriöse Information? Was folgt einer Operation an Nachbehandlung bei den vielen Möglichkeiten, die es inzwischen gibt?

PROF. GRIMM: In der Literatur sind einzelne Fälle beschrieben, bei denen sich Metastasen nach der Entfernung des Primärtumors (also des Nierentumors) zurückgebildet haben. Die Häufigkeit solcher Rückbildungen liegt aber sicherlich deutlich unter 1 %. Bei der Operation ergibt sich aus dem histologischen Befund dann der Zelltyp (klarzellig, Gruppe der nicht klarzelligen), durch die Bestimmung der Laborwerte kann das MSKCC-Risiko bestimmt werden. Danach richtet sich dann die Auswahl der medikamentösen Therapie, in der Regel mit einem so genannten Tyrosinkinaseinhibitor. Sofern bei Ihnen derzeit keine Beschwerden bestehen, kann man aber auch überlegen, ob man mit einer medikamentösen Therapie zunächst z. B. für zwei bis drei Monate wartet und sich einen Eindruck über die Dynamik (also das Wachstum) der Tumorerkrankung verschafft.

MODERATOR: Unser Experte macht eine kurze Pause. Wir setzen die Beantwortung Ihrer Fragen in wenigen Minuten fort.

Dijon : Unser Vater hatte eine umfangreiche Operation. Es wurden die rechte Niere, Harnleiter und auch die Nebenniere entfernt. Eigentlich geht es ihm erstaunlich gut, aber glaubt man dem sogen. Staging und den Aussagen des behandelnden Arztes ist seine Zeit begrenzt. Werden die Therapieschemata international abgeglichen, oder lohnt es für uns, im Ausland nach weiteren Möglichkeiten zu suchen? Die finanziellen Mittel sind vorhanden. Ehrliche Zusatzfrage: Oder sind wir dann nur gern gesehene QUOT1GästeQUOT2, denen man einredet jede minimalste Chance zu nutzen, um das Geld bar abzuliefern? Ich meine das nicht so böse, wie es klingt. Wir wollen alles tun.

PROF. GRIMM: Therapieempfehlungen werden von verschiedenen Fachgesellschaften herausgegeben. Diese basieren im Wesentlichen auf den verfügbaren internationalen Studien. Die Empfehlungen der Fachgesellschaften sind ganz überwiegend übereinstimmend, egal ob diese jetzt z. B. von der europäischen Gesellschaft für Urologie oder aber der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie herausgegeben worden sind. Trotzdem kann es natürlich nie schaden, sich eine zweite Meinung einzuholen. Dies muss jedoch meines Erachtens nicht unbedingt im Ausland sein, da alle Daten international verfügbar sind.

Hinz4 : Wie sieht die Nachsorge aus, wenn man Nierenkrebs hatte. Der Abschluss der Behandlung liegt 6 Monate zurück. Was wären die besten Intervalle und was wird dann untersucht? Wie zuverlässig ist so eine Nachkontrolle? Woher weiß ich, dass sich nicht irgendwo eine oder mehrere Metastasen gebildet haben?

PROF. GRIMM: Die Nachsorge, insbesondere die Nachsorge-Intervalle, richten sich natürlich nach dem ursprünglichen Stadium des Nierentumors. Ganz allgemein gilt, dass ein Wiederauftreten der Erkrankung (z. B. als Metastasen) am häufigsten frühzeitig nach der Operation festgestellt werden. Das bedeutet, dass die Nachsorgeintervalle am Anfang eng, später weiter zu wählen sind. Nach der Empfehlung der Europäischen Gesellschaft für Urologie sollten Nachsorgeuntersuchungen nach sechs Monaten, einem Jahr und dann weiter in jährlichen Abständen bis Jahr fünf erfolgen. Diese sollten - je nach Risikoprofil - jeweils auch eine Computertomographie der Lunge und des Bauchraumes umfassen.

Werner62 : Was passiert mit einer Teilniere, die nach einer Krebsoperation zunächst noch teilweise gearbeitet hat, bis sie die Funktion eingestellt hat? Muss die raus, oder kann auch ein funktonsuntüchtiges Organ im Körper bleiben?

PROF. GRIMM: Eine funktionslose Niere nach Nierenteilresektion kann prinzipiell belassen werden. Sie kann allerdings auch mal Auslöser eines Bluthochdrucks sein. In diesem Fall sollte sie besser entfernt werden.

Lydia : Welche Möglichkeit der Nachsorge habe ich, außer der drei Monatigen mit bildgebenden Verfahren, wenn bei einer Bauch OP durch Zufall ein suspekter Lymphknoten entfernt wird, der laut Histologie dem NZK das 2000 operiert wurde (Teilresektion) zuzuordnen ist, der aber vorher weder im MRT noch im PET-CT sichtbar war? KI67 unter 1%.

PROF. GRIMM: Es handelt sich hier anscheinend um ein Spätrezidiv des Nierentumors. Hier sind regelmäßige weitere Nachsorgeuntersuchungen mittels Computertomographien von Lunge und Bauchraum zu empfehlen. Hier würde ich auch engmaschige (am ehesten vierteljährliche) Bildgebungen empfehlen, damit man ein eventuelles weiteres Rezidiv chirurgisch entfernen kann. Gegebenenfalls können die Untersuchungsintervalle später verlängert werden.

Sascha : Bin Neupatient und mir schwirrt der Kopf. Der müsste jetzt aber klar sein, weil ich so viel verstehen muss und auch Entscheidungen fällen muss. Versuche gerade überall Informationen einzuholen. Über allem ist die Frage, welche Chancen ich habe, was sicherlich nicht so mal eben im Internet geklärt werden kann. Wie kann ich eine Zweitmeinung einholen, ohne meinen gegenwärtigen Arzt zu vergrätzen, denn wir kommen gut miteinander klar?

PROF. GRIMM: Meines Erachtens werden die meisten Ärzte kein Problem damit haben, dass man bei einer so bedeutenden Therapieentscheidung wie bei einer Krebserkrankung, sich eine zweite Meinung einholt. Vielleicht wenden Sie sich am besten an eine "Instanz", die auch Ihr Arzt als kompetent akzeptieren kann, z. B. an ein onkologisches Zentrum. Solche Zentren werden von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert (www.krebsgesellschaft.de).

M_Fehr : Welchen Stellenwert in der Behandlung von Nierenkrebs hat die Immuntherapie?

PROF. GRIMM: Die Immuntherapie hat heute nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Früher wurde in Deutschland vor allem eine unspezifische Immuntherapie mit Interferon Alpha verabreicht. Diese hat sich gegenüber dem Tyrosinkinaseinhibitor Sutent in einer groß angelegten Studie als unterlegen erwiesen. Insofern wird Interferon heute nur noch in Kombination mit Avastin (siehe oben) verabreicht. Die hochdosierte Interleukin 2 Therapie wurde vorwiegend in den USA verabreicht und war bei uns, unter anderem aufgrund der erheblichen unerwünschten Wirkungen und Risiken, unüblich.

Naber : Mein Vater hat Nierenkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Momentan liegt er wieder im Krankenhaus, weil er auf Nexavar umgestellt werden soll. Das ist aber offenbar nicht so einfach. Er hat heftige Beschwerden. Wie lange halten die an? Gibt es auch eine Unverträglichkeit, die zu einem Abbruch der Behandlung mit Nexavar führen kann? Wir setzen große Hoffnung in diese Umstellung, denn uns wurde gesagt, das sei eine besonders wirksame Behandlung. Es wurde aber auch gesagt, dass die Lebensqualität gut sein würde unter der Behandlung, das ist momentan nicht gegeben.

PROF. GRIMM: Nexavar gilt als Substanz mit einem "milden" Spektrum an unerwünschten Wirkungen. Trotzdem gibt es Patienten, die diese Therapie nicht tolerieren. Je nach Art und Schwere der unerwünschten Wirkungen muss man die Dosis reduzieren oder die Therapie auch aussetzen. Es muss dann entschieden werden, ob die Therapie mit einer niedrigeren Dosis wieder eingesetzt bzw. fortgesetzt werden kann. Alternativ kann man natürlich auch auf eine andere Substanz derselben Klasse umsetzen; dies ist allerdings häufig nicht zielführend, da diese zumeist ähnliche unerwünschte Wirkungen aufweisen. Alternativ kann man auf eine andere Substanzklasse wechseln (z. B. Afinitor). Man darf natürlich auch nicht vergessen, dass das schlechte Befinden des Patienten auch durch die Grunderkrankung bestimmt sein kann (und weniger durch die unerwünschten Wirkungen des Präparates).

Lo_Pautke : Ich habe einen gutartigen Tumor in der rechten Niere. Obwohl der Tumor gutartig ist, soll meine Niere entfernt werden, weil der Tumor so groß ist, er ist 9cm. Gibt es da keine Alternative? Ist es nicht besser eine Teilniere zu behalten, als alles herauszunehmen? Für eine Antwort bedanke ich bereits jetzt.

PROF. GRIMM: Ihre Frage ist ohne Ansicht der Bilder schwer zu beantworten. Es gibt bestimmte gutartige Tumore, bei denen es gehäuft ab einer bestimmten Größe zu Einblutungen kommen kann (so genannte Angiomyolipome). Grundsätzlich kann man aber auch einen 9 cm Tumor aus der Niere entfernen. Dies hängt allerdings von der Lage des Tumors ab. Insofern ist Ihre Frage, wie bereits gesagt, ohne die Bilder zu sehen, nicht zu beantworten. Vielleicht holen Sie noch einmal eine zweite Meinung in einer größeren operativen Abteilung ein.

GaboElmer : Ich stehe vor der Entscheidung, ob herkömmliche Operation oder verschmelzen des Tumorgewebes durch Ablation. Bisher sind keine Metastasen entdeckt worden, so dass man davon ausgehen kann, dass ich geheilt werden könnte. Was wäre die sicherste Behandlung?

PROF. GRIMM: Es gibt verschiedene "Ablationsverfahren" mit denen heute kleinere Nierentumore behandelt werden. Aus meiner Sicht sind diese Verfahren bisher alle experimentell, da keine ausreichenden Langzeitdaten zur Verfügung stehen. Von daher empfehle ich Ihnen eine operative Entfernung des Tumors. Dies kann durch offene Operation oder minimalinvasiv laparoskopisch erfolgen. Es gibt aber nur wenige Zentren, die diese Operation laparoskopisch (also als Schlüssellochchirurgie) anbieten. Neuerdings bieten einige größere Kliniken die roboterassistierte laparoskopische Entfernung kleinerer Nierentumore an. Dies ist aus meiner Sicht bei geeigneter Tumorlage für den Patienten am wenigsten belastend.

Karim : Wir sind eine Familie mit einer seltenen Erbkrankheit. Die heißt Hippel-Lindau-Syndrom. Dadurch entsteht Krebs an unterschiedlichen Organen, besonders in der Niere. Mein Onkel (45J.) hat bereits Nierenkrebs. Ich bin 32 und habe auch die Anlage für diese merkwürdige Krankheit bin aber ganz gesund. Das soll am besten auch so bleiben. Wie geht das, was muss ich machen über gesunden Lifestyle und regelmäßige Kontrollen hinaus. Gibt es etwas ganz konkretes, das ich tun kann? In welchen Abständen soll ich mich untersuchen lassen?

PROF. GRIMM: Das Hippel-Lindau-Syndrom ist mit dem Auftreten von Nierenkrebs bereits in sehr jungen Jahren vergesellschaftet. Es handelt sich um eine Erbkrankheit, die also genetisch bestimmt ist. Von daher gibt es meines Erachtens nichts, was Sie über einen gesunden "Lifestyle" und regelmäßige Kontrolluntersuchungen hinaus tun können. In der Regel wachsen die Tumoren aber relativ langsam, so dass man meist eine bestimmte Tumorgröße abwartet, bevor man die Tumoren dann operiert. Dies geschieht unter dem Aspekt, dass zumeist mehrfache Eingriffe aufgrund wiederholt auftretender Nierentumoren erforderlich sind. Es sollte aus meiner Sicht sicherlich eine Ausgangsbildgebung mittels einer Computertomographie der Nieren durchgeführt werden. Sofern dieser Befund unauffällig ist, können dann zunächst sonographische Kontrolluntersuchungen erfolgen.

PROF. GRIMM: Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Teilnahme an dieser Experten-Sprechstunde. Das große Interesse zeigt, dass Nierenkrebs eine relativ häufige Erkrankung darstellt. Um so erfreulicher ist es, dass sich die medikamentöse Therapie seit 2006 durchgreifend geändert hat und wir zahlreiche medikamentöse Therapieoptionen im metastasierten Stadium heute anbieten können. Dennoch bleibt die einzige heilende Therapie die chirurgische Entfernung des Nierentumors und eventueller Metastasen. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend und verabschiede mich hiermit von Ihnen.



Ende der Sprechstunde.


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