Prostatakrebs – Chancen der antihormonellen Behandlung

Dr. med. Ekkehard Reichenbach-Klinke
Ärztlicher Leiter

MVZ Immenstadt
Facharzt für Urologie, medikamentöse Tumortherapie
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87437 Immenstadt
 
Tel.: 08323 910 8920
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Praxis für Urologie


Schwerpunkte

• Urologische Onkologie
• Andrologie

PROTOKOLL

Prostatakrebs – Chancen der antihormonellen Behandlung

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Wir beginnen um 19 Uhr.

Schwiering: Hatte Prostatakrebs, wurde bestrahlt, PSA jetzt bei 0,3 relativ stabil. Muss noch was unternommen werden?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Die Frage kann ich Ihnen nicht generell klar beantworten, da mir Ihr initiales Tumorstadium nicht exakt bekannt ist und da es auch darauf ankommt, ob Sie derzeit noch eine Hormonentzugstherapie bekommen. Prinzipiell ist ein PSA, das stabil in einem solch niedrigen Bereich liegt, als eine gute Tumorkontrolle zu werten, so dass sie momentan keine Sorge haben müssen. Wichtig sind jedoch regelmäßige Verlaufskontrollen bei Ihrem Urologen.

Tamariner: Meine Frau und ich passen auf unsere beiden kleinen Enkel auf. Die sind tagsüber bei uns, weil beide Eltern berufstätig sind. Mir steht eine Untersuchung mit Kontrastmittel bevor. Bin ich unmittelbar nach der Untersuchung eine Gefahr für die Kleinen? Normalerweise würde ich sie an diesem Tag nachmittags zum Kinderturnen fahren.

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Kontrastmittel, das für übliche CT- oder MRT-Untersuchungen verwendet wird, macht Sie auf gar keinen Fall zur Gefahr für die Kleinen, so dass sie völlig unbesorgt die Kinder zum Turnen fahren können. Die Kontrastmittel, die für CT- und MRT-Untersuchungen verwendet werden, enthalten keine radioaktivstrahlenden Partikel. Es kann also keine Strahlung nach außen dringen, weil durch das Kontrastmittel keine Strahlung eingeführt wird.

ClausP1: Was ist ein Mikrotubuli-Inhibitor? Damit soll es noch die Chance geben, die Krankheit längerfristig zu behandeln. OP und Chemo habe ich bereits hinter mir.

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Die Hemmung von Mikrotubuli ist ein Wirkprinzip von taxanbasierten Chemotherapien. Auch nach einer vorangegangenen Chemotherapie kann eine weitere evtl. andersgeartete Chemotherapie durchaus noch eine gute Wirksamkeit erbringen.

Allrein: Gelten Metastasen als Rezidiv, oder spricht man davon nur, wenn der eigentliche Tumor in der Prostata erneut gewachsen ist?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Wenn der eigentliche Tumor in der Prostata oder da, wo z.B. nach einer Operation die Prostata eigentlich gewesen ist, wieder wächst, spricht man von einem Lokalrezidiv. Metastasen hingegen sind Absiedelungen des Tumors an anderen Stellen des Körpers, z.B. in Knochen, Lymphknoten oder anderen Organen. Wenn nach der Behandlung eines Prostatakrebses  - beispielsweise Operation- oder Strahlentherapie - der PSA-Wert wieder nachweisbar ist oder ansteigt, kann die Ursache entweder in einem Lokalrezidiv oder in Metastasen liegen. Dies kann mittels weiterführender Untersuchungen unterschieden werden.

Jon: Wie zuverlässig sind Studien, wenn Behandlungen verglichen werden und die Nebenwirkungen mit einbezogen werden. Nebenwirkungen sind doch sehr individuell. Meinem Onkel ging es lange schlecht. Er kommt aber gut mit der neu gestarteten antihormonellen Therapie klar. Das hat uns sehr überrascht, denn letztlich ist die Krankheit ja bei ihm weit fortgeschritten. Aber ihm geht es subjektiv jetzt viel besser, als vorher. Ist das öfter so?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: In Studien zusammengefasst werden stets Auswirkungen von Therapien im statistischen Mittel über viele Patienten. Wir haben es in der Praxis jedoch immer mit Individuen zu tun. Jeder Mensch kann auf die eine oder andere Therapie unterschiedlich reagieren. Ihr Onkel spricht offensichtlich auf die neu gestartete antihormonelle Therapie gut an. Selbstverständlich ist es öfter so, dass eine gute Tumorkontrolle mit einem besseren Allgemeinempfinden einhergeht.

Sadeghi: Ich nehme 2 x 50g Casodex und konnte den PSA-Wert auf 0,07 senken. Wie lange kann ich diese Therapie machen? Können während der Behandlung Metastasen entstehen? Kann man die durch zusätzliche Maßnahmen verhindern?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Prinzipiell können Sie diese Therapie so lange machen, wie sie Ihren PSA-Wert effektiv senkt und kontrolliert. Auch kann im Therapieverlauf die Dosis verändert werden. Sollten Sie noch keine Hormonentzugstherapie z.B. mit einem LHRH-Analogon haben, so sollte diese im Verlauf begonnen werden. Ich entnehme Ihrer Frage, dass bislang bei Ihnen keine Metastasen bekannt sind. Sollte bei Ihnen im Vorfeld die Prostata operativ entfernt worden sein, kann mit einer Strahlentherapie als zusätzliche Maßnahme ein Voranschreiten des Tumors verhindert werden. Allgemein lässt sich sagen, dass Casodex oder LHRH-Analoga auf einen Prostatakrebs nur eine zeitlich begrenzte Wirksamkeit besitzen. Wie lange diese Therapieansätze wirken, lässt sich nicht vorhersagen.

Blix: Wie kommt die Entwicklung von Biomarkern für die Definierung tumorbiologischer Charakteristika voran? Gibt es so was auch schon für Knochenmetastasen (Prostatakrebs)?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: An der Definierung tumorbiologischer Charakteristika wird derzeit sehr viel geforscht. Es gibt viele grundlagenwissenschaftliche Forschungsarbeiten, die sich mit der Mutation von bestimmten Genabschnitten im Tumorgewebe beschäftigen und versuchen, hieraus etwas mehr über den Charakter des Tumor aussagen zu können. Auch Knochenmetastasen könnten so biopsiert und näher analysiert werden. Wobei, um auf Ihre Frage zurückzukommen, einen Biomarker im Blut, der uns sagt, ob Knochenmetastasen da sind oder nicht, gibt es nicht. Knochenmetastasen stellt man durch bildgebende Verfahren fest.

Mads: Prostatakrebs mit Kapselüberschreitung, aber Metastasen wurden keine gefunden. Mir wurde gesagt, - trotzdem ist Ihr ganzer Körper betroffen. Was für einen Unterschied macht das? Die Behandlung betrifft doch immer den ganzen Körper. Erst soll bestrahlt werden, dann operiert und dann Chemo. Bei den vielen Chemos, die es gibt, wovon hängt ab, welche ich bekomme?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Zunächst möchte ich anmerken, dass eine Chemotherapie beim Prostatacarcinom nur dann angebracht ist, wenn auch Metastasen nachgewiesen worden sind. Sinnvollerweise würde man Ihnen dann eine Chemotherapie mit Docetaxel empfehlen, da nur diese in Kombination mit einer Hormonentzugstherapie eine nachgewiesene Wirkung besitzt. Eine Operation beim kapselüberschreitenden Prostatakrebs würde man empfehlen, wenn keine Metastasen nachgewiesen sind. Unter Umständen würde man Ihnen in Abhängigkeit vom Befund nach der Operation noch eine Hormonentzugstherapie und/oder eine nachfolgende Strahlentherapie empfehlen. Ihr Urologe sollte das Tumorstadium möglichst genau einschätzen.

Greifswald: Woher kommt das Geld für Forschung, um vorhandene Medikamente zu optimieren, und obendrein die Ursache der Krebsentstehung präziser zu verstehen? Wie unabhängig ist die Forschung?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Forschung kann über Gelder staatlicher Forschungsinstitutionen finanziert werden. Staatliche Forschungsförderung findet auch in allen großen Industrienationen statt. Auch Stiftungen können an der Forschungsfinanzierung beteiligt sein. Natürlich betreibt auch die Pharmaindustrie umfangreiche Forschungen, um neue Medikamente zu entwickeln, die sie dann vermarkten kann. Natürlich ist das Interesse der Pharmaindustrie, mit einem neu entwickelten Medikament auch Geld zu verdienen. Dennoch muss auch die Forschung der Pharmaindustrie überprüfbare und nachvollziehbare Ergebnisse im Vergleich mit anderen Medikamenten liefern. Anzumerken ist auch, dass nur wenige Wirkstoffe, die entwickelt werden, auch zur Marktreife gelangen und die Qualitätsansprüche an klinische Studien - egal ob staatlich oder von der Industrie initiiert - sehr hoch sind. Was diese Studien auch sehr teuer macht.

Kompass: Wie verbinden sich Therapiestoffe, die zum Teil aus pflanzlicher Herkunft sind und z.T. synthetisch? Ich fange kommende Woche mit einer Jevtana-Behandlung an und habe recherchiert, dass es sich um eine solche Mischung handeln soll. Wie vermischt sich das und entfaltet dann auch noch Wirkung?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Cabazitaxel (Jevtana) wird tatsächlich aus dem Rohstoff der pazifischen Eibe gewonnen. Deswegen ist es aber kein pflanzenheilkundlicher Ansatz, da der Grundstoff doch sehr stark weiterverarbeitet wurde und es sich keinesfalls um eine Mischung handelt. Sehr viele Therapieansätze synthetischer Präparate entwickeln sich aus solchen Ansätzen. die Natur stellt den Grundstoff in der Pflanze bereit, der synthetisch verfeinert und weiterentwickelt wird.

Niklas: Ein CTP-Wert war mir bisher nicht geläufig. Der Urologe hat gesagt, dass die regelmäßige Kontrolle dieses Wertes Aufschluss gibt über die Tumor-Aktivität und den zu erwartenden Verlauf? Bedeutet das gleichzeitig, dass man die Medikamente besser abstimmen und den Wirkungsgrad einer Chemo verbessern kann?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Vielleicht haben Sie sich vertippt und Sie meinen den CRP-Wert. Ein CTP-Wert ist mir nicht geläufig. Hieraus jedoch abzuleiten, dass ein Tumor gerade mehr oder weniger aktiv ist, oder sogar Medikamentenabfolgen hierauf abzustimmen, halte ich nicht für angebracht. Ein CRP-Wert kann lediglich eine interessante Begleitinformation sein und genauso hat es Ihr Urologe sicherlich auch gemeint.

Ernst: Ich verfolge neue Entwicklungen im Bereich Prostatakrebs seit mein Bruder davon betroffen ist. Aber ich spreche nicht über alles mit ihm, was ich im Netz finde. Bereits 2013 wurde der therapeutische Impfstoff Provenge in den USA zugelassen, aber man hört nichts mehr darüber. Die Wirksamkeit muss nachgewiesen worden sein, sonst hätte es ja keine Zulassung gegeben. Ist der Ansatz nicht richtig, oder noch nicht ausgereift genug?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Tatsächlich ist für Sipuleucel-T (Provenge) in einer Studie eine Wirksamkeit nachgewiesen worden. Diese 100.000-Dollar teure Therapie ist in den USA zugelassen, in Europa aber schlicht und ergreifend nicht verfügbar. Das hängt damit zusammen, dass die Herstellung des Wirkstoffes sehr aufwändig ist und aus Patientenplasma gewonnen wird. Die Firma, die diesen Wirkstoff vertrieb, ist konkurs und daher nicht mehr verfügbar.

Fred: Bei meiner Freundin war Komplementärmedizin bei Brustkrebs ein wichtiger Punkt. Geht das auch bei Prostatakrebs G3, Gleason über 9 zur Unterstützung der Schulmedizin, ich meine NICHT ANSTATT!

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Komplementärmedizinische Ansätze werden bei allen Krebsarten von Patienten gern angenommen und können auch sinnvoll ergänzend wirken. Entscheidend wichtig ist jedoch eine stetige Abstimmung und Kommunikation zwischen dem schulmedizinisch und komplementärmedizinisch behandelnden Arzt, um für den Patienten ein optimales Ergebnis zu erzielen. Wichtig ist, dass die Therapien nicht gegeneinander arbeiten. Grundsätzlich besteht der Mensch und eine Erkrankung nur aus einer Natur und nicht aus verschiedenen.

Igor_Straub: RPE, Bestrahlung, jetzt Rückfall. Bin 59. Empfohlene Therapie ist ein Hormonblocker. Bin zu allem bereit. Aber ist das jetzt der richtige Zeitpunkt? Was kommt danach? Gibt es überhaupt was danach?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Mit einem Rückfall meinen Sie wahrscheinlich einen erneut ansteigenden PSA-Wert. Nachdem Sie mit 59 kein "alter Mann" sind, halte ich es durchaus für richtig, eine Hormonentzugstherapie möglichst früh zu beginnen. Um auf Ihre zweite Frage zurückzukommen, selbstverständlich gibt es etwas "danach". Wenn eine alleinige Hormonentzugstherapie nicht mehr wirkt und sich irgendwann später Metastasen bilden sollten (wobei es nicht sicher ist, dass sie das auch tun werden), gibt es eine ganze Bandbreite darüberhinausgehender Therapiemöglichkeiten. Diese reichen von Ansätzen modernerer Hormontherapie bis zur Chemotherapie. Ihr Urologe wird dann zum richtigen Zeitpunkt das richtige, weitere Medikament mit Ihnen auswählen. wichtig ist nur, dass die jetzt zu beginnende Hormonentzugstherapie fortgeführt wird.

Tokhi: Gibt es auch eine Leitlinie, wie Prostatakrebs in einem ganz frühen Stadium behandelt werden soll? Wie groß ist der Entscheidungsspielraum? Ist die Wahl der Therapie zufällig, oder beruht das auf den persönlichen Erfahrungen des behandelnden Arztes?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Es gibt für die Behandlung von Prostatakrebs sowohl nationale, als auch internationale Leitlinien. Natürlich zeigt die Deutsche S3-Leitlinie auch für das frühe Tumorstadium (den lokal begrenzten Prostatakrebs) mehrere Behandlungsstrategien auf. Die Wahl der Therapie ist nicht zufällig, sondern beruht auf einer möglichst exakten Charakterisierung des Tumors bei Diagnosestellung. Für verschiedene Tumorcharakteristika ist die Auswahl zwischen verschiedenen Vorgehensweisen mehr oder weniger groß. Die letztendlich getroffene Entscheidung richtet sich auch nach der Präferenz des vom Urologen umfänglich informierten Patienten. Grundsätzlich sollten alle Therapiemöglichkeiten, die in einem bestimmten Tumorstadium in Betracht kommen, dem Patienten erklärt werden, damit dieser eine Therapieentscheidung treffen und tragen kann.

Schwerdtfeger: Was ist mit der Bioverfügbarkeit bei der Gewinnung von Taxanen. Ist da ein Unterschied, ob die Eibe in Südeuropa, Nordeuropa oder in Australien stand?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Entscheidend ist weniger der tatsächliche Standort der Eibe, als die Eibenart. Nur die pazifische Eibe (eine eigene Eibenart) ist für die Gewinnung von Taxanen geeignet.

Gladbach: Ich bin operiert, Chemo und Bestrahlung. Die Ruhe ist vorbei, denn jetzt habe ich Metastasen. Behandlung: Taxotere . Ich bin zuversichtlich, aber wie lange kann mir das helfen? Aus irgendeinem Grund habe ich verfärbte Nägel, und hatte auch im Sommer immer wieder Erkältungen. Kann da ein Zusammenhang bestehen?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Verfärbte Nägel und auch eine höhere Anfälligkeit für Infekte sind ganz typische Nebenwirkungen der Chemotherapie mit Taxotere. Wie lang Ihnen die Chemotherapie hilft, ist schwer vorherzusehen. Das hängt auch davon ab, wie gut Sie auf die erste Chemotherapie angesprochen haben. Letztlich kann im Rahmen der Abfolge von Medikamenten, Taxotere später auch noch einmal verwendet werden.

Smoker: Der Urologe meines Vaters hat uns den Vorteil eines Organkrebszentrums erklärt, wo Patienten ganzheitlich durch ein Netzwerk von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen betreut werden. Überzeugt hat mich, dass für jeden einzelnen Patienten die optimale Behandlungsstrategie festgelegt wird. So weit so gut, aber mein Vater lebt 35km entfernt von einer größeren Stadt (Schwerin). Ich lebe mit meiner Familie im Rheinland. Wir haben keine Lösung, wie er dort hinkommen könnte. Hat Dr. Reichenbach-Klinke eine Idee, denn wir sind sicherlich kein Einzelfall.

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Netzwerke von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen sind in allen Regionen Deutschlands an der Tagesordnung. Jeder Urologe aus einer Praxis kann Patienten in Tumorkonferenzen von Organkrebszentren vorstellen und dort entweder einen eigenen Therapievorschlag bestätigen lassen, oder sich von Kollegen anderer Fachrichtungen noch weitere Anregungen holen. Um in einer Tumorkonferenz besprochen zu werden, muss Ihr Vater nicht unbedingt in die größere Stadt. Der Urologe kann das dann "im Hintergrund" organisieren und ihm dann das Ergebnis der Tumorkonferenz erläutern. Ich empfehle Ihnen als Angehörigen auch einmal mit dem Urologen Ihres Vaters telefonisch Kontakt aufzunehmen und mit ihm zu sprechen. Ihr Vater muss dazu allerdings sein Einverständnis erklären.

Verges: Schon gleich nach der Diagnose wurde mir der Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe empfohlen. Ich will mir aber nicht die Stories anhören. Es nützt mir auch nichts zu hören, ob der eine zuerst bestrahlt und danach operiert wurde, ob OP mit oder ohne Roboter. Als Laie kann ich doch daraus keine Schlüsse ziehen und würde mich deshalb über eine Antwort von Dr. Reichenbach-Klinke sehr freuen. Bei mir geht es um eine fortgeschrittene Prostatakrebserkrankung, die jetzt mit einem Substanzenmix per Infusion behandelt werden soll. Hauptsubstanz ist glaube ich Cabazetaxel o.ä. Wie sieht das Dr. Reichenbach-Klinke?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Selbsthilfegruppen können für viele betroffene Männer sehr hilfreich sein. Natürlich aber nicht für jeden. Das hängt sehr vom Naturell des Betroffenen ab. Wenn Sie das Gefühl haben, eine Selbsthilfegruppe belastet Sie mehr, als dass es Ihnen nützt, dann haben Sie hiervon auch keinen Profit. Anscheinend lagen bei Ihnen bereits bei Diagnosestellung Metastasen vor. Hier hat eine Hormonentzugstherapie in Kombination mit einer Chemotherapie mit Docetaxel (nicht Cabazitaxel) einen deutlichen Überlebensvorteil gezeigt, so dass hier sicherlich mit Ihnen die richtige Therapie ausgewählt wurde.

Realo: Nach einer überstandenen Prostatakrebs-Erkrankung liege ich nachts wach und in meinem Kopf kreist die Vorstellung einer kompletten Verseuchung mit Krebszellen in meinem Körper. Ist diese Sicht bekannt, könnte mir ein Psychologe helfen, diese Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Lieber Realo, diese Sicht ist bekannt. Sie sind hier leider kein Einzelfall. Eine echte Tumorangst kann auch nach überstandener Erkrankung auftreten. Ein Psychologe (es gibt auch Psychoonkologen, d.h. speziell auf Krebserkrankungen geschulte Psychiater oder Psychologen) kann Ihnen hier helfen und ich würde Ihnen auch empfehlen, den Kontakt zu einem solchen zu suchen. Ein schneller Zugang ist z.B. über eine psychiatrische Ambulanz eines Bezirkskrankenhauses möglich. Auch kann Sie hier das Zentrum, das Sie operiert hat, unterstützen.

Schlosser: Welche Schlüsse ziehen Forscher aus dem Wissen um Mutationsanalysen und abhängige Signalwege? Wie fließt dieses wohl noch recht neue Wissen in eine Therapie ein und wie lange dauert das?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Forschungen an Zellen, Zellkulturen, Mutationen und Signalwegen sind die Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien. Die Entwicklung eines Medikamentes von der ersten Idee und Beobachtung bis zur Anwendung am Patienten, ist ein langer, jahreandauernder Prozess. Selbst wenn das Medikament dann entwickelt worden ist, nehmen die Studien, die die Wirksamkeit am Patienten nachweisen sollen, auch wiederum viel Zeit in Anspruch.

Lehrmeister: Mein Vater (Stadium III) ist in einem sehr guten Zentrum in Mainz. Dort wird die Prostata-Krebsbehandlung fachübergreifend in einer großen Gruppe besprochen. Über Abstimmung kann das nicht gehen. In einer solchen Gruppe muss auch einer die Führung haben. Welchen Einfluss hat derjenige und wie groß ist der Einfluss der anderen Disziplinen. Geht um gegenwärtig diskutierte Zweitlinien-Therapie. Ich glaube, es ist eine Infusion aus zwei Substanzen mit mehrwöchigem Abstand. Wer entscheidet am Ende?

Dr. Ekkehard Reichenbach-Klinke: Vor allem werden in einer solchen Gruppe alle für den Patienten infragekommenden Möglichkeiten diskutiert. Hier fließen die Kenntnis von Studien und Leitlinien ein. Es wird in der Regel darauf geachtet, dass es in der Gruppe zu einem Konsens kommt und die letztendliche Entscheidung trifft der Patient mit. Es soll nicht nur über ihn, sondern auch mit ihm geredet werden. Es gibt aber auch Patienten, die fühlen sich durch eine zu große Teilhabe am Entscheidungsprozess überfordert und sind froh, wenn ein Gremium nach Besprechung der Möglichkeiten eine klare Empfehlung gibt.



Ende der Sprechstunde.