Prostatakrebs – Was kommt nach der Hormon-Therapie?

Dr. med. Christian W. Kluike
Leitung MVZ
FA für Uologie   Med. Tumortherapie  Palliativmedizin
fachgeb. humangen. Beratung
Am Wasserturm 3
21335 Lüneburg
 
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F: 04131 799633
 
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www.urologie-praxis-lueneburg.de
 
 
Schwerpunkte
 
• Medikamentöse Tumortherapie
• Uroonkologie mit intravasaler und intrakavitärer Chemotherapie u. Immuntherapie
• Onkologische Diagnostik mittels Prostatastanzbiopsie
• Arzt für Palliativmedizin
• Fachgebundene humangen. Beratung 
• Mikrobiologische Diagnostik
• Diagnostische urologische Endoskopie
• Ambulante Operationen
• Stoßwellenzertrümmerung von Harnsteinen

 

PROTOKOLL

Prostatakrebs – Was kommt nach der Hormon-Therapie?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Wir beginnen um 19 Uhr.

Nebi_Altun: Wie lange ist watchfull waiting richtig? Wo ist die Grenze?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Zuerst muss Watchful Waiting und kontrolliertes Zuwarten (active surveillance) unterschieden werden. Active surveillance kann so lange fortgeführt werden, bis entweder biochemisch, PSA, oder radiologisch ein Fortschreiten der Tumorerkrankung festgestellt werden kann.

AhrensST: Bin bei der antihormonellen Therapie angekommen. Mein Onkologe sprach von Zweit-Therapie, die jetzt starten soll. Wie vergleichen sich Docetaxel und Cabazitaxel? Von welcher Substanz gehen weniger Nebenwirkungen aus?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Wenn die antihormonelle Therapie nicht mehr ausreicht, um Ihren Krebs zu behandeln, ist eine Zweitlinientherapie erforderlich. Dies kann sowohl eine Chemotherapie, wie Docetaxel, oder ein Hormontherapeutikum der zweiten Generation sein. Cabazitaxel spielt in diesem Stadium der Erkrankung keine Rolle, es wird vielmehr verwendet nach erfolgter Docetaxel-Therapie und einem erneuten Fortschreiten der Erkrankung.

Claus_Leo: Was bedeuten ossäre Läsionen rund um die Prostata?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Knochenmetastasen und Prostatakrebs treten ab einem gewissen Stadium der Erkrankung auf. Der Knochen ist der primäre Manifestationsort von Fernmetastasen. Je nach Häufigkeit der Metastasen und Manifestationsort können entsprechende Frakturen in sensiblen Bereichen, wie z.B. der Wirbelsäule, mit dem Risiko einer Querschnittslähmung oder in früheren Stadien sonstiger neurologischer Ausfälle führen. Bis zu diesem Stadium kann eine niedriger dosierte Knochenschutztherapie zur Osteoporoseprophylaxe in Erwägung gezogen werden.

Ludwig_ST: Mir wurde vor 5 Jahren die Prostata entfernt, aber die Kapsel (was immer das heißt) war noch in Ordnung. Ich bin 72 und hatte bei der letzten Routineuntersuchung einen PSA-Wert von 0,04, 3 Monate später schon 0,06. Mein Urologe empfiehlt eine Bestrahlung. Ist das wirklich schon der Zeitpunkt, um wieder eine Therapie zu beginnen?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Die Kapsel war in Ordnung bedeutet lediglich, dass die Absetzungsränder tumorfrei waren. Allein aufgrund von 2 PSA-Werten, die sicherlich noch ausreichend tief sind, ist ein Zuwarten zu rechtfertigen. Es wäre jedoch hilfreich, PSA-Werte vor diesen zwei Werten zu kennen. Für eine Bestrahlung sehe ich aufgrund dieser beiden Werte zum jetzigen Zeitpunkt keine Indikation. Es handelt sich ja lediglich um eine Abweichung auf der hundertstel Kommastelle, die im Bereich der statistischen Abweichung der Messgenauigkeit des Laborgerätes liegt.

Ulf-1964: Bei Diagnose eindeutiges MRT, aber leider schon über Kapsel hinaus und 2 befallene Lymphknoten. Bestrahlung und Chemo. Das ist 26 Monate her. Der Tumor ist noch hormonsensitiv. Aber wie lange noch und was kommt dann?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Sicherlich handelt es sich bei diesem Prostatakrebs um ein lokal fortgeschrittenes Tumorstadium. Die erhaltene Therapie und die Tatsache, dass 26 Monate vergangen sind und Ihr Tumor noch hormonsensitiv ist, deutet darauf hin, dass der PSA-Wert weiterhin in seinem Nadirbereich ist, der nach den Therapien erreicht wurde. Wie lange dieser Tumor noch hormonsensitiv bleiben wird, lässt sich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Es stehen Ihnen für die weitere Therapie noch mehrere Optionen zur Verfügung. Zum Einen existieren weitere Chemotherapeutika, aber auch das bereits erhaltene Chemotherapeutikum kann Ihnen mit Erfolg zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gegeben werden.

Boedecker: Ich nutze diese Sprechstunde für eine Frage, die mich umtreibt, seit ich von der Erkrankung meines Skatfreundes erfahren habe. Ist ein intermittierender Androgenentzug noch zeitgemäß? Ich war schockiert, dachte, da gibt es inzwischen sehr viel gezieltere Maßnahmen.

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Ihre Einschätzung ist richtig, dass ein intermittierender Androgenentzug in der Regel obsolet ist. Selbstverständlich gibt einem der Erfolg Recht. Es ist denkbar, den intermittierenden Androgenentzug bei einem individualisierten Therapieansatz weiterhin zu nutzen. Hier können z.B. Alter des Patienten, schwere Begleiterkrankungen die Verabreichung der aktuell in den Leitlinien aufgeführten Substanzen nicht möglich machen. Lebensqualität ist bei dieser und in diesem Stadium unheilbaren Erkrankung wichtig. Eine intermittierende Androgenblockade kann hier für den Patienten und seine Psyche positiv sein, auch wenn er nur eine positive Entwicklung seines PSA-Wertes beobachten kann. Festzuhalten bleibt, dass dieses Therapiekonzept keine Verlängerung des Gesamtüberlebens mit sich bringt.

Scharnberg: Mein Bruder hat erst Docetaxel erhalten und jetzt steht ein erneuter Therapiewechsel zu Cabazitaxel an. Wo liegt der Unterschied, ist Cabazitaxel ein stärkeres Medikament?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Der Unterschied liegt in dem Folgenden: Cabazitaxel ist das empfohlene Zweitlinien-Chemotherapeutikum, das damals für die Prostatakrebse auf den Markt gebracht wurde, die gegen Docetaxel resistent waren. Beide Chemotherapeutika kommenaus der gleichen Gruppe, Taxane, und haben deshalb ein ähnliches Nebenwirkungsprofil. Die Ausprägung dieser Nebenwirkungen ist bei Cabazitaxel jedoch ausgeprägter. Im klinischen Alltag sehen wir jedoch immer wieder, dass Patienten, die eine Docetaxel-Therapie nur schlecht vertragen haben, die Cabazitaxel-Therapie jedoch ohne nennenswerte Nebenwirkungen durchlaufen konnten. Es ist jedoch nicht zwingend erforderlich, Cabazitaxel direkt nach Docetaxel zu verabreichen. Es gibt weitere sekundäre Hormonlinien, die zwischen diesen beiden Chemotherapeutika verabreicht werden können. Eine Leitlinienbasierte Empfehlung für die richtige Sequenz existiert nicht. Es ist vielmehr wichtig, den Allgemeinzustand des Patienten bei der Auswahl mit zu berücksichtigen, und zwar so, dass dem Patienten nach Möglichkeit alle zur Verfügung stehenden Therapielinien gegeben werden können. Hier sollte darauf geachtet werden, dass die Chemotherapeutika nicht zu spät in diese Sequenz eingebaut werden.

Xylander: Welchen Wert hat ein Durchflusszytometer zum Nachweis zirkulierender Tumorzellen im Blut? Findet der wirklich alle Zellen? Auch, wenn nur ganz wenige nach einer Operation übrig sind?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Zur Zeit ist der Wert der Durchlusszytometrie begrenzt. Ihr Einwand ist berechtigt. Da wir ja nur eine Momentaufnahme vom Blut haben und nicht wissen, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunt die Dichte an zirkulierenden Tumorzellen am höchsten ist, fällt es schwer, eine konklusive Antwort im Bezug auf den Tumor zu machen. Die Möglichkeiten der zirkulierenden Tumorzellen sind weiterhin Bestandteil der Forschung und haben bisher noch keinen Einzug in die klinische Routine gefunden. Man findet sicherlich nicht alle Zellen, und auch wenige nach einer Operation nachzuweisen, ist sehr schwierig bis zu unmöglich.

Claude_LL: Antihormonelle Therapie: Weniger Nebenwirkungen = weniger Wirkung? Oder ist das zu einfach? Ich möchte mir nicht wegen „einer angenehmeren Zeit“ während der Behandlung eine schlechtere Perspektive einhandeln.

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Die erste Linie der Behandlung eines lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms ist u.U. die Hormontherapie. Die mit der Hormontherapie verbundenen Nebenwirkungen werden individuell unterschiedlich wahrgenommen und lassen sich nicht mit ihrer Wirkung auf den Tumor korrelieren. Bei der antihormonellen Therapie müssen wir unterscheiden, ob es sich um eine wirkliche Hormonentzugstherapie handelt, d.h. Testosteron wird dem Körper entzogen, oder handelt es sich lediglich um eine Rezeptorblockade, so dass Testosteron noch da ist, aber nicht am Zielorgan wirken kann. Letztere Therapie ist sicherlich viel nebenwirkungsärmer, als die zuerst genannte Testosteronentzugstherapie. Beide Therapien sind sicherlich nicht gleichzusetzen und kommen individuell je nach Therapieansatz unterschiedlich zum Einsatz. Der Einsatz der Rezeptorblockade als Monotherapie findet nur in wenigen Fällen statt.

Potas: Hat man noch eine Chance auf Heilung, wenn schon Metastasen gefunden wurden, oder geht es dann nur noch um Verlängerung des Lebens? Ich glaube mein Onkel weiß mehr darüber, sagt es aber nicht, um meine Tante nicht zu beunruhigen. Aber ich muss das wissen. Wir stehen uns sehr nahe.

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Eine Heilung des Prostatakrebses ist sicherlich nur bei einer lokalen Begrenzung möglich.Sowie die Erkrankung die Grenzen der Prostata überschritten hat und Ihrem Fall sogar bereits Fernmetastasen im Knochen vorliegen, ist eine Heilung perse nicht denkbar. Selbstverständlich existieren Einzelfallberichte, dass auch Patienten in diesem Krankheitsstadium ein langes Leben geführt haben. Es ist immer davon abhängig, wie aggressiv der Krebs ist und mit welcher Kinetik er sich von seinem Entstehungsdatum bis jetzt entwickelt hat. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass es für die Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakrebses mittlerweile viele Therapiemöglichkeiten mit zumutbaren Nebenwirkungen gibt, und dies auch bei guter Lebensqualität.

Peter_1961: Können Gefühlsstörungen in der Leiste ein Hinweis auf Metastasen sein. Ich hatte vor knapp 2 Jahren eine totale Prostataentfernung.

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Gefühlsstörungen sind nicht grundsätzlich ein Zeichen für Metastasen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die vor knapp zwei Jahren durchgeführte Prostataoperation zu Veränderungen der Nervenversorgung der Haut im tiefen Beckenbereich geführt hat. 

Osterkirche: Meine RPE/Chemo ist schon 10 Jahre her. Plötzlich steigt mein PSA-Wert wieder an. Diagnose: Rezidiv, aber dieses Mal hormonresistent. Vor 10 Jahren war das genau anders. Kann das sein? Ist das dann ein ganz neuer Tumor?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Nach durchgeführter radikaler Prostatatektomie und anschließender Chemotherapie ist auch bei guter Kontrolle über 10 Jahre ein sogen. Spätrezidiv möglich. Es ist vollkommen normal, dass vor 10 Jahren der Tumor hormonempfindlich war. Durch Veränderungen am Androgenrezeptor entsteht die Hormonunempfindlichkeit. Es handelt sich also nicht um einen anderen Tumor, sondern vielmehr um den Gleichen, der sich aber jetzt hormonunempfindlich weiter entwickelt.

I-Spock: Welchen Wert haben immer neue Studien für Patienten? Wie schnell kommt das in den Praxen an, so dass ich als Patient etwas davon habe?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Es ist sicherlich wichtig, immer neue Studien mit speziellen Fragestellungen zu beginnen. Aufgrund der mittlerweile vielen Therapielinien für das fortgeschrittene Prostatakarzinom, bei denen wir nicht wissen, welche Therapielinie welcher folgen sollte und wir auch nicht wissen, ob wir den Nutzen für den Patienten durch eine Kombination dieser Linien miteinander steigern können, ist es notwendig, dies in Studien festzustellen. Selbstverständlich dauert es einen Moment bis die Erkenntnis dieser Studien beim Patienten in der täglichen Praxis ankommt. Dennoch haben wir die Möglichkeit, bei extrem guten Studienergebnissen, mit denen u.a. nicht gerechnet wurde, dem Patienten auch schon vor der offiziellen Zulassung durch individuelle Anfragen bei den Kostenträgern, eine Therapie anbieten zu können.

Elan: Nach meiner Kenntnis ist der Körper überall mit Schutzmechanismen ausgerüstet. Warum kann er sich so schlecht gegen Krebs wehren?

Dr. Christian Wolfgang Kluike: Sicherlich ist der Körper mit seinem Immunsystem dafür ausgerüstet, körperfremde, oder dem Körper schadende Stoffe zu erkennen und zu beseitigen. Bei Krebs stellt sich die Sache jedoch ein wenig komplizierter dar. Unser Immunsystem kann zum Einen mit einer Antwort reagieren, um Schädlinge zu beseitigen, jedoch muss diese Antwort gut kontrolliert sein, damit es nicht zu einer Überreaktion kommt und gar gegen das eigene Gewebe gerichtet ist. Genau diese Regulationsmechanismen werden von den Krebszellen genutzt, um die gegen sie gerichtete Abwehrreaktion frühzeitig auszuschalten und problemlos sich weiter vermehren zu können und Schaden anzurichten.



Ende der Sprechstunde.