Darmkrebs – Möglichkeiten der Behandlung

Dr. med. Albrecht Kretzschmar          
Oberarzt
Klinikum St. Georg in Leipzig   
und MVZ Mitte in Leipzig
internistische Onkologie und Hämatologie im  Klinikum St. Georg    
Delitzscher Straße 141
04129 Leipzig
 
Tel.:0341  9092350 - 4934
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und
 
MVZ Mitte; Onkologie und Palliativmedizin
Johannisplatz 1 
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Schwerpunkte
 
Behandlung von soliden Tumoren
Darmkrebs andere gastrointestinale Tumoren

PROTOKOLL

Darmkrebs – Möglichkeiten der Behandlung

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Wir beginnen um 19 Uhr.

Lore_Pallenberg: Ich nehme die Möglichkeit der Vorsorge wahr, die von der Kasse bezahlt wird und finde das sehr gut. Aber der Abstand von 10 Jahren erscheint mir nach meiner Recherche zu groß, da es 7 Jahre dauern soll bis sich Darmkrebs bildet. Deshalb gehe ich nach 5 Jahren auf eigene Kosten zur Untersuchung. Gern wüsste ich, wie groß die Möglichkeit ist innerhalb von 5 Jahren an Darmkrebs zu erkranken?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Die Entscheidung der Krankenkassen, erneute Vorsorge Koloskopien erst nach 10 Jahren zu finanzieren, beruht auf unterschiedlichen Aspekten. Leider gibt es auch sich relativ schnell entwickelnde Darmtumoren, die sogar in weniger als 5 Jahren in ein weiter fortgeschrittenes Stadium gelangen können. Auf der anderen Seite wachsen die meisten Tumore sehr langsam und ein weit forgeschrittener Tumor ist nach unauffälliger Darmspiegelung innerhalb von wenigen Jahren sehr selten. Eine genaue Wahrscheinlichkeit für einen Darmkrebs nach so und so vielen Jahren anzugeben, ist extrem schwierig. Wenn Sie eine unauffällige Darmspiegelung hatten und bereits früher als nach 10 Jahren zu einer erneuten Vorsorge Koloskopie gehen möchten, so ist dies prinzipiell zu unterstützen. Unabhängig von der Finanzierung durch die Krankenkassen birgt natürlich jede Untersuchung auch gewisse Risiken und insofern muss Nutzen und Risiko im Einzelfall immer gut abgewogen werden. Sie sollten diesbezüglich mit dem Gastroentereologen, der die Untersuchung macht, ein Gespräch führen.

Petra_Hauss: Wie anfällig ist der Dünndarm für Krebs?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Grundsätzlich sind bösartige Tumoren im Dünndarm sehr viel seltener als im Dickdarm. Obwohl der Dünndarm länger ist, ist die Häufigkeit von Dünndarmkrebs nur etwa 1/100 vom Dickdarmkrebs. Während wir im Dickdarm weit über 90% sogenannte Adenokarzinome finden (also klassischer Darmkrebs), sind von den wenigen bösartigen Dünndarmtumoren wesentlich mehr andere Krebserkrankungen: Lymphome, Sarkome, Neuroendukrine Tumoren. Abgesehen von seltenen familiären Krebserkrankungen sind Dünndarmtumoren sehr selten.

Katharina: Ich höre immer vom dem Begriff Antikörper in Zusammenhang mit einer Krebsbehandlung. Was macht so ein Antikörper? Was ist der Unterschied zu einer klassischen Chemotherapie?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Antikörper sind lange Eiweißketten, die das Immunsystem bilden kann, um spezielle Ziele zu erkennen und ggf. zu vernichten. Sie spielen insbesondere in der Abwehr von Infektionen eine Rolle. Die Technologie des Antikörpers hat man sich inzwischen zu Nutze gemacht, um sehr gezielt z.B. Krebszellen, Strukturen auf den Krebszellen, oder aber auch Botenstoffe therapeutisch anzugehen. In diesem Falle sind die Antikörper nicht von unserem Körper gebildet, sondern künstlich hergestellt, und werden als Infusion gegeben. Im Gegensatz zu klassischer Chemotherapie wirken diese Antikörper sehr gezielt und haben im Durchschnitt eher weniger unerwünschte Wirkungen. Manche Antikörper wirken bei vielen verschiedenen Krebserkrankungen, andere eher speziell bei einer ganz bestimmten. Häufig werden die Antikörper auch zusammen mit Chemotherapie eingesetzt. Klinische Studien mit betroffenen Patienten müssen bewiesen haben, dass diese Antikörper einen therapeutischen Nutzen bei genau dieser Erkrankung und diesem Stadium haben.

Mia: Meine Mutter ist an Darmkrebs erkrankt und der Tumor sowie ein betroffener Lymphknoten wurden operativ entfernt. Dann erfolgte eine Chemotherapie. Nach ca. drei Jahren wurde leider bei einer Kontrolluntersuchung eine kleine Metastase in der Leber entdeckt. Behandelt wurde mit Chemo-Antikörper-Therapie. Dann sollte operiert werden. Die Metastase ist nun verschwunden und es wird nicht operiert, sondern abgewartet. Sie hatten schon einmal erläutert, dass Chemo-Antikörper-Therapie vor einer OP kein so gutes Behandlungskonzept ist und die Prognose nicht so gut ist. Wie sollen wir nun vorgehen? Abwarten, bis wieder eine Metastase auftritt? Oder kann ein erfahrener Chirurg anhand des ursprünglichen CT Ergebnisses, auf dem die Metastase sichtbar war, trotzdem operieren? Haben Sie eine Therapieempfehlung?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Tatsächlich wird häufig auch bei einer schon primär operablen Metastase zunächst eine Chemotherapie mit Antikörpern gegeben und anschließend operiert. Der Verlauf wie bei Ihrer Mutter, wo eine zunächst sichtbare Metastase dann komplett verschwindet, ist gar nicht so ungewöhnlich. Idealerweise sollte man allerdings trotzdem operieren, wie Sie das auch gefragt haben. Möglicherweise könnte ein erfahrener Chirurg mit den CT-Bildern, auf denen die Metastasen noch sichtbar waren, eine Operation planen. Ich würde diesbezüglich eine zweite Meinung in einem erfahrenen Zentrum einholen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Metastase, die unter Chemotherapie verschwunden ist, dann für immer weg bleibt, ist als klein einzustufen.

Panitumumab: Was ist Panitumumab? Ist das das gleiche Medikament wie Vectibix?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Ja, Panitumumab ist das gleich wie Vectibix. Letzteres ist der Handelsname, Es ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen bestimmte Oberflächenstrukturen der Krebszellen gerichtet ist und zusammen mit Chemotherapie gegeben wird. Das Medikament sollte nur eingesetzt werden, wenn bestimmte Bedingungen bei den Krebszellen erfüllt sind (RAS-Wildtyp). Wenn die richtigen Patienten mit dem Medikament behandelt werden, so ist die Wirksamkeit deutlich höher, als mit Chemotherapie alleine und es ist eines der Medikamente, die dazu führten, dass wir heute immer mehr Patienten mit metastasiertem Darmkrebs über viele Jahre behandeln können.

Iris: Wer legt diese Stadien bei Darmkrebs fest? Da sind ja immer wieder Veränderungen in der Medizin, weil sich Ansichten und Erkenntnisse verändern. Gibt es auch Veränderungen bie den Stadien? Das ist ganz wichtig, den daraus leitet sich ja die Perspektive ab. Meine Schwester hatte StadiumII in 2013 und jetzt ist der Krebs erneut da mit einer Lebermetastase.

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Die Stadien der Krebserkrankungen werden von großen internationalen Expertengruppen festgelegt. Bei manchen Erkrankungen gibt es alle paar Jahre meist sehr geringfügige Änderungen in der Stadienzuteilung. Stadium II bedeutet, dass am Operationspräparat ausreichend Lymphknoten untersucht wurden und alle Lymphknoten nicht vom Krebs befallen waren. Im Gegensatz zum Stadium I ist der Krebs in der Darmwand allerdings schon etwas weiter durchgewachsen. Daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert. Auch ein Patient im Stadium II oder gar Stadium I kann einen Rückfall seiner Krebserkrankung erleiden. Das Risiko, dass es zu einem Rückfall kommt, ist bei Darmkrebs im Stadium III (je nach Unterstadium) so etwa 25-60%, während es im Stadium II mit etwa 10-25% deutlich geringer ist.

Wenn die Krebserkrankung (vormals Stadium II) nach 4 Jahren in Form einer Lebermetastase zurück gekommen ist, so ist die Prognose trotz allem relativ gut und vermutlich besteht auch jetzt noch mal eine Chance auf Heilung. Es müssen die Untersuchungen komplettiert werden und dann in einem Tumorboard das Behandlungskonzept festgelegt werden. Möglicherweise ist eine Operation der Lebermetstase ohne Vorbehandlung der beste Weg, möglicherweise wird man auch eine Vorbehandlung mit Chemotherapie empfehlen. Wie in der Frage weiter oben ausgeführt, sollte im Auge behalten werden, dass eine Operation der Metastase in jedem Falle erfolgen sollte, auch wenn man sie nach Chemotherapie auf dem CT oder MRT nicht mehr sieht.

Irina S.: Ich weiß, meine Frage gehört nicht wirklich in diese Sprechstunde, aber vielleicht kann mir der Experte in diesem Ausnahmefall doch weiterhelfen, weil es die Pilze ja auch im Darm gibt. Ich habe seit ca. einen Jahr, Candida Albican/Glabrata in Mund-Bereich. Dagegen nehme ich täglich 200mg Fluconatzol. Leider hilft es nicht. An welchen Facharzt sollte ich mich wenden?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Grundsätzlich ist der Nachweis von Pilzen im Mundbereich oder auch im Stuhlgang nicht ganz ungewöhnlich. Es kommt auf die Menge der Pilze und insbesondere auf die Symptome des Patienten an. Sehr stark vereinfacht kann man sagen das Bakterien und Pilze quasi Gegner sind. Deshalb kommt es häufig nach Behandlung mit Antibiotika (gegen Bakterien gerichtet) verstärkt zum Nachweis von Pilzen. Andere Faktoren die das Wachstum von Pilzen begünstigen können sind längerfristige Kortisonbehandlungen oder aber Abwehrschwächen. Wie bereits ausgeführt kann über die Notwendigkeit der Behandlung nur ein Arzt entscheiden der wirklich den ganzen Fall kennt. Grundsätzlich wäre ein Infektiologe der Spezialist der Wahl, auch ein Gastrentrologe sollte Ihnen jedoch weiterhelfen können. Im Allgemeinen sollte man Mittel gegen Pilze (Antimykotika) auch nicht über viele Monate nehmen. Manchmal kann auch die Stärkung der Bakterien durch sogenannten Probiotika einen günstigen Einfluss auf Pilzerkrankungen nehmen.

Magdalena: Geht die Darmspiegelung bis zum Magen rauf?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Nein. Die Darmspiegelung gehört zu den Endoskopien, wo ein schlauchartiges Gerät mit einer Optik die Bilder auf einen Bildschirm überträgt, in eine Körperöffnung eingeführt wird. Die häufigste Form der Endoskopie ist die sogenannte Magenspiegelung die über den Mund die Speiseröhre schließlich den Magen und den Zwölffingerdarm erreicht. Bei der Darmspiegelung wird das Gerät von hinten über den After eingeführt und man kann den ganzen Dickdarm betrachten und über die Klappe zwischen Dünndarm und Dickdarm noch ein kleines Stück in den Dünndarm von unten hinein schauen. Unser Körper verfügt über 4-6 Meter Dünndarm. Der größte Teil wird abgesehen von Spezialtechniken die es nur in ganz wenigen Einrichtungen gibt, mit dem Endoskop nicht erreicht.

Endemann: Wie ist die Aussicht, dass man eine Immuntherapie mit einer herkömmlichen Chemotherapie verbindet und sie auf diese Weise verstärkt, oder eine längerfristige Wirkung erzielt, die noch nach Absetzen der Chemo eine fortlaufende Wirkung entfaltet? Oder stelle ich mir das zu laienhaft vor?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Zunächst einmal müssen wir den Begriff Immuntherapie definieren. Bis vor 2-3 Jahren wurde der Ausdruck für jede Therapie verwendet, bei der monoklonale Antikörper zum Einsatz kommen. Diese Antikörper (bei Darmkrebs Bevacizumab, Cetuximab, Panitumumab) kann man als Immuntherapie bezeichnen, weil die Bildung von Antikörpern Aufgabe des Immunsystems ist. In diesem Sinne werden Antikörper auch schon seit vielen Jahren zusammen mit Chemotherapie eingesetzt. In den letzten Jahren hat sich der Einsatz des Begriffes Immuntherapie jedoch gewandelt und wir meinen hiermit eher, dass unserem körpereigenem Immunsystem auf die Sprünge geholfen wird. D.h., dass immunsystembremsende Elemente geblockt werden, sodass das Immunsystem aufmerksamer wird und idealerweise eine Krebszelle als fremd erkennt und bekämpft. Zunächst gab es mit dieser Form der Immuntherapie große Erfolge beim malignen Melanom (schwarzer Hautkrebs), später dann auch bei Lungenkrebs, Nierenkrebs und inzwischen mehreren anderen Krebserkrankungen. Bei Darmkrebs gibt es bisher eindrucksvolle Ergebnisse nur bei einer sehr seltenen Unterform. Diese Form der Immuntherapie mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren wird zumeist allein ohne Chemotherapie eingesetzt. Untersuchungen zur Kombination mit Chemotherapie oder Strahlentherapie laufen aktuell, sind aber noch nicht ausgewertet. Es laufen auch Untersuchungen, wo man die Checkpoint-Inhibitoren nach einer Chemotherapie einsetzt, in der Hoffnung, die Rückbildungen der Metastasen zu erhalten. Aber auch hierzu liegen noch keine schlüssigen Ergebnisse vor.

Jockel: Es gibt ja die sogen. Früherkennung seit Anfang 2000, um Dickdarmkrebs rechtzeitig zu entdecken. Viele Vorsorgeuntersuchungen sind ins Gerede gekommen, dass am Ende zu wenig dabei rauskommt. Gilt das auch für die Vorsorge von Darmkrebs? Gibt es da Studien zu?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Eine sehr gute Frage. Es gab eine große Euphorie, dass man durch Früherkennung einen ganz großen Einfluss auf die Sterblichkeit an Krebserkrankungen nehmen kann. In Deutschland sind vier Formen der Krebsfrüherkennungsuntersuchungen weit verbreitet und etabliert: 1. Die angesprochene Vorsorgekoloskopie 2. Untersuchung auf Gebärmutterhalskrebs beim Frauenarzt 3. Sogenannte Screening Mammografie 4. Früherkennung auf Prostatakrebs durch Abnahme des PSA-Wertes. Insbesondere die PSA-Wert-Bestimmung und die Screening-Mammografie konnten die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen und ich würde jedem Menschen, dem man eines der beiden Verfahren empfiehlt, eine umfangreiche Beratung über Nutzen und Risiken dringend empfehlen. Die anderen beiden Früherkennungsuntersuchungen, so auch die Vorsorgekoloskopie, sind aber tatsächlich hochgradig wirksam. Die Senkung der Sterblichkeit an Darmkrebs hat vielleicht nicht ganz das erreicht, was wir noch vor 15 Jahren dachten. Gerade in den letzten Wochen ist ein Artikel in einer Fachzeitschrift erschienen, der eine Untersuchung mit 17 Jahren nach Beobachtung zum Stellenwert der Vorsorgekoloskopie - streng genommen nur die unteren 50cm Darm - dargestellt hat und eine Senkung der Sterblichkeit beweisen konnte.

Heiner: Es soll Lebensmittel geben, die sich direkt krebserregend auf den Darm auswirken. Wie lange dauert so etwas? Anders gefragt, ich ernähre mich seit meiner Scheidung vor 6 Jahren nicht gut. Wie lange dauert es, bis sich das wieder normalisiert, wenn ich jetzt anfange auf meine Ernährung zu achten?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Eine gute aber leider auch sehr schwierige Frage. Wenn wir überlegen, was Ernährung mit Krebs zu tun hat und worauf unsere Erkenntnisse beruhen, so müssen wir zunächst eingestehen, dass die meisten Studien hierzu sogenannte Epidemiologische Studien sind. D.h. man befragt z.B. Menschen, was sie gegessen haben und stellt dann eine Verbindung zu Erkrankungen, auch Krebserkrankungen, her. Selbst wenn nun bestimmte Ernährungsgewohnheiten häufiger bei Patienten, die eine Krebserkrankung haben, erfragt wurden, so ist dies noch kein Beweis, dass die Erkrankung wirklich durch die Ernährung bedingt wurde. Man kann lediglich Hypothesen aufstellen. Idealerweise würde man gesunde Menschen dem Zufall unterworfen in zwei Gruppen einteilen: Gruppe A ernährt sich "gesund", Gruppe B "ungesund". Dann müsste man z.B. 20 Jahre warten und könnte dann nachweisen dass es tatächlich Unterschiede gibt. Wie Sie sehen, ist das alles sehr hypothetisch und fand auch so nicht statt. Sogenannte Interventionsstudien, d.h. unsere Gruppe von Menschen wird ermuntert das eine oder das andere zu tun, sind sehr selten realisierbar und alle die bisher durchgeführten erbrachten auch kein klares Ergebnis. Dies soll keineswegs heißen, dass ich nicht von dem Zusammenhang von Krebsentstehung und Ernährung überzeugt wäre. Aber unsere Erkenntnisse sind eben nicht so, dass wir Ihre Frage beantworten könnten. Man geht eher davon aus, dass viele verschiedene Faktoren zusammen das Risiko für eine Krebserkrankung steigern. In keinem Falle ist es eine schwarz/weiß oder Ja/Nein-Geschichte. Bezüglich Darmkrebs führt langjähriger Konsum von viel Fleisch (besonders Rindfleisch), Bewegungsmangel und Übergewicht definitiv zu häufigerer Diagnose dieser Erkrankung.

Caro_Pantes: Mein Vater ist 2012 an Darmkrebs operiert worden, danach Chemo. Jetzt der Rückfall. Weil 5 Jahre vergangen sind könnte es ja sein, dass neue Medikamente da sind. Gibt es da etwas? Was ist mit diesen zielgerichteten Therapien?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Der Rückfall der Erkrankung bedeutet vermutlich, dass jetzt eine ganz neue Krankheitssituation bei Ihrem Vater vorliegt. Ich vermute, dass Metastasen (z.B. in der Leber) entdeckt wurden. Um die Erkrankung zu behandeln wird man Chemotherapie und auch zielgerichtete Therapien (monoklonale Antikörper) einsetzen. Fast alle dieser Medikamente sind schon seit mehr als 5 Jahren auf dem Markt, waren aber für Ihren Vater 2012 kein Thema, weil er lediglich eine sogenannte adjuvante Chemotherapie bekommen hat. Für die adjuvante Chemotherapie setzen wir auch im Jahre 2017 keine zielgerichteten Chemotherapien ein.

Fausia: Wie weit geht die sogen. personalisierte Krebsbehandlung? Wie individuell ist das wirklich?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Cetuximab und Panitumumab werden bei Darmkrebs nur eingesetzt, wenn an den Tumorzellen RAS-Wildtyp nachgewiesen wird. Das ist bei der Hälfte der Patienten der Fall. Bei anderen Krebserkrankungen (insbesondere Lungenkrebs) sucht man auch nach wesentlich selteneren sogenannten molekularen Markern in den Krebszellen. Teilweise sind diese nur bei 1-2% der Patienten vorhanden. Hat man sie jedoch nachgewiesen, so ergibt sich die Möglichkeit einer gezielten und dann häufig hoch effektiven Therapie mit einem speziellen Medikament. Das ist das angesprochene Vollbild der personalisierten Medizin. Wir können bei Lungenkrebs inzwischen auf vier bis fünf therapeutisch relevante molekulare Marker untersuchen.

Jottas: Gibt es eindeutige Symptome für Darmkrebs, die sich klar von z.B. einer Darmentzündung, oder Hämorrhoiden unterscheiden?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Nein es gibt keine eindeutigen Symptome. Symptome im Zusammenhang mit bestimmten Blutwerten können zu einem Verdacht führen. Ohne eine weitergehende Untersuchung - fast immer eine Darmspiegelung - wird man Darmkrebs weder sicher beweisen noch ausschließen können.

Justus: Meine Darmspiegelung war negativ, also im Sinne von ohne Befund. Warum habe ich trotzdem oft Schmerzen und zwar im oberen rechten Bereich? Was kann das sein?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Bei Schmerzen im rechten Oberbauch, die vermutlich bei Ihnen vorliegen, kommen eine Menge Ursachen in Frage. Hier liegt auch die Leber und die Gallenblase, aber es könnten auch Verwachsungen am Darm oder ganz andere Krankheitsbilder die Ursache sein. Es ist absolut unmöglich, ohne körperliche Untersuchung und genaue Befragung zu Ihren Symptomen einen Tipp zur Ursache abzugeben.

Hubertz: Es liegen große Hämorrhoiden bei mir vor, weshalb der Dickdarm nur schwer untersucht werden kann. Das soll aber stationär möglich sein. Da ich schon Polypen hatte, die entfernt wurden ist eine Darmspiegelung sehr wichtig. Wäre eine digitale Darmspiegelung eine Lösung?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Ich vermute, dass Sie mit digitale Darmspiegelung die sogenannte virtuelle Koloskopie meinen. Hierbei wird eine Darmreinigung wie bei der normalen Koloskopie durchgeführt. Anschließend wird zusätzlich Luft in den Darm eingebracht und dann eine Computertomografie durchgeführt. Der Computer errechnet dann Bilder die fast aussehen wie bei einer Darmspiegelung. Der Nachteil ist, dass man von Polypen, die man so durchaus entdecken kann, erstens keine Probe nehmen kann und sie zweitens natürlich schon gar nicht entfernen kann. In Ihrem Falle würde ich eher zu einer konventionellen Darmspiegelung unter stationären Bedingungen raten. Zusammenfassend wäre eine virtuelle Koloskopie besser als gar keine Untersuchung, aber lange nicht so gut wie eine richtige Darmspiegelung.

Linda: Wann ist der richtige Zeitpunkt Antikörper einzusetzen? Geht das auch von Anfang an anstelle von Chemo? Würde sich dadurch die Gesamtperspektive verbessern?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Die bereits mehrfach angesprochenen monoklonalen Antikörper, welche bei der Behandlung von Darmkrebs eine Rolle spielen, werden nahezu immer zusammen mit Chemotherapie eingesetzt. Teilweise werden sie noch weiter gegeben wenn die Chemotherapie bereits beendet wurde. Ein alleiniger Einsatz ohne Chemotherapie hat sich nicht bewährt. Vor vielen Jahren setzte man Cetuximab oder Panitumumab auch als Dritt- oder Viertbehandlung ohne Chemotherapie ein, inzwischen wissen wir jedoch, dass selbst nach umfangreicher Vorbehandlung die Kombination mit Chemotherapie zusammen wirksamer ist. Diese Aussagen habe ich auf die Behandlung von Darmkrebs bezogen.

Oskar Schellenberg: Wir waren sehr froh als man uns sagte, daß die Leber meiner Frau noch keine Krebsabsiedelungen vom Darm hat. Der Tumor konnte vollständig entfernt werden. Stadium I. Trotzdem steht jetzt eine Chemotherapie an. Unter welchen Umständen kann man darauf verzichten?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Bereits weiter oben ist eine Frage zu den Stadien der Darmkrebserkrankungen beantwortet worden. Stadium I bedeutet, dass keine Lymphknoten befallen sind und der Tumor in der Darmwand auch nur wenig weit fortgeschritten ist. Die Prognose von Patienten, welche an Darmkrebs im Stadium I operiert wurden, ist so gut, dass man niemals eine adjuvante Chemotherapie durchführt. Ich vermute, dass es zu Missverständnissen gekommen ist, oder dass bei den Stadien etwas durcheinander geraten ist. Eine vernünftige Beantwortung Ihrer Frage wäre mir nur möglich, wenn ich tatsächlich alle Befunde schwarz auf weiß sehe.

Fenja: Ich hatte vor einem halben Jahr eine Dick- und Dünndarm Krebsoperation obwohl ich erst 29 Jahre bin. Seither soll ich Kohlenhydrate meiden, damit der Krebs nicht wiederkommt. Ist das möglich? Es macht es mir aber schwer, wieder Gewicht zuzulegen. Wie macht man das? Soll ich Sahne trinken??

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Sie benötigen unbedingt eine umfangreiche und kompetente Ernährungsberatung. Die Aussage Kohlenhydrate zu meiden, damit der Krebs nicht wieder kommt, ist nicht richtig bzw. extrem vereinfacht und übertrieben. Die wichtigste Aufgabe an die Ernährungsberatung ist zunächst ein Plan, mit dem Sie Ihr Gewicht halten oder steigern können wenn Sie jetzt eher auf der schlanken Seite sind. Zu weiteren detaillierten Empfehlungen möchte ich mich jetzt nicht hinreißen lassen.

Lukas: Nach OP jetzt Chemo - eine Kombinations-chemo. Woher weiß ich, dass ich die eine richtige Kombination bekomme?

Dr. med. Albrecht Kretzschmar: Aus der Angabe "nach OP jetzt Chemo" schließe ich, dass Sie eine adjuvante Chemotherapie bekommen sollen. Dies ist die Therapie, wenn nach der Operation kein Krebs mehr nachweisbar ist und durch die Chemotherapie das Risiko auf einen Rückfall verkleinert werden soll. Eine adjuvante Chemotherapie kann man nur in großen Studien untersuchen, bei denen die Hälfte der Patienten Therapie A, die andere Hälfte Therapie B bekommt (ggf. auch keine Therapie). Nach Jahren wird dann nachgezählt, ob tatsächlich das Rückfallrisiko verkleinert wurde. Alle Erkenntnisse zur adjuvanten Therapie wurden in sehr großen und gewissenhaft durchgeführt und ausgewerteten Studien gewonnen. Lassen Sie sich von dem behandelnden Arzt genau erklären, warum er Ihnen welche Kombination geben möchte. So wurden z.B. viele Medikamente, die sich zur Behandlung von metastasiertem Darmkrebs bewährt haben, auch in der sogenannten adjuvanten Situation untersucht, ein Nutzen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden und wir setzen sie deshalb auch in dieser Situation nicht ein.



Ende der Sprechstunde.