Woran erkenne ich, dass ich an einer Depression erkrankt bin?

Prof. Dr. med. H.-P. Volz
Ärztlicher Direktor  

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Facharzt für Neurologie
Forensische Psychiatrie
 
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Frau Silvia Nagel

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PROTOKOLL

Woran erkenne ich, dass ich an einer Depression erkrankt bin?

PROF. DR. MED. VOLZ: Wir beginnen um 19 Uhr.

Poulsen: Jahrelang ist unsere Mutter zur Psychotherapie gerannt, ohne nennenswerten Erfolg. Dann wurde sie zum einem Psychiater geschickt und bekam ein Psycho-Medikament. Ab da ging es aufwärts. Ist es ein ärztlicher Kunstfehler, wenn man bei Depressionen - den Schweregrad kann ich nicht beurteilen - als Psychiater kein Antidepressivum verordnet?

PROF. DR. MED. VOLZ: Das kann man so nicht sagen. Nach den Leitlinien ist bei allen Schweregraden der Depression Psychotherapie die alleinige Therapie oder ein Bestandteil der Therapie, zusammen mit der Pharamkotherapie. Unter Pharmakotherapie ist in diesem Zusammenhang die Gabe eines Depressivums zu verstehen. Allerdings sollte bei alleiniger Psychotherapie nach einem gewissen Zeitraum überprüft werden, ob nicht zumindestens auch die Gabe eines Antidepressivums bei ausbleibendem Erfolg sinnvoll ist.

Rena-Pagel: Gibt es so etwas wie eindeutige Merkmale einer Depression? Bei Männern finde ich das besonders schwierig, weil das gar nicht in das Selbstbildnis passt. Aber mein Lebensgefährte hat sich in den letzten Monaten verändert. Das ging so schleichend, aber früher war das Leben fröhlich mit ihm. Das ist es jetzt nichtmehr. Alles ist schwer, alles „beladen“. Er hat Schwierigkeiten im Job. Es swingt nicht mehr.

PROF. DR. MED. VOLZ: Es gibt schon relativ eindeutige Merkmale einer Depression. Am deutlichsten sind die Symptome der Traurigkeit, des Verlustes an Interesse an Dingen, die einem früher Spaß gemacht haben. Daneben auch der Verlust oder die Minderung des Schwungs und des Antriebs. Daneben natürlich die traurige Stimmung. Dies sagte ich aber schon zu Beginn der Antwort.

Bei Männern kann es sein, dass diese Symptome vordergründig nicht in der sonst üblichen Klarheit vorhanden sind.

Olli.Ode: Was sind Symptome einer Depression? Kann man das auch als Laie erkennen?

PROF. DR. MED. VOLZ: Einen Teil der Symptome hatte ich schon als Antwort auf die vorangehende Frage dargestellt. Was ich dort dargestellt hatte, waren die so genannten Hauptsymptome einer Depression. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Symptome, ich nenne nun einmal die wichtigsten dieser so genannten Zusatzsymptome: Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, vermindertes Selbstbewusstsein, Schuldgefühle, Schlafstörungen sowie auch lebensmüde Gedanken bis hin zu Selbsttötungsabsichten.
 Diese Symptome, hier ist es besonders die Antriebsstörung und die depressive Stimmung, sind auch vom Laien häufig gut erkennbar. Allerdings gilt es zu beachten, dass nicht immer, wenn diese Symptome auftreten, eine Depression zugrunde liegen muss. Es können auch andere Erkrankungen ursächlich für diese Symptome sein, z. B. eine Reihe körperlicher Erkrankungen. Daher ist es wichtig, wenn diese Symptome festgestellt werden, sich an einen Facharzt zu wenden, damit auch sicher festgestellt wird, dass eine Depression und nicht etwa eine andere schwere Erkrankung zugrunde liegt.

Scheel: Ist jede Depression auch mit körperlichen Schmerzen verbunden? Meine Freundin erzählte mir von starken Druckschmerzen im Herzbereich und im unteren Bauch. Sie war beim Kardiologen, der konnte nichts feststellen. Ihr Hausarzt hat ihren Bauch abgetastet und fragte dann vorsichtig, wie sie so drauf sei. Später fragte er konkreter und rückte damit raus, dass Ursache solcher Symptome auch eine Depression sein kann. Stimmt das, dass Depressionen körperliche Schmerzen verursachen können?

PROF. DR. MED. VOLZ: Ja, das stimmt, die Betonung liegt allerdings auf "können". Früher war der Begriff "larvierte" oder "maskierte" Depression für solche Depressionen im Gebrauch, die hauptsächlich durch körperliche Symptome, beispielsweise auch Schmerzen, gekennzeichnet sind. Aber immer bei diesen Patienten ist auch die Stimmung und der Antrieb verändert, bei intensiverem Nachfragen müssen die eingangs geschilderten typischen depressiven Symptome auf jeden Fall vorhanden sein.  
Wenn ein Patient über wechselnde körperliche Symptome klagt, für die keine organische Ursache gefunden werden kann, und er auch die typischen depressiven Symptome nicht aufweist, könnte eine so genannte somatoforme Störung vorliegen.
Wie schon bei der Beantwortung dieser Frage angeklungen ist, müssen aber auf alle Fälle wichtige körperliche Ursachen von solchen Symptomen wie Schmerzen sicher ausgeschlossen sein, bevor man in Richtung einer psychischen Störung, sei es nun eine bestimmte Depressionsform oder eben eine somatoforme Störung, denkt.

Schütze: Gehen Depressionen immer einher mit Angst?

PROF. DR. MED. VOLZ: Angst kann ein Symptom einer Depression sein, muss aber nicht immer vorhanden sein. Wenn Angst vorhanden ist, müssen auch immer so genannte Angststörungen (wichtig hier zu nennen, die generalisierte Angststörung und die Panikstörung) ausgeschlossen werden.  
Angst ist also, wie wir Ärzte das nennen, ein unspezifisches Symptom.

Moderator: Wenn Sie sich gefährdet fühlen, Ihrem Leben ein Ende machen zu wollen, rufen Sie bundesweit 110 oder die Telefon-Seelsorge 0800 – 111 0 111 (evangelisch) und 0800 – 111 0 222 (katholisch) an.

Harry: Ich habe 6 Jahre Psychotherapie hinter mir mit mäßigem Erfolg. Bin medikamentös recht gut eingestellt. Zumindest geht es mir so, dass ich mich nachhaltig mit meiner Situation auseinandersetze, auch wenn ich nicht mehr psychotherapeutisch behandelt werde. Ich komme immer wieder auf die gleichen Punkte zurück. Gibt es auch Fälle, wo keine psycho-sozialen Ursachen einer Depressivität und oder Angststörung zugrunde liegen? Gibt es eine vererbte, familiäre Neigung zu Depressionen, wo der Hirnstoffwechsel das eigentliche Problem ist und dadurch selbst kleine Probleme Depressionen und Ängste auslösen? Mein Onkel, mein Großvater und möglicherweise weitere männliche Familienmitglieder/Vorfahren haben sich alle selbst getötet.

PROF. DR. MED. VOLZ: Bei den Depressionsformen, bei denen immer wieder einzelne depressive Episoden auftreten (so genannte rezidivierende Depressionen), und noch stärker bei Depressionen, die im Rahmen bipolarer Störungen auftreten, gibt es auch eindeutig genetische Ursachen. Es kommt nicht so sehr darauf an, ob sich männliche Familienmitglieder suizidiert haben, vielmehr darauf, ob diese Verwandten nur mütterlicherseits oder väterlicherseits betroffen waren. Dies könnte dann für ein hohes genetisches Gewicht bei Ihrer Depressionsform sprechen. Hierzu müsste man allerdings noch wissen, ob diese Familienmitglieder zum Zeitpunkt ihres Suizids depressiv gewesen sind.

Wenn Suizidalität auch bei Ihrer Depression eine bedeutende Rolle spielen sollte, möchte ich den Hinweis geben, dass es Befunde gibt, die dafür sprechen, dass Litium eine besondere vorbeugende Wirkung bei häufig auftretenden suizidalen Gedanken oder sogar Handlungen besitzt.

Legion: Gibt es so was wie den oder die Auslöser für eine Depression?

PROF. DR. MED. VOLZ: Diese Frage ist äußerst schwierig zu beantworten. Im Wesentlichen unterscheidet man zwei Hauptursachen von Depressionen, die allerdings auch miteinander kombiniert auftreten können.

1. Psychosoziale Faktoren, wie beispielsweise Trennungserlebnisse oder andere ernsthafte Belastungen.
2. Eine genetische Verwundbarkeit depressiv zu reagieren.

Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen, dass bei heftigen Belastungsfaktoren viele Menschen mit depressiven Verstimmungen reagieren, dass allerdings bei eher mittelgradigen oder gar geringen psychosozialen Belastungsfaktoren diejenigen depressiv werden, die eine hohe genetische Verwundbarkeit aufweisen.

Eine solche Wechselwirkungen zwischen "äußeren" und "inneren" Faktoren ist für viele Erkrankungen, nicht nur im Rahmen der Psychiatrie, charakteristisch.

O_Kureta: Wie grenzt sich eine Angststörung von einer Depression ab? Kann man das überhaupt?

PROF. DR. MED. VOLZ: Auch das ist eine recht komplizierte Frage. Aber eine Abgrenzung ist durchaus möglich. Zunächst muss man allerdings festhalten, dass es nicht "eine" Angststörung gibt, sondern eine ganze Reihe von Angststörungen.

Ich möchte kurz die beiden häufigsten Angststörungen, die zu massiven Einschränkungen der Lebensqualität führen können, schildern:

1. die generalisierte Angststörung
Hier ist eine angespannte Stimmungslage, eine vermehrte Schreckhaftigkeit und das sich Sorgen machen über vielerlei Dinge, häufig zusammentreffend mit Schlafstörungen, typisch.

2. Panikstörung
Hier tritt plötzlich eine rasch sich steigernde Angstattacke auf, bei der körperliche Symptome der Angst, wie Herzklopfen, Brustschmerzen, Atemnot, Zittern, Schwitzen im Vordergrund stehen. Nach ca. 10 Minuten wird das Maximum der Beschwerden erreicht, in der nächsten halben bis ganzen Stunde flauen dann diese körperlichen Angstsymptome ab. Eine solche Panikattacke kann im Abstand von einigen Tagen immer wieder auftreten, bei einer deutlichen Ausprägung der Panikstörung, kann es auch zu mehreren Attacken pro Tag kommen.

Typischerweise fehlen bei den Angststörungen die charakteristischen depressiven Symptome, wie sie am Anfang dieser Sprechstunde genannt worden sind.

Allerdings gibt es eine "Komplikation": Menschen, die längere Zeit an einer gravierenden Angststörung leiden, entwickeln dann in der Folge mitunter auch eine Depression, d. h. die Angsstörung ist der Auslösefaktor für eine so genannte sekundäre Depression. Befragt man die so betroffenen Patienten aber genau, können Sie in der Regel schildern, dass vor der Ausprägung depressiver Symptome nur die typischen Angstsymptome, eben ohne depressive Symptome, für eine gewisse Zeit, in der Regel für mehrere Monate oder Jahre, alleine bestanden haben.

Manfred: Was ist das Neue an dem Wirkstoff Vortioxetin? Soll phantastisch wirken, aber ich höre das nur bei uns in der Gruppe. Habe meinen Psychiater darauf angesprochen, aber der ist zurückhaltend. Warum?

PROF. DR. MED. VOLZ: Vortioxetin ist ein neues Antidepressivum, das zwei Wirkmechanismen miteinander verbindet. Zum einen hemmt es die Wiederaufnahme von Serotonin, wie zahlreiche andere Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) auch; auf der anderen Seite, und das ist eben das Neue, wirkt es auch an einer Reihe von Rezeptoren, also Andockstellen, an denen Serotonin physiologischer Weise auch wirkt. Durch diese Kombination von Effekten ist ein neuartiges Wirkprofil und ein im Vergleich zu SSRI verbessertes Nebenwirkungsprofil festzustellen.

Im Durchschnitt der depressiven Symptomverbesserung wirkt Vortioxetin ungefähr so stark wie die SSRIs, allerdings gibt es eine Reihe von Befunden, die zeigen, dass Vortioxetin bei so genannten kognitiven Einschränkungen (beispielsweise das Gedächtnis oder die Konzentration betreffend) eine besondere Wirksamkeit aufweist.

Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr Psychiater aufgrund einer besonderen Situation im Rahmen der Überprüfung, ob Vortioxetin mit dem Preis, der derzeit festgesetzt ist, auch in Zukunft von der Krankenkasse ersetzt werden wird, zurückhaltend ist. Dies ist derzeit unklar, eine Kosten-Nutzen-Analyse im Rahmen eines staatlich festgesetzten Vorgehens hat keinen so genannten Zusatznutzen für Vortioxetin erbracht. Ein in Fachkreisen durchaus kontrovers diskutiertes Ergebnis.

Nach meinem Kenntnisstand wird im Mai diesen Jahres feststehen, ob der Preis von Vortioxetin, in der derzeit festgesetzten Höhe, weiter von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird oder nicht, sollte eine Erstattung nicht mehr gewährleistet sein, könnte dies bedeuten, dass Vortioxetin vom Hersteller in Deutschland nicht mehr weiter vertrieben wird.

Insgesamt ist dies ein sehr komplexer Vorgang der Bewertung von Antidepressiva, der meiner Auffassung nach durch Instrumente der Wirksamkeitsanalyse geprägt ist, die wesentliche klinische Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigen.

schatten: Gibt es SSRI, die eine stark schlaffördernde Wirkung haben, die nicht nach ein paar Tagen verschwindet?

PROF. DR. MED. VOLZ: Meines Wissens nach nein. SSRIs, ich sage mal in einer Reihe die ganzen Namen: Fluoxetin, Fluvoxamin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Paroxetin, führen eher zu einer Schlafstörung, insbesondere in den ersten Tagen der Gabe. Häufig ist diese unerwünschte Wirkung nach einigen Tagen der Gabe nicht mehr vorhanden.  
Es könnte sein, dass Sie vielleicht ein anderes Medikament meinten, etwa Mirtazapin, das eine schlafanstoßende Wirkung besitzt, aber kein SSRI ist.

GARON: Welche gesundheitlichen Schäden verursacht Tavor?

PROF. DR. MED. VOLZ: Tavor, der Inhaltsstoff ist Lorazepam, ist ein so genanntes Benzodiazepin, Substanzen die gegen Angst wirken, gegen Schlaflosigkeit, gegen besondere Formen der Epilepsie und gegen starke Muskelverspannungen. Bei den Benzodiazepinen handelt es sich nicht um Antidepressiva.

Lorazepam wirkt gut gegen Angst, die hauptsächliche unerwünschte Wirkung besteht in dem Risiko, Abhängigkeiten auszulösen, d. h. ein bestimmter Teil der Patienten, die diese Substanz über eine längere Zeit nehmen, können nahezu nicht mehr ohne die Substanz sein. Ein anderes, nicht mehr gebräuchliches Wort für Abhängigkeit ist Sucht.

Aus diesem Grund muss man bei der Verordnung und der Einnahme von Lorazepam äußerst vorsichtig sein, um solche Abhängigkeitsentwicklungen möglichst nicht auszulösen.

Andere unerwünschte Wirkungen sind beispielsweise das erhöhte Risiko zu stürzen, auch eine Atemverminderung bei hohen Dosen kann auftreten, sehr häufig sind kognitive Störungen, beispielsweise Gedächtnislücken oder Konzentrationsstörungen.

gerd_wierichs: Wie wird eine langjährige ungerichtete Angststörung medikamentös behandelt. Ich möchte keine Psychotherapie, weil die bei mir nach vielen Jahren NICHTS gebracht hat.

PROF. DR. MED. VOLZ: Wenn ich den Begriff "ungerichtete Angststörung" richtig verstehe, könnte es sich um eine, schon weiter oben erwähnte, generalisierte Angststörung handeln. Für die Behandlung einer generalisierten Angststörung sind eine ganze Reihe von Medikamenten zugelassen.

- selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI): Z. B. Escitalopram oder auch Paroxetin
- selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI): Venlafaxin, Duloxetin
- Pregabalin
- Opipramol

Diese Medikamente haben unterschiedliche unerwünschte Wirkungen, so dass Ihr Psychiater z. B. das Medikament, mit dem Sie mutmaßlich am besten klarkommen können, auswählen kann.

Bei der medikamentösen Therapie von Angststörungen ist es wichtig, ausreichend lange mit einer ausreichend hohen Dosis zu behandeln. Die Wirksamkeit sollte abschließend frühestens nach achtwöchiger Therapie beurteilt werden. In der Regel sollte dann für mindestens für neun bis zwölf Monate weiterbehandelt werden, bevor eine vorsichtige Dosisverminderung durchgeführt werden kann.

Virpy: Keine Wirkung ohne Gegenwirkung. Schädigen Benzodiazepine die Organe? Welche?

PROF. DR. MED. VOLZ: Eine direkte Organschädigung durch Benzodiazepine ist vergleichsweise selten, allenfalls sind Leberschädigungen zu beachten. Das hohe Risiko der Benzodiazepine liegt, wie weiter oben bereits ausgeführt, in ihrem Potential, Abhängigkeiten auszulösen. Die anderen häufigen unerwünschten Wirkungen hatte ich weiter oben bereits dargelegt.  
Aus den genannten Gründen muss vor einer längerfristigen Einnahme von Benzodiazepinen gewarnt werden.

Auf der anderen Seite ist bei massiven Angstzuständen ein Benzodiazepin eine wichtige Medikation, auch in der Vorbereitungsphase von Operationen sind diese Medikamente unverzichtbar.  
Wie gesagt, das Hauptrisiko kann durch längerfristige Einnahme entstehen.

Moderator: Wenn Sie sich gefährdet fühlen, Ihrem Leben ein Ende machen zu wollen, rufen Sie bundesweit 110 oder die Telefon-Seelsorge 0800 – 111 0 111 (evangelisch) und 0800 – 111 0 222 (katholisch) an.

Steiger: Heilen Depressionen und Ängste, auch wenn sie zehn Jahre lang immer wieder gekommen sind, irgendwann aus? Vielleicht, wenn man älter wird?

PROF. DR. MED. VOLZ: Ich möchte hier für Depressionen und Angststörungen getrennt antworten.

Bei Depressionen, die immer wieder gekommen sind, wir sprechen hier von rezidivierenden Depressionen, ist die Chance, dass sie irgendwann aufhören gering, jedenfalls dann, wenn sie nicht gut behandelt werden.

Bei Angststörungen verhält es sich etwas anders. Grob gesprochen kann hier beobachtet werden, dass diese Störungen, mit Ausnahme der generalisierten Angststörung, im Alter häufig an Intensität verlieren.

Latigo: Können Antidepressiva heilen, im Sinne von, dass mein betreuender Psychiater irgendwann sagt „wir schleichen jetzt die Medikamente aus, weil Sie gesund sind?“ Davon träume ich immer wieder. Sind solche Gedanken evtl. das Zeichen, dass ich gesund bin?

PROF. DR. MED. VOLZ: Ich kann Ihre Gedanken gut nachvollziehen. Wenn man ein Antibiotikum nimmt, ist man ja nach einigen Tagen der Einnahme auch gesund. Dies trifft leider auf eine Reihe von Erkrankungen, die immer wieder auftreten, nicht zu. Sollten Sie an einer immer wiederkehrenden Depression leiden (rezidivierende depressive Störung), d. h. Sie haben mehr als drei depressive Episoden durchlitten, sollten Sie dauerhaft eine Medikation einnehmen, und zwar im Sinne der Vorbeugung vor weiteren depressiven Episoden.

Diese Therapiephase wird in der Fachsprache als Rezidivprophylaxe betrachtet.  

Häufig angewandte Medikamente in dieser Rezidivprophylaxe-Phase sind Antidepressiva, aber auch Lithium.

Eminem: Macht Lithium auch dick? Ist es gefährlich? Führt es auch zu Schlafstörungen?

PROF. DR. MED. VOLZ: Das ist eine wichtige Frage. In der Tat kann Lithium zu Gewichtszunahme führen, meist durch eine so genannte Wassereinlagerung. Auch Schlafstörungen können vorkommen, sind aber vergleichsweise selten.

Ob Lithium gefährlich ist, kommt darauf an, wie sorgfältig die Verordnung geprüft wird und wie sorgfältig der Patient die Medikation einnimmt.

Insbesondere bei Nierenerkrankungen und bei Schilddrüsenerkrankungen ist besondere Vorsicht geboten, bei einer Reihe von Nieren- bzw. Schilddrüsenerkrankungen  darf Lithium überhaupt nicht eingenommen werden.

Auch gibt es immer wieder Berichte, dass Lithium nach jahrzehntelanger Einnahme zu Nierenfunktionsstörungen führen kann.  
Wichtig ist auch, dass bestimmte Medikamente nicht mit Lithium zusammen gegeben werden dürfen, dies betrifft vor allem eine Reihe von wasserausschwemmenden Medikamenten (Diuretika).

Psychiatriehasser: Also: Tavor wirkt am besten, hat kaum Nebenwirkungen, macht nicht dick und ist billig, aber man kann abhängig werden. Deshalb soll man lieber ein Antidepressivum nehmen, dass wesentlich belastender für die Organe ist, jeden Tag zwingend genommen werden muss, intensivere Nebenwirkungen hat, dick macht und häufig sehr teuer ist? Da bin ich doch von meinem Antidepressivum genauso abhängig wie von Tavor. Es ist zum Kotzen. Man sollte alle Medikamente absetzen.

PROF. DR. MED. VOLZ: Das ist eine provokante Stellungnahme. Der Hauptunterschied zwischen Lorazepam (Tavor) und Antidepressiva besteht auf zwei Gebieten:

- Lorazepam selbst wirkt kaum antidepressiv, Antidepressiva wirken antidepressiv.
- Lorazepam kann bei Daueranwendung bei einem Teil der Patienten zu Abhängigkeit führen, dies ist bei Antidepressiva nicht der Fall.

Ich kann nur davor warnen, bei gravierenderen Depressionen oder gar rezidivierenden depressiven Störungen Antidepressiva vorschnell abzusetzen.  

Antidepressiva sind in der Regel, um diesen auch angesprochenen Aspekt zu berücksichtigen, nicht (mehr) teuer. Die meisten Antidepressiva sind mittlerweile so genannte Generika, die Tagesbehandlungskosten bewegen sich somit im Bereich von 50 Cent oder weniger.

Ich hoffe, hiermit auf die wichtigsten Punkte Ihrer kritischen Anmerkung, ausreichend eingegangen zu sein.

F_Henne: Ich bin in den Wechseljahren. Es geht mir gut. Im Kopf weiß ich das und trotzdem habe ich Phasen in denen ich weinen muss. Aber eigentlich besteht gar kein Grund dafür. Mein Mann ist irritiert. Ich frage mich, wo beginnt eine Depression? Wie grenzt man eine Depression von Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit ab? Es überkommt mich ohne Vorwarnung und belastet unsere Familie.

PROF. DR. MED. VOLZ: Vielen Dank für diese interessante Frage, vor allem, da sie mich auf einen Punkt aufmerksam macht, auf den ich bisher nicht ausreichend eingegangen bin.

Kurzzeitige Stimmungsschwankungen, auch wenn sie erheblich sind, erfüllen nicht das Kriterium einer Depression. Es gibt eine Regel in den einschlägigen Diagnosemanualen, die besagt, dass die Phase der Niedergeschlagenheit mindestens vierzehn Tage andauern muss, bevor man von einer Depression sprechen kann.

Sollten Sie immer wieder kürzere Phasen der Niedergeschlagenheit haben, die vielleicht nur einen Tag anhalten, oder auch kürzer, leiden Sie noch nicht unter einer depressiven Episode. Gerade in Zeiten hormoneller Umstellungen, wie dies ausgeprägt in den Wechseljahren der Fall ist, können solche kurzfristigen Stimmungseinbrüche vorkommen, diese sind in der Regel, obwohl stark belastend, noch nicht von Krankheitswert.

Juri: Mein Bruder krümmt sich oft vor Schmerzen, aber organisch gibt es keinen Befund. Wieso verursachen seelische Leiden auch starke körperliche Schmerzen? Was passiert da im Körper? Sind das Muskelverspannungen? Ich verstehe es nicht und möchte ihm doch so gern helfen, oder zumindest beistehen.

PROF. DR. MED. VOLZ: Das ist eine Frage, die ich Ihnen leider nicht abschließend beantworten kann. Es ist aber lange bekannt, weiter oben bin ich auf diesen Aspekt bereits eingegangen, dass Depressionen auch starke körperliche Schmerzen auslösen können. Es gibt eine nicht bewiesene Hypothese, dass ähnliche Transmitter (also Botenstoffe), die an der Auslösung von Depressionen beteiligt sind, auch im Rahmen der Schmerzentstehung ursächlich sein können. Aber, wie gesagt, diese Hypothese ist nicht bewiesen.

Ich glaube auf der anderen Seite nicht, dass eine Überlegung, wie Depressionen Schmerzen auslösen können, Ihnen direkt nutzt, um Ihrem Bruder zu helfen. Ohne die genauen Umstände zu kennen, ist in der Regel der konstante Beistand die wichtigste Hilfe, die ein Angehöriger für den Erkrankten leisten kann.

Carl: Habe ich als Patient die Möglichkeit ein Generikum abzulehnen? Bin total froh, dass ich gut eingestellt bin mit Cymbalta und soll jetzt umstellen. Das will ich aber nicht. Kann ich mich davor schützen? Es geht mir gut mit dem Originalpräparat. Hatte schon einmal so eine Umstellung auf ein Generikum oder etwas angeblich ähnliches/gleiches, das zufällig viel billiger war… Das war ganz schrecklich und ich musste wieder völlig neu eingestellt werden. 6 Wochen Klinik. Warum begreifen die Kassen das nicht?

PROF. DR. MED. VOLZ: Das ist eine sehr interessante und auch wichtige Frage, wenngleich ich glaube, dass ich Ihnen nur begrenzt helfen kann.

Ich versuche, die Schwierigkeit zu erklären, wobei es jetzt vielleicht etwas kompliziert werden kann. Ein Generikum enthält den gleichen Wirkstoff, in Ihrem Fall Duloxetin, wie das Originalpräparat. Allerdings muss ein Generikum nur in bestimmten Grenzen ähnlich im Blut freigesetzt werden wie das Originalpräparat. Diese Grenzen bewegen sich zwischen 80 und 125 % der so genannten Bioverfügbarkeit des Originalpräparats. Es könnte also sein, im Extremfall formuliert, dass Sie bei der Umstellung von Cymbalta auf ein Generikum nur 80 % der Bioverfügbarkeit haben im Vergleich zu Cymbalta oder aber 125 %.

Eine praktikable Möglichkeit wäre es, dass Sie die Konzentration des Wirkstoffs im Blutplasma bestimmen lassen, einmal unter Cymbalta, dann nach Umstellung auf ein Generikum. Sind die beiden Plasmakonzentrationen ähnlich, gibt Ihnen dies eine gute Gewissheit, dass Sie genügend Wirkstoff im Plasma und damit im Gehirn haben.

Allerdings stellt sich diese Frage erneut, wenn von einem Generikum auf ein anderes Generikum umgestellt wird.

Die Krankenkassen davon zu überzeugen, dass sie weiter das Originalpräparat erstatten, ist äußerst schwierig und in der Regel erfolglos.

Lebenserwartung: Stimmt es, dass jahrelange Einnahme von Antidepressiva die Lebenserwartung dramatisch reduzieren?

PROF. DR. MED. VOLZ: Das ist mir nicht bekannt. In der Regel ist es so, dass die Lebenszeit bei guter Behandlung mit Antidepressiva und dem Vorliegen einer rezidivierenden depressiven Störung verlängert wird, da sich Patienten mit unbehandelten schweren Depressionen in ca. 15 % der Fälle suizidieren, eine Quote, die durch die adäquate Behandlung deutlich vermindert werden kann.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber erwähnen, dass es im Einzelfall bei Beginn einer Gabe von Antidepressiva zu einer Betonung suizidaler Gedanken oder gar Handlungen kommen kann. Deshalb ist in dieser Phase der Pharmakotherapie eine besondere Überwachung der Therapie notwendig.

Erlösung: Kann man an Depressionen/Angststörungen sterben? Damit meine ich nicht den Suizid. Einfach, weil die Ängste so schrecklich sind, dass man einen Herzinfarkt oder so etwas bekommt.

PROF. DR. MED. VOLZ: In der Regel kann man nicht an den direkten Folgen einer Angsterkrankung versterben. Ich nehme an, Sie sprechen die Angst im Rahmen einer Panikstörung an. Diese Angst führt nicht direkt zum Tod.

Was man allerdings in den letzten Jahren festgestellt hat, ist, dass bei Patienten mit Panikstörungen koronare Herzerkrankungen häufiger auftreten als bei der Durchschnittsbevölkerung, somit ist indirekt, da koronare Herzerkrankungen vermehrt zu Herzinfarkten führen, das Infarktrisko erhöht, aber eben nicht als direkte Folge der Panikstörung.

PROF. DR. MED. VOLZ: Ich bedanke mich für die rege Teilnahme an dieser Sprechstunde und die vielen interessanten Fragen. Auch in der nächsten Woche beantworte ich gerne alle Fragen rund um das Thema Depressionen. Zum Abschluss wünsche ich Ihnen nun einen angenehmen Abend.

Moderator: Wenn Sie sich gefährdet fühlen, Ihrem Leben ein Ende machen zu wollen, rufen Sie bundesweit 110 oder die Telefon-Seelsorge 0800 – 111 0 111 (evangelisch) und 0800 – 111 0 222 (katholisch) an.



Ende der Sprechstunde.