ITP (Morbus Werlhof): Immunthrombozytopenie – Neues und Bewährtes

Prof. Dr. med. A. Matzdorff
Asklepios Klinikum Uckermark
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PROTOKOLL
ITP (Morbus Werlhof): Immunthrombozytopenie – Neues und Bewährtes
Sasha: Was bedeutet überhaupt Morbus Werlhof oder ITP? Ist das das gleiche?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Früher wurden in der Medizin Krankheiten nach ihrem Entdecker benannt. Werlhof war ein Arzt in Hannover im 17. Jahrhundert. Er beschrieb eine junge Frau, die Blutpunkte an den Beinen und auch sonst starke Blutungen hatte. Deshalb heißt die Krankheit Morbus Werlhof. Morbus ist der lateinische Ausdruck für Krankheit.
Heute wissen wir, dass der Morbus Werlhof eine Immunerkrankung ist und dass ein Mangel an Thrombozyten zu den Blutungen führt. Thrombozytenmangel heißt auf Latein Thrombozytopenie und wenn wir das jetzt zusammenziehen, dann ist der moderne Ausdruck Immunthrombozytopenie = ITP.
Nelly: Sehr geehrter Prof. Matzdorff: Knapp 7 Jahre nach der Diagnose primäre Immunthrombozytopenie mit Nachweis thrombozytenspezifischer Autoantikörper und Behandlungen mit Steroiden, IgG, beiden TPO-RA sowie vor einem Jahr an vier aufeinander folgenden Tagen Rituximab, ließ ich mir vor 10 Wochen komplikationslos laparoskopisch die Milz entfernen. Ich hatte sehr oft 0 Thrombozyten bei dennoch nur milden Blutungszeichen. Außerdem verlor ich viel Gewicht. Die Tumormarker waren negativ. Die Histologie meiner Milz ergab nun, dass diese nicht „das typische Bild einer ITP“ aufwies. Inwieweit kann man jetzt sagen, dass die Milz eigentlich mit dem Abbau meiner Thrombozyten nicht viel zu tun hatte und andere Organe und Mechanismen schon vorher größeren Einfluss hatten? Aktuell habe ich auch nur 4 Gpt/l Thrombozyten und bin noch beim Ausschleichen des Prednisolons (5mg), das ich OP-vorbereitend in hohen Dosen erhielt. Muss man mit Organschädigungen rechnen, wenn man ohne Behandlung lange Zeit mit 0 bis 5 Gpt/l Thrombozyten leben will?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Leider gibt es viele Patienten, die nicht auf Cortison (Steroide), Immunglobuline (IgG), Romiplostim oder Eltrombopag (TPO-RA) ansprechen. So ist es wohl auch bei Ihnen gewesen. Dann hat die Milz aber kein typisches Muster gezeigt. Es gibt aber kein typisches Muster für die ITP. Wenn Ihr Milzbefund nicht typisch ist, dann schließt das eine ITP nicht aus. Wichtig ist, ob Sie auf irgendeine Therapie ansprechen oder nicht. Jetzt haben Sie aber gesagt, dass auch die Milzentfernung keine Besserung gebracht hat. Das ist schon sehr ungewöhnlich (wenn auch nicht unmöglich). Ich bin sicher, Ihr Arzt hat auch das Knochenmark untersucht. Wenn da auch kein anderer Befund ist, dann muss man wahrscheinlich sagen, es kann eine ITP sein. Ganz sicher sind wir jedoch nicht.
Entscheidend ist aber der zweite Teil Ihrer Frage. Auch, wenn wir nicht wissen, ob eine eine ITP ist oder nicht, was soll man bei so wenigen Thrombozyten tun? Wenn Sie nicht oder nur wenig bluten, dann würde man jetzt wahrscheinlich abwarten. Wenn Sie aber deutlicher bluten, sogar so stark, dass Sie ins Krankenhaus müssen, dann wird man vielleicht noch eine der folgenden Therapien probieren: Azathioprien, Dapsone, Mycophenolat oder auch eine Kombination aus Therapien, die Sie schon hatten (z. B. Cortison + Romiplostim + Retuximab).
Eine andere Idee ist mir noch gekommen: Hat man Sie auf Antiphospholipid-Antikörper untersucht oder haben Sie außer Antikörpern gegen Thrombozyten auch Antikörper gegen Erythrozyten? Wenn das der Fall ist, dann haben Sie keine primäre ITP, sondern eine andere Erkrankung. Dann sollten Sie noch einmal mit Ihrem Hämatologen sprechen.
Kaha: Kann ich mit der Einnahme von 250mg NPlate wöchentlich ein Kind bekommen oder hat das Medikament negative Wirkungen auf den Embryo? Ich bin 38 Jahre alt und habe Diabetes Typ I.
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Bitte nicht! Wenn man NPlate nimmt, sollte man nicht schwanger werden, weil nicht ausgeschlossen ist, dass es Rückwirkungen auf den Embryo gibt. Das wird Ihnen auch Ihr Arzt gesagt haben. Wenn Sie aber schwanger werden und die Thrombozyten niedrig sind, dann ist durch den Diabetes die Gabe von Cortison nicht so eine prima Sache. Ich würde Folgendes vorschlagen: Wenn Ihre Thrombozyten über 50.000 sind und Sie nicht bluten, dann würde ich gar nichts machen und den Verlauf der Schwangerschaft abwarten. Wenn die Thrombozyten zwischen 30.000 und 50.000 sind und Sie nicht bluten, dann würde ich auch abwarten bis ca. sechs oder acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Dann würde ich entweder eine niedrige Dosis Cortison (max. 20 mg Prednisolon) oder Immunglobuline probieren mit dem Ziel, die Thrombozytenzahl bis zum Geburtstermin anzuheben. Wenn Ihre Thrombozytenwerte aber ständig unter 20.000 oder 30.000 und wenn Sie nicht oder nur wenig bluten, dann würde ich mit dieser niedrig-dosierten Prednisolon-Therapie oder mit den Immunglobulinen schon früher beginnen. Letztlich ist die Betreuung einer Schwangeren mit ITP immer sehr schwierig und sollte nur an erfahrenen Zentren, d. h. in Kliniken, wo sowohl Hämatologen als auch Gynäkologen 24 Stunden vor Ort sind, durchgeführt werden. Ggf. fragen Sie Ihren Arzt, ob er eine Schwangere mit ITP schon betreut hat oder ob er eine Klinik kennt, wo Sie besser aufgehoben sind. Es geht schließlich um Ihr Kind und Sie.
Nelly: Zu einem Zeitpunkt zu dem ich durch Medikamente von 0 auf 34 Gpt/l Thrombozyten gebracht wurde und im Vorfeld sehr starke Petechien, einige Hämatome und etwas Schleimhautblutung im Mund hatte, wurde bei mir eine KMP durchgeführt. In der Histologie wurde beschrieben, dass das Gesamtbild am ehesten mit der ITP vereinbar ist und außerdem „nur spurenhaft zart nachweisbares Speichereisen“ vorhanden war. Ist so etwas unmittelbare Folge der vorausgegangenen Blutungszeichen oder muss man hier von einem grundsätzlich längerfristigen Eisenmangel ausgehen? Ist dieser Zustand behandlungsbedürftig?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Ein Eisenmangel ist bei Patienten oder Patientinnen, die häufig bluten oder die über lange Zeit immer wieder geringe Mengen Blut verlieren, nicht ungewöhnlich. Gerade bei Frauen kommt dann noch der Blutverlust durch starke Monatsblutungen dazu, deshalb ist ein Eisenmangel bei ITP-Patientinnen besonders häufig. Ein Eisenmangel ist eigentlich leicht zu behandeln und sollte von Ihrem Arzt angegangen werden. Ich empfehle meinen Patientinnen Eisentabletten, wenn der Ferritinwert bereits erniedrigt ist und warte nicht so lange, bis auch der Hämoglobinwert abfällt. Manche Patientinnen vertragen die Eisentabletten nicht gut. Dann wechsele ich noch auf ein anderes oder ein drittes Präparat (jedes Präparat wird anders vertragen) und, wenn das auch nicht geht, dann kann man Eisen auch als Infusion geben. In Zusammenfassung Ihrer Frage würde ich deshalb einen Eisenmangel bei einer ITP-Patientin immer behandeln.
Fischer: Ich bin Grundschullehrerin und denke über eine Milzentfernung nach, weil mich die Medikamente meines Erachtens müde und unkonzentriert machen. Meine Werte liegen mit Medikament zwischen 20.000 und 70.000. 1.Frage: Ist eine Milzentfernung bedenklicher, wenn man täglich als Lehrerin Bakterien und Viren ausgesetzt ist? 2. Frage: Viele Patienten berichten nach Milzentfernung von dauerhafter Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Meinen sie, dass eine Milzentfernung der Grund für die Müdigkeit ist? Dann wäre es natürlich egal, ob ich durch Medikamente oder Milzentfernung müde bin.
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Als Lehrer/in oder Kindergärtner/in ist man naturgemäß mehr Keimen und Infektionen ausgesetzt. Ihre Frage ist also berechtigt. Es gibt aber auch Lehrer/innen, die durch einen Unfall oder eine andere Erkrankung ihre Milz verloren haben und deshalb trotzdem ihren Beruf weiter ausüben. Es geht also mehr um die Frage, Risiken möglichst gering zu halten. Deshalb empfehle ich vor der Milzentfernung eine Impfung gegen Meningokoken (Erregung der Hirnhautentzündung), Pneumokoken (Erreger der Lungenentzündung) und so genannte Haemophilus-Bakterien (Ärzte sagen auch HIB). Außerdem sollten Sie regelmäßig gegen Grippe geimpft werden. Dann halte ich eine Milzentfernung für vertretbar. Denn, wenn Sie die Milz nicht entfernen und immer niedrige Thrombozyten haben oder gar bluten, dann können Sie ja auch nicht arbeiten. Wenn die Milz entfernt wurde und Sie einen fieberhaften Infekt entwickeln, dann sollten Sie 1. ein Antibiotikum zu Hause haben, das Sie gleich einnehmen (Fieber kommt ja immer am Wochenende!) und Sie sollten 2. möglichst bald einen Arzt aufsuchen. Wenn Sie all dies berücksichtigen, dann sind schwere Komplikationen nach Milzentfernung gut zu beherrschen oder zu verhindern.
Sie haben aber auch nach Müdigkeit gefragt. Viele Patienten mit ITP berichten von Erschöpfung und Müdigkeit. Das scheint aber unabhängig von der Milzentfernung zu sein. Es ist also keineswegs so, dass Ihre Erschöpfung und Müdigkeit gegen die Milzentfernung sprechen. Viele Patienten berichten sogar, dass wenn ihre Thrombozyten ansteigen, sie sich wieder besser und leistungsfähiger fühlen. Insofern hätte eine Milzentfernung dann sogar einen guten Effekt.
Sommer: Ich bin 42 Jahre alt und nehme seit 3 Monaten abends eine Tablette Revolade. Ich habe das Gefühl, dass ich dadurch schlecht schlafen kann und häufiger müde, niedergeschlagen und erschöpft bin. Meine Werte schwanken zwischen 20 und 70 unter dem Medikament. Ist diese Erschöpfung eher durch das Medikament bedingt oder durch die niedrigen Werte der Thrombozyten? Sollte ich mit diesen Werten schon einen Versuch unternehmen, Revolade "auszuschleichen"?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Wie bereits in der vorhergehenden Frage angedeutet, scheint ein Thrombozytenmangel bei einigen Patienten auch zu Müdigkeit und Erschöpfung zu führen. Die genauen Ursachen dafür sind noch unbekannt, man spekuliert aber, ob der Stoff Serotonin, der sowohl in Thrombozyten, als auch im Gehirn eine Rolle spielt, dafür verantwortlich ist. Es ist auch so, dass ein Thrombozytenanstieg manchmal zu einer Besserung führt. D. h. aber auch im Umkehrschluss, dass dies nicht immer der Fall ist. Ich würde Revolade weiter nehmen, weil Ihre Werte offensichtlich angestiegen sind. Das ist doch schon einmal ein Erfolg! Über die starken Schwankungen sollten Sie nicht beunruhigt sein. Das kommt häufig vor. Wesentlich ist, dass Sie nicht bluten und dass auch bei Verletzungen das Blutungsrisiko gering bleibt. Wenn trotz des Thromobzytenanstiegs Müdigkeit und Erschöpfung weiter zunehmen, dann sprechen Sie bitte noch einmal mit Ihrem Arzt. Lassen Sie die Schilddrüse prüfen und schauen Sie, ob Sie nicht mit Sport eine Besserung erreichen können.
kklme: was ist der Vorteil von nplate gegenüber anderen Medikamenten?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Bei Nplate muss man sich einmal die Woche eine Spritze geben, bei Eltrombopag muss man täglich und nüchtern die Tabletten schlucken. Gerade das Nüchtern ist für manche Patienten ein Problem. Andere Patienten mögen wiederum nicht die Spritze. Sie sollten für sich selber entscheiden, was für Sie besser ist. Nplate ist aber nicht besser und stärker als Eltrombopag und Eltrombopag auch nicht besser und stärker als Nplate.
Andere Medikamente, die man bei ITP gibt, sind Cortison, Immunglobuline, Rituximab oder man operiert die Milz. Weil Nplate und Eltrombopag sehr neue und leider auch sehr teure Medikamente sind, gibt man sie deshalb häufig erst, nachdem man Cortison oder Immunglobuline probiert hat. Rituximab ist auch teuer, ist eine Infusion und nicht zugelassen für die ITP. Sie sehen aus dieser Antwort, dass viele Dinge bedacht werden müssen. Welches der genannten Medikamente wirklich das beste für Sie ist, sollten Sie mit Ihrem betreuenden Arzt besprechen. Da gibt es keine Standardlösung.
Krafczik: Kann man wirklich plötzlich einen Immundefekt bekommen, einfach so? Irgend etwas muss doch im Körper passieren, dass dann auch noch eine Weiterentwicklung zur reduzierten Thrombozyten-Produktion eintritt. Hat man diese Wege schon erforscht?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Eigentlich weiß man gar nicht genau, was eine ITP auslöst. Warum bekommt der eine Patient als Kind schon eine ITP, warum der andere erst im hohen Alter und warum bekommen die allermeisten Menschen gar keine ITP? Wir sind irgendwo alle verschieden und vielleicht kann man das mit einer Allergie vergleichen. Der eine bekommt seine Allergie früh, der andere spät und die allermeisten Menschen vertragen Erdnüsse und Pollen völlig ohne Probleme. Das ist aber nur die halbe Antwort. Was man heute sehr wohl weiß, ist, dass bestimmte Immunzellen vermehrt und andere vermindert sind. Durch Medikamente versucht man dieses Ungleichgewicht zu kompensieren und tatsächlich geht es vielen Patienten danach besser. Das ist wie beim Auto reparieren. Man schraubt die Schrauben wieder fest oder baut neue ein, warum die alte aber herausgefallen ist, weiß man nicht. Der Immunprozess kann sich gegen die Thrombozyten im Blut richten, dann werden die schneller abgebaut. Er kann sich aber auch gegen die Thrombozyten und insbesondere und die thrombozytenbildenden Zellen im Knochenmark richten, dann werden die Thrombozyten schlechter gebildet, also eigentlich genau das Umgekehrte. Deshalb haben einige Patienten eine Thrombozytenbildungsstörung und andere einen vermehrten Thrombozytenabbau. Das sind eigentlich nur zwei verschiedene Seiten einer Medaille.
Tadesse: Es würde schon helfen, wenn die Werte nicht ständig hoch und runter gehen würden. Wie kann man eine Stabilisierung erreichen? Gibt es Erfahrungswerte, wie lange stabile Phasen anhalten, oder ist das immer unterschiedlich?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Viele Patienten sind über ihre schwankenden Werte beunruhigt. Das kann man auch nicht vorhersehen. Jeder Patient ist unterschiedlich. Vielleicht hilft es Ihnen aber, wenn ich sage, die Thrombozytenwerte sind nicht das Allerwichtigste. Viel wichtiger ist doch, ob Ihre Blutungen zum Stehen gekommen sind. Wenn Sie nicht bluten, dann ist es zwar schön, wenn die Werte über 50.000 sind, aber wenn Sie 20.000 oder nur 15.000 sind, dann ist das auch nicht gleich schlecht. Hauptsache, Sie bluten nicht. Bei meinen Patienten mache ich deshalb gar nicht so häufig Blutbildkontrollen. Der Patient ruft mich an, wenn er blutet und wenn er nicht blutet, dann reicht es, wenn ich ihn alle vier oder auch nur alle acht Wochen sehe. Nicht die Zahlen machen einen glücklich, sondern dass man keine Beschwerden mehr hat.
Ajax: Stimmt es, dass der Körper Thrombozyten schneller nachbildet als rote Blutkörperchen?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Oh je, da muss ich jetzt wirklich nachrechnen. Ich glaube, dass es hier wichtiger ist, dass Thrombozyten nur wenige Tage im Körper leben, rote Blutkörperchen aber bis zu drei Monate. Deshalb können Thrombozyten auch stärker schwanken, während rote Blutkörperchen bzw. der Hämoglobinwert sich nur langsam verändert.
Bea Otto: Seit 5 Jahren habe ich einen Lupus und bin damit relativ gut klargekommen. Aber jetzt stürzen die Thrombozyten ab. Mir hat keiner gesagt, dass man darauf aufpassen muss. Offenbar ist das gar nicht so selten. Kann man das dauerhaft wieder in den Griff bekommen, ich frage einfach mal nach Heilung? Oder bekomme ich jetzt eine Krankheit nach der nächsten, wegen diesem verdammten Lupus?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Der Lupus ist wirklich eine verdammte Erkrankung, man kann nämlich so viele verschiedene Symptome haben. Der eine Patient hat nur Hautbeschwerden, beim anderen sind die Gelenke oder auch Nieren, Herz und Blutzellen betroffen. Das konnte aber am Anfang keiner vorhersehen. Die Behandlung des Lupus unterscheidet sich von der Behandlung der ITP. Man gibt häufig auch immunhemmende Medikamente, aber die Dosierung und die Reihenfolge sind unterschiedlich. Das sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen. Ein wichtiger Unterschied ist auch, dass manche Patienten mit Lupus nicht nur niedrige Thrombozyten, sondern auch ein so genanntes Lupus Antikoagulanz haben. Diese Patienten können aufgrund des Lupus Antikoagulanz sogar Thrombosen entwickeln. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob das bei Ihnen untersucht wurde. Wie sich der Lupus in Zukunft entwickelt, ist nicht vorhersehbar. Heutzutage sind die Chancen aber viel besser, als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Es gibt sogar Antikörpertherapien, die sehr wirksam sind. Wenn die traditionellen Medikamente nicht greifen, dann können diese neuen Medikamente erwogen werden. Auch das sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen.
Emisch: Meine Thrombozyten gehen kontinuierlich herunter. Vor 3 Jahren war der Wert noch um die 170.000. Im Augenblick schwanken sie zwischen 120.000 und 90.000. Je nach Labor. Ich habe das immer im Hinterkopf und große Sorge, dass es noch weniger werden. Bin 59 Jahre alt und hatte vor 6 Jahren den Epstein-Barr-Virus. Kann da ein Zusammenhang bestehen?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Das ist eine schwierige Frage. Haben Sie überhaupt eine Immunthrombozytopenie? Könnte es vielleicht etwas ganz anderes sein? Für den Abfall der Thrombozytenzahl gibt es viele Gründe. Ich kann Ihnen nur raten, einen Blutspezialisten (Hämatologen) aufzusuchen. Wahrscheinlich wird man Ihnen eine Knochenmarkpunktion anbieten. Auch eine Lebererkrankung sollte ausgeschlossen werden. Aber auch viele andere Sachen sind möglich. Der Epstein-Barr-Virus ist jedoch eher unwahrscheinlich. Bei den allermeisten Patienten heilt eine Ebstein-Barr-Virus-Infektion in wenigen Wochen bis Monaten aus. Das ist auch genau der Grund, warum ich Ihnen empfehle, einen Hämatologen aufzusuchen. Wahrscheinlich ist es nämlich nicht das Ebstein-Barr-Virus.
Nadja: Gibt es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie Bluthochdruck und Cholesterinsenker, wenn man innerhalb einer Chemotherapie wegen ITP behandelt wird?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Das ist eine sehr schwierige Frage, denn einerseits bekommen Sie eine Chemotherapie (wahrscheinlich für Krebs), andererseits haben Sie eine ITP. Schon allein eine Chemotherapie kann die Thrombozyten abfallen lassen. Wenn Sie jetzt eine ITP noch zusätzlich haben, dann wird die Behandlung viel schwieriger. Ich glaube, dass die Chemotherapie viel mehr Einfluss auf Ihre ITP hat als Cholesterinsenker und Blutdrucktabletten.
Vielleicht habe ich Sie aber auch falsch verstanden und mit dem Wort Chemotherapie meinten Sie eigentlich die Medikamente, die Sie für die ITP bekommen. Das kann man leicht verwechseln. ITP-Medikamente sind eigentlich keine Chemotherapie. Wenn das der Fall ist und Sie eigentlich nur nach den üblichen Wechselwirkungen von Blutdruck- und Cholesterinsenkern mit ITP-Medikamenten fragen, dann möchte ich Sie beruhigen. Wechselwirkungen sind natürlich nicht ausgeschlossen, aber eher selten. Es kommt auch auf das jeweilige Medikament an. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Arzt.
Ferner: Ich habe seit 3 Jahren eine ITP. Bisher konnte meine Milz erhalten werden, aber jetzt ist im Gespräch, sie zu entfernen. Ich wehre mich mit Händen und Füssen dagegen, denn was soll das bringen? Habe das Gefühl mein Arzt verliert das Interesse an mir als Patient. Alle paar Wochen bin ich unter 1.000 Thrombos, dann geht es los mit dem vollen Programm inkl. Cortison. Werte steigen dann, aber es ist ständig jojo. Das macht mich fertig. Meine Familie hält das auch nicht mehr aus. Frage an Prof. Matzdorff warum ist das so und gibt es eine Möglichkeit einen Mittelwert zu erreichen, der stabil bleibt und meine Milz erhält?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Diese Frage wird häufig gestellt. Wenn nach drei Jahren die Thrombozyten niedrig sind, dann fragt der Patient, muss die Milz entfernt werden oder kann die Milz entfernt werden. Das ist nicht das Gleiche. Manche Patienten haben niedrige Thrombozyten, bluten überhaupt nicht und fühlen sich eigentlich gesund. Dann ist es nicht zwingend notwendig, die Milz zu entfernen. Andere Leute haben niedrige Thrombozyten und schon allein der Gedanke, dass sie stark bluten könnten, wird als sehr belastend empfunden. Dann würde ich natürlich eher zu einer Milzentfernung raten. Wenn ein Patient niedrige Thrombozyten hat und ständig blutet, dann würde ich erst recht zu einer Milzentfernung raten, aber nur, wenn die anderen Möglichkeiten ausgereizt sind. Viele Patienten fragen dann, ob sie vor der Milzentfernung nicht die Medikamente Romiplostim und Eltrombopag nehmen sollen und tatsächlich sind diese Medikamente bei vielen Patienten wirksam. Leider übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung nicht immer die Kosten. Die Medikamente Eltrombopag und Romiplostim sind nämlich arzneimittelrechtlich erst nach der Milzentfernung zugelassen. Das ist kein medizinischer Grund, sondern hat mit den hohen Kosten zu tun. Manchmal hilft es, wenn man einen Kostenübernahmeantrag stellt und z. B. bittet, die Kosten dieser Medikamente für ein Jahr zu tragen. Wenn dann die Thrombozyten anspringen, dann ist es häufig so, dass die Krankenkasse auch weiterhin die Kosten trägt. Dies kann aber nur mit Einverständnis der Krankenkasse geschehen und es besteht kein Rechtsanspruch. Manche Patienten fragen dann noch, ob sie diese Medikamente nicht selber bezahlen sollten. Das ist aber sehr teuer.
Justus: Kommt die gesetzliche Krankenkasse (Barmer GEK) erst nach Milzentfernung für NPlate auf? Wenn das so sein sollte warum? Hinterher ist meine Frau doch viel anfälliger für andere Erkrankungen, das kann doch nicht im Sinne der Kasse sein, oder?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Das ist der gleiche Grund wie bei der vorhergehenden Frage. Aufgrund der hohen Kosten wurde vor einigen Jahren bei der Zulassung der Medikamente entschieden, dass man sie zu Lasten der Krankenversicherung erst verordnen darf, wenn auch die Milzentfernung keine Besserung gebracht hat oder wenn eine Milzentfernung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Wir leben nun einmal in einer Versichertengemeinschaft und das Argument, dass die Milzentfernung viel billiger ist als die Kosten für die genannten Medikamente kann nicht einfach übergangen werden. Es ist auch nicht so, dass eine Milzentfernung automatisch und bei jedem Patienten zu Infekten und Komplikationen führt. Dies ist sogar eher die Ausnahme. Letztlich hilft es manchmal, mit dem Sachbearbeiter der Krankenkasse zu sprechen, ob nicht doch für eine bestimmte Zeit diese Medikamente übernommen werden. Verweisen Sie ruhig auf die Erfahrungen in der Schweiz, wo die Verordnung dieser Medikamente vor Milzentfernung möglich ist.
Narkus: Besteht eine Verbindung zwischen ITP und Leukämie?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Nein - zum Glück nicht!
Seele: Meine Schwester kämpft seit Jahren mit schwankenden Thrombozytenwerten. In den letzten Monaten ist es dramatisch schlimm geworden. Sie hat akut kleine Blutblasen im Mund, war stationär, alles sehr belastend. Was bedeutet diese Verschlechterung jetzt? Ist dahinter eine bösartige Blutkrankheit zu vermuten?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Offensichtlich ist die Ursache der schwankenden Thrombozyten noch gar nicht klar. Nehmen wir einmal an, Ihre Schwester hätte tatsächlich eine ITP. Dann bedeuten die zunehmenden Blutungen eine Krankheitsverschlechterung. Dann würde ich unbedingt eine Therapie der ITP beginnen. Eine ITP ist aber keine bösartige Bluterkrankung, in dem Sinne wie eine Leukämie oder ein Blutkrebs. Es ist eine Immunerkrankung. Letztlich sollte jetzt wirklich erst einmal geschaut werden, welche Erkrankung Ihre Schwester hat. Ich wünsche ihr auf jeden Fall alles Gute!
Philipsborn mannheim: Habe seit August 2013 eine ITP, wurde zweimal hochdosiert mit kortison behandelt, leider ohne Erfolg. Musste mir im Juli 2014 die Milz entfernen lassen, da die Krankenkasse Eltrombopac sonst nicht bezahlt. Versuche seit August die Zahl der Thrombos zu stabilisieren, was bisher nicht gelang und ich alle 3-4 Wo bei unter 10000 liege, dann 2 Thrombozytenkonzentrate erhalte, 3Tage 150 mg Kortison nehme plus 50mg Eltrombopag. Die Werte steigen dann innerhalb 1 Wo auf 400000, lassen sich aber nicht stabilisieren. Antikörper sind nachgewiesen. Welche Alternativen gibt es noch?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Unter Eltrombopag können die Thrombozytenwerte schwanken. Das ist nicht ungewöhnlich. Nehmen Sie Eltrombopag auch wirklich nüchtern (drei Stunden vorher nichts essen)? Wichtig ist auch, ob die Blutungen zum Stehen gekommen sind. Wenn Sie nicht bluten, dann würde ich erst versuchen, mit viel Geduld und Eltrombopag eine Einstellung hinzukriegen, bevor ich wieder auf ein anderes Präparat wechsele. Denn letztlich ist Eltrombopag sehr wirksam (400.000 Thrombozyten).
Wenn Eltrombopag wirklich nicht geht, dann stelle ich die Patienten auf Romiplostim (Nplate) um. Manchmal geht das dann besser. Die Kollegen in Mannheim sind sehr erfahren bei der ITP, ich glaube, Sie sind in guten Händen.
Dornenvogel: Eigentlich sagt man doch immer in der Medizin, dass eine Behandlung erst nach Diagnose erfolgen kann. Die Ursache meiner ITP ist nach wie vor unklar, dennoch werde ich als behandlungsbedürftig eingestuft. Das ist ein verdammt schlechtes Gefühl, wenn nicht klar ist, was da wirklich abläuft. Warum ist es so schwer festzustellen, warum mein Rückenmark keine ausreichende Anzahl Thrombozyten produziert.
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Eigentlich haben Sie Recht, erst die Diagnose, dann die Therapie. Sie wollen aber etwas anderes wissen, nämlich die Ursache. Und das ist nicht das Gleiche. Warum bekommt der eine Heuschnupfen, der andere nicht? Die Diagnose ist klar, die letztliche Ursache aber nicht und trotzdem werden wir den Heuschnupfen behandeln. Die Knochenmarkpunktion macht man eigentlich, um andere Erkrankungen, die mit der ITP verwechselt werden können, auszuschließen. Deshalb ist die Knochenmarkpunktion auch sinnvoll, auch wenn sie ein für Sie unbefriedigendes Ergebnis gebracht hat. Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage damit beantworten.
PahlRehagen: Gibt es sowas wie eine vererbbare ITP-Neigung?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Schwierige Frage. Es gibt wohl Familien, wo Immunerkrankungen häufiger auftreten. Da hat der eine Asthma, der andere Schuppenflechte und der Dritte möglicherweise eine ITP. Warum das aber so ist, können wir noch nicht erkennen. Es wäre aber nicht sinnvoll, wenn Sie eine ITP haben und jetzt beunruhigt sind, ob Ihre Kinder oder andere Blutsverwandte auch eine ITP entwickeln können.
Andererseits gibt es sehr seltene erbliche Thrombozytenmangelerkrankungen. Das ist dann keine ITP, sondern hat andere Ursachen und heißt dann natürlich auch anders. Kinderärzte kennen sich mit solchen Erbkrankheiten gut aus.
Barbara: Guten Abend, nach knapp 10 Jahren Mischkollagenose - davon 8 Jahren MTX und 1,5 Jahren Azathioprin, sowie Predinison von 5mg-2,5mg wurde nun eine Thrombozytopenie mit Werten um 8-15 Tsd im Mai festgestellt. Ich sollte das Azahtioprin absetzen - was ich getan habe. Bis jetzt nach 2x Dexamethason Stoßtherapie mit 40mg/4 Tage zwar ein Anstieg der Thrombos aber auch der Abfall 2 Wochen später. Da ich ab Februar lt. Rheumatologe die Dosis von 100 mg Azathioprin auf 75 mg und das Prednisolon von 7 auf 5Tage reduzierte,.....könnte auch die Umstellung auf weniger oder sogar das Azahtioprin für die Thrombozytopenie verantwortlich sein ? Knochenmarkspunktion wurde letzte Woche gemacht, Ergebnis steht noch aus.
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Sie haben keine ITP, sondern, wie gesagt, eine Kollagenose. Die Thrombozytopenie ist ein Symptom dieser Kollagenose. Azahtioprin gibt man bei Immunerkrankungen und insofern halte ich die Therapie für richtig. Bei so einem komplexen Krankheitsbild sollte man aber keine gezielte Beratung über das Internet machen. Die Knochenmarkpunktion war wichtig. Sie soll eigentlich nur zeigen, dass keine andere ernste Erkrankung vorliegt und ich hoffe, dass ist nicht der Fall. Das Ergebnis sollten Sie abwarten.
Wippermann: Wann sind das normale kleine rote Punkte in der Haut, die jeder Mensch hat und wann bezeichnet man sie als Petechienen und sind ein Hinweis für eine ITP? Wie dicht nebeneinander müssen die sein?
Prof. Dr. med. A. Matzdorff:
Viele Menschen haben vereinzelte kleine rote Punkte in der Haut. Das sind kleine Gefäße (der Mediziner spricht von Angiomen) und das ist ganz normal.
Die nehmen eigentlich auch nicht zu oder ab. Wenn ich auf meinen Arm schaue, sehe ich gerade drei kleine am Unterarm. Petechien entwickeln sich, d. h. sie sind nicht schon immer da. Man hat vorher keine und jetzt sind sie da und nicht nur ganz vereinzelt, sondern so, dass es auch einem anderen Menschen auffällt. Zeigen Sie Ihrem Partner Ihr Bein und vergleichen Sie, ob es mehr Blutpunkte sind oder nicht. Petechien sind ungefähr so groß wie eine kleine Stecknadelspitze, eigentlich nicht mehr als einen Millimeter. Manchmal findet man zehn auf der Größe eines Fingernagels, manchmal aber auch nur zehn auf der Größe einer Handfläche. Wenn man die Augen schließt und mit dem Finger da drüber fährt, tastet man keine Auffälligkeiten (Mückenstiche und Verletzungen kann man dagegen tasten). Petechien selber sind ungefährlich. Sie zeigen nur an, dass etwas mit der Gerinnung nicht stimmt. Gefährlicher sind Schleimhautblutungen, Blutungen im Mund, in die Augen, im Darm. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Thrombozyten sehr niedrig sind und man eine Behandlung beginnen muss.
Sibylle: Meine Thrombozytenwerte schwanken ständig und liegen oft zwischen 23.000 und 40.000. Offene Blutungen gibt es nicht aber häufig Hämatome, meist zwischen 10 und 40 Stück hauptsächlich an den Beinen, aber auch Arme, Füße und manchmal der Oberkörper sind betroffen. Wie häufig sollte in so einem Fall das Blut kontrolliert werden
Prof. Dr. med. A. Matzdorff: Wenn die Blutungen schon lange so sind und nicht zunehmen, dann würde ich nur einmal im Monat, vielleicht auch nur einmal alle drei Monate kontrollieren. Wenn sich aber derBlutungscharakter verändert, Blutungen schwerer oder länger werden, dann muss man das Blut kontrollieren und überlegen, ob man an der Behandlung etwas verändert.
Viele Patienten sind über ihre Thrombozytenwerte beunruhigt. Viel wichtiger, als diese Zahlen sind jedoch Ihre Beschwerden. Was können Sie machen, wie häufig müssen Sie wegen Blutungen die Arbeit unterbrechen oder vielleicht sind Sie auch überhaupt nicht gestört. Behandeln Sie nicht die Zahlen, sondern die Symptome. Sie sind der Patient und Sie wissen am besten, wie es Ihnen geht.
Ich danke Ihnen für die vielen interessanten Fragen und die rege Teilnahme an dieser Sprechstunde. Allen Teilnehmern und ihren Angehörigen wünsche ich nun einen angenehmen Abend.
Ende der Sprechstunde.