Multiples Myelom: Behandlungsmöglichkeiten

Dr. med. Hans Salwender
Leitender Oberarzt
Hämatologie, internistische Onkologie und Palliativmedizin

Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1
22763 Hamburg

Tel.: (0 40) 18 18 81 - 0
Fax: (0 40) 18 18 81 - 49 22

info.altona@asklepios.com

www.asklepios.com/altona

Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg

PROTOKOLL

Multiples Myelom: Behandlungsmöglichkeiten

SilvieRieckhoff: Mein Mann ist in der ersten Behandlung. Das geht alles besser, als erwartet. Aber wir machen uns schon Gedanken, was passiert, wenn er einen Rückfall haben sollte. Noch einmal wollen wir nicht so überfallen werden von der Krankheit, wie jetzt beim ersten Mal. Deshalb wollen wir gewappnet sein. Da das MM lokal begrenzt war, besteht noch die Hoffnung auf Heilung. Was aber ist bei einem Rückfall? Geht es dann nur noch um Erhalten des Status Quo?

Dr. med. Hans Salwender: Zunächst einmal sind Sie vorbereitet, da Sie bereits von der Erkrankung Ihres Mannes wissen. Sicherheitshalber erfolgen regelmäßige Laborkontrollen, um einen Rückfall, wenn er denn jemals eintreten sollte, frühzeitig zu erkennen. Die Erstbehandlung hat das Ziel, so lange wie mögliche krankheitsfrei zu bleiben, wenn möglich für immer. Aber auch zum Zeitpunkt des Rückfalls besteht die Hoffnung für mehrere Jahre, die Erkrankung derart im Zaum zu halten, dass Sie an der Erkrankung nicht leiden müssen und hoffentlich auch wenige Begleiterscheinung von der Therapie spüren müssen. Je nach Alter Ihres Mannes ist die Erstbehandlung oftmals eine zeitlich begrenzte Therapie, während die Therapie des Rückfalls praktisch immer eine Dauertherapie ist.

Ignaz57: Was sind die Symptome eines Multiplen Myeloms? Woran merke ich als Patient, dass ich so etwas möglicherweise habe?

Dr. med. Hans Salwender: Die Symptome des Multiple Myeloms sind in der Regel unspezifisch. Sie reichen von Knochenschmerzen über Luftknappheit bei Anstrengung bis hin zu vermehrter Müdigkeit. Aber auch viele andere Symptome können auftreten. Bedenkt man nun, dass Patienten mit einem MM im Durchschnitt 70 Jahre sind, besteht eine große Zahl von Alternativerkrankungen für diese Symptome. Eine Blutarmut aus anderem Grund, degenerative Knochen- und Gelenkbeschwerden, oder eine Herzschwäche sind vermutlich hundert Mal häufiger bei diesen Symptomen. Dennoch sollte man, falls die häufigen Erkrankungen nicht vorliegen, tatsächlich auch an diese doch recht seltene Erkrankung denken.

Sven_Schreiber: Ich weiß, dass die Ursache von Krebs nur teilweise bekannt ist, aber wie entsteht eine Krankheit wie ein Multiples Myelom? Was für Voraussetzungen müssend da genetisch und körperlich sein? Weiß man darüber etwas? Meine Frau war immer sportlich, wie leben kontrolliert aber nicht lustbefreit, also wir trinken auch mal ein Glas Wein und gelegentlich essen wir Pommes an einer Bude. Aber daran kann es ja kaum liegen. Es bleibt ein Rätsel oder hat Dr. Salwender Antworten?

Dr. med. Hans Salwender: Das ist tatsächlich schwer zu beantworten. Persönlich bin ich mir vollkommen sicher, dass es weder am Wein noch am Pommesgenuss liegt. Bei der Entwicklung des Immunsystems unseres Körpers entstehen täglich Fehler. Diese Fehler können zu bösartigen Zellen führen, die anschließend Krebs verursachen. Gleichzeitig haben wir Schutzeinrichtungen, die uns davor schützen sollen, dass wir an diesen "Fehlern" erkranken. Eine Erklärung könnte nun sein, dass diese Fehler sich im Alter häufen und der Schutzmechanismus altert und unzuverlässiger wird. Dies wäre eine Erklärung, warum überwiegend ältere Menschen an einem MM erkranken. Andererseits ist trotz dieser Erklärung das MM eine sehr, sehr seltene Erkrankung, an der pro Jahr nur ca. 5 von 100.000 Menschen erkranken.

Voigt14: Bei den selteneren Krankheiten geht es mit der Forschung nicht so flott voran. Wir denken aber, dass nur darin die Chance liegt. Kann Dr. Salwender sagen, ob er weiß, was bei den Pharmakonzernen in der pipeline ist?

Dr. med. Hans Salwender: Obwohl das MM eine seltene Krankheit ist, ist es m.E. die Krebserkrankung, bei der in den letzten zwei bis drei Jahren die größten Erfolge in der Forschung erzielt wurden. Wir haben z.B: in den letzten wenigen Jahren 6 neue, teilweise vollkommen verschiedene Medikamente an die Hand bekommen, um unsere Patienten zu behandeln. Tatsächlich geht aber trotzdem die Forschung gerade auch beim MM weiter und es ist eine Vielzahl verschiedensten Substanzen in der Pipeline der Pharmakonzerne, wie Sie sagen, die in den nächsten wenigen Jahren vermutlich ebenfalls zugelassen werden können.

ConnyKwak: Wir haben bei einem Freund gesehen, was eine Stammzelltransplantation mit Hochdosistherapie mit dem Menschen macht. Unfassbar. Ein Jahr lang zerreißt es den Patienten. Keiner hat daran gedacht, dass auch unsere Familie vor eine solche Entscheidung gestellt werden könnte. Nun ist die Situation da und mein Vater überlegt, ob er das überhaupt möchte. Was wäre die Alternative beim Multiplen Myeloma?

Dr. med. Hans Salwender: Zunächst einmal muss man unterscheiden, um welche Art der Stammzelltransplantation es sich gehandelt hat. Die üblicherweise eingesetzte autologe Stammzelltransplantation führt in der Regel dazu, dass die Patienten ca. 2,5 - 3 Wochen stationär sind und ein Teil dieser Zeit insbesondere unter Schluckbeschwerden, sowie mehr oder minder starker Übelkeit leiden. Deshalb wird die Behandlung auf einer Spezialstation durchgeführt, die Erfahrung hat mit der Behandlung dieser Begleiterscheinung. Nach der Entlassung ist unterschiedlich lang, teilweise abhängig von der Fitness des Patienten vor der Hochdosistherapie, damit zu rechnen, dass der Patient über zwei bis drei Monate noch schlapp ist. Die ersten Wochen zu Hause können zusätzlich noch von Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme begleitet sein. Dennoch wird diese Therapie heutzutage alles in allem relativ gut vertragen und kann auch besonders fitten Patienten über 70 Jahre empfohlen werden. Wir haben in unserer Abteilung ca. 100 Patienten über 70 Jahre damit behandelt. Somit kann ich nicht bestätigen, dass das von Ihnen Geschilderte der Normalverlauf wäre. Man erspart sich mit dieser Hochdosistherapie oftmals eine jahrelange Cortisontherapie und verzögert das Wiederauftreten der Erkrankung - mit z.B. Knochenschäden und Nierenversagen - um mehrere Jahre. Die Alternative ist eine ambulante Dauertherapie, die kurzfristig gut vertragen wird, aber eben in der Regel längerfristig durchgeführt werden muss. Im direkten Vergleich sind die Patienten mit dieser ambulanten Therapie weniger lange krankheitsfrei. Wir versuchen bei der Aufklärung der Patienten Angehörige mit einzubeziehen.

Padysz: Ich gehe von einem Rückfall (MM) aus, alle Anzeichen deuten darauf hin. Aber ich kann mich dem jetzt nicht stellen und werde das Ganze 2 oder 3 Monate verdrängen. Dennoch geht mir natürlich ständig durch den Kopf, was passiert in dieser Zeit. Zentrale Frage: meine Erste Erkrankung war in 2012 hat sich seither was in der Therapie getan?

Dr. med. Hans Salwender: Die Therapie hat sich seit 2012 grundlegend geändert. So hat sich die Zahl der verfügbaren Substanzen seither mehr als verdoppelt. Wir können heutzutage viel individueller auf die Belange des Patienten und den speziellen Rückfall eingehen. Sollte sich ein Rückfall ankündigen, sollten Sie eher in kurzfristigeren Abständen zur Kontrolle gehen, um Schäden an Knochen und Nieren zu verhindern.

Kokon: Wir waren sehr enttäuscht wegen des schnellen Rückfalls innerhalb von knapp zwei Jahren nach einer SZT. Verschlechtert der schnelle Rückfall die Gesamtprognose?

Dr. med. Hans Salwender: Die Prognose ist hiermit nicht zwangsläufig schlechter. Sie benötigen nur einfach früher eine Rezidivtherapie. Ich selbst hatte z.B. einen Patienten vor ca. 20 Jahren, der ebenfalls nach ca. 2 Jahren einen Rückfall bekam und anschließend trotzdem im Wesentlichen mit einer reinen Tablettentherapie über 10 Jahre behandelt werden konnte, ohne nochmals an der Erkrankung zu leiden. Er verstarb dann leider mit Anfang achtzig an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Natürlich hätte man Ihnen gewünscht, dass die erste Phase der Krankheitsfreiheit lange anhält. Es laufen verschiedene Untersuchungen mit dem Ziel, diese erste krankheitsfreie Zeit zu verlängern. Die Prognose wird eher von Faktoren wie z.B. genetischen Veränderungen beeinflusst.

Rainer2017: Vielleicht erscheint Ihnen meine Frage zu banal: Was ist ein Multiples Myelom eigentlich genau? Viele Menschen hier erscheienn sehr fortgeschritten informiert, weil sie betroffen sind. Aber ich möchte mich hier auch gern informieren. Vielleicht kommt meine Frage ja doch zur Beantwortung?

Dr. med. Hans Salwender: Die Frage ist überhaupt nicht banal. Viele Patienten oder Ärzte sprechen hierbei von Knochenkrebs oder Leukämie. Richtiger ist, dass es sich um eine Erkrankung des Immunsystems handelt, die zu einem Immundefekt führt. Deshalb besteht hierbei das große Risiko, an einer Infektion zu versterben. Die bekannteren Probleme bei dieser Erkrankung entstehen dadurch, dass der betroffene Teil des Immunsystems im Knochenmark ansässig ist, sich dort ausbreitet und die Blutbildung unterdrückt, bei weiterer Entwicklung aus dem Knochenmark heraus den Knochen auflöst und zu Knochenbrüchen führen kann, sowie darüberhinaus durch die Bildung bestimmter Eiweiße einen Nierenschaden verursachen kann. Das eigentliche Problem der Erkrankung - den Immundefekt - könnte man grundsätzlich durch einen frühzeitigen Einsatz von Antibiotika behandeln. Kommt es aber zu diesen Parallelschäden an Blutbildung, Knochen oder Nieren, muss man mit verschiedenen Medikamenten, teilweise Chemotherapie, die Erkrankung so weit zurückdrängen, dass sie keinen Schaden mehr anrichten kann.

Goslar: Meine Mutter hatte schon länger Blutveränderungen, aber als die Diagnose kam, war das eine heftige Keule. Wir hatten die Möglichkeit immer erfolgreich verdrängt. Meine Schwester und ich haben dann recherchiert, uns eingelesen bis hin zu amerikanischen Studien. Dem behandelnden Arzt an unserer Uni-Klinik hat das überhaupt nicht gefallen. Wir hatten viele Fragen, die auch nicht so gut ankamen. Am Ende hieß es: Die seitens des Onkologen vorgeschlagene Hochdosis-Therapie sei der zertifizierte Standard. Auf die Möglichkeit einer Stammzelltherapie ging er nicht ein. Ist das evtl. der zweite Schritt bei einem Rückfall? Sollen wir eine Zweitmeinung einholen?

Dr. med. Hans Salwender: Die wichtigsten Studien zur Hochdosistherapie stammen aus Europa, einige hiervon aus Deutschland. Die Strammzelltransplantation gibt es in zwei Formen: Die sogen. autologe Transplantation, bzw. Eigentransplantation und die allogene Transplantation, bzw. Fremdspendertransplantation. Bei der autologen Transplantation wird nichts anderes getan, als die Blutbildung des Patienten "in Sicherheit" gebracht. Dies ist notwendig, da durch die Hochdosistherapie nicht nur das MM behandelt wird, sondern als Begleitproblem die Blutbildung zerstört wird. D.h. die autologe, bzw. Eigentransplantation dient nur dem Zweck, die Hochdosistherapie zu ermöglichen. D.h. keine Hochdosistherapie ohne autologe Stamzelltransplantation. Nicht entweder oder. Ganz anders ist es bei der Fremdspendertransplantation. Hierbei wird, meist auch zusammen mit einer Chemotherapie, ein fremdes Immunsystem auf den Patienten übertragen, mit dem Ziel, dass dieses fremde Immunsystem zusätzlich die Erkrankung bekämpfen soll. Diese Fremdspendertransplantation ist allerdings deutlich riskanter, als die Eigentransplantation und wird deshalb außerhalb von Studien bei der Erstbehandlung nicht mehr empfohlen. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Fragen nochmals an Ihren Onkologen.

Gitte_Haser: Ich beginne nächste Woche mit Bestrahlung. Man hat mir gesagt, dass das schmerzhaft sein könnte, aber nur beim ersten Mal. Warum ist das so?

Dr. med. Hans Salwender: Leider bin ich kein Facharzt für Strahlentherapie. Deshalb möchte ich Sie bitten, sich zusätzlich mit Fragen hierzu direkt an Ihren Strahlentherapeuten zu wenden. M.W. kommt es allenfalls zu Rötungen und Entzündungen am Ort der Bestrahlung, bzw. an Schleimhäuten, wenn diese im Strahlenfeld liegen. Dass es, insbesondere bei der ersten Bestrahlung zu Schmerzen kommen sollte, war mir bisher nicht bekannt.

Monika Arndt: Nach einer Stammzelltransplant vor 2 Jahren hat mein Vater jetzt seine erste größere Infektion. Eine Bronchitis. Davor ist er immer gewarnt worden. Wie gefährlich ist die wirklich für ihn?

Dr. med. Hans Salwender: Dies ist sehr schwierig hier per Internet zu beantworten. Bei einer Reihe von Patienten hat sich zwei Jahre nach einer Stammzelltransplantation das Immunsystem zum Großteil wieder erholt. Leider kann ich nicht beurteilen, wie dies bei Ihrem Vater ist. Eine Bronchitis, insbesondere wenn sich dahinter eine Lungenentzündung verbergen könnte, ist insbesondere gefährlich, wenn begleitend Fieber auftritt und beim Husten gelber oder grüner Auswurf besteht. Aber, wie gesagt, eine Beurteilung allein über das Internet ist nicht empfehlenswert.

vergen_hamburg: Was ist KYPROLIS? Das scheint eine Neuheit zu sein. Wann wird diese Behandlung beim Multiplen Myelom eingesetzt?

Dr. med. Hans Salwender: Kyprolis ist ein neuartiges Medikament zur Behandlung des Multiplen Myeloms. Es ist dem Bortezomib, welches wir bereits seit über 10 Jahren einsetzen, ähnlich. Die beim Bortezomib auftretenden Nervschäden treten bei Kyprolis nicht auf. Es ist in der Handhabung etwas aufwändiger, da die Therapie zwei Mal pro Woche als Infusion erfolgen muss. Das Hauptproblem besteht darin, dass es bisher nur für die Behandlung des Rückfalls zugelassen ist. Möglicherweise wird sich dies in Zukunft ändern.

Wolfkrüger: Von der Stammzelltransplantation weiß ich, dass es besonders gefährlich ist, wenn danach Fieber auftritt. Das ist jetzt bei meinem Bruder eingetreten und führt zu erheblichen Komplikationen. Wird damit der angestrebte Erfolg zunichte gemacht? Alle unsere Hoffnungen beruhen darauf.

Dr. med. Hans Salwender: In der Phase nach der Stammzellrückgabe ist das Immunsystem stark geschwächt. Deshalb erfolgt diese Behandlung auf einer Spezialstation. Es tritt hierbei regelmäßig Fieber bei den Patienten auf. Durch den raschen Einsatz eines hochwirksamen Antibiotikums lässt sich das Fieber meist innerhalb weniger Tage beherrschen. Oftmals findet man nicht einmal einen Infektionsherd, da es verschiedene, auch nicht-infektiöse, Gründe für Fieber in dieser Phase gibt. Dass sich eine schwerwiegende Infektion entwickelt und der Patient möglicherweise auf der Intensivstation betreut werden muss, ist heutzutage gottlob selten geworden. Durch das alleinige Auftreten von Fieber in dieser Phase wird der angestrebte Erfolg nicht per se zunichte gemacht. Der Behandlungserfolg wird im Gegenteil erst Wochen und Monate nach der Entlassung aus dem Krankenhaus vollständig sichtbar.

Hendrik.Gavrik: Ist im StadiumIIB die Hochdosistherapie die beste Behandlung? Muss derart heftig behandelt werden mit allen dranhängenden Belastungen, die auf meinen Bruder zukommen? Oder gibt es eine schonendere Therapie, mit gleicher Effektivität?

Dr. med. Hans Salwender: Ich glaube, die Hochdosistherapie und autologe Transplantation (im Gegensatz zur allogenen Fremspender-Transplantation) ist weit weniger gefährlich, als Sie glauben. Dies hängt natürlich stark vom Alter und der Fittness des Patienten ab. Bei Patienten im Stadium IIB, d.h. mit eingeschränkter Nierenfunktion gilt es rasch eine Verbesserung der Nierenfunktion herbeizuführen und die Erkrankung derart nachhaltig zu behandeln, dass eine weitere Nierenschädigung vermieden wird. Die m.E. beste Therapie in dieser Situation ist eine Vorbehandlung mit Bortezomib, gefolgt von einer Hochdosistherapie. Die Alternative wäre eine langfristige Cortison-Dauertherapie mit erhöhtem Risiko für die Nierenfunktion.

Kutter: Blutuntersuchungen sind im Verhältnis preiswert und sehr aufschlussreich. Warum macht man bei Menschen über 60 Jahre nicht einmal im Jahr eine entsprechende Blutuntersuchung, um das Blut auf krebsartige Veränderungen zu untersuchen? Welche Blut- und Urinuntersuchungen sind erforderlich, um Veränderungen in Richtung Leukämie und multiples Myelom feststellen zu können? Gibt es da Marker?

Dr. med. Hans Salwender: Die Blutuntersuchung ist möglicherweise pro Patient relativ preiswert. Bedenkt man aber, dass das Multiple Myelom nur mit einer Häufigkeit von 5 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr auftritt, müsste man sehr, sehr viele Untersuchungen durchführen, die in der Summe teuer sind. Davon abgesehen ist eine Erhöhung bestimmter Eiweiße, die ein Hinweis auf ein Multiples Myelom  sein können in der älteren Bevölkerung nicht so selten, sondern tritt mit etwa 5% auf. Um nun zu unterscheiden, ob ein Patient - der möglicherweise komplett beschwerdefrei ist - mit solch einer Eiweißerhöhung ein Multiples Myelom hat, müsste man bei diesen Patienten zumindest Kontrollen durchführen, evtl. sogar die Knochen röntgen, oder eine Knochenmarkpunktion durchführen. Das Problem ist darüberhinaus, dass wenn solch eine Eiweißerhöhung entdeckt wird, es nicht ausgeschlossen ist, dass sich in den nächsten Jahren daraus ein Multiples Myelom entwickelt. Das Risiko für die Entwicklung eines Multiples Myeloms ist bei erhöhtem monoklonalem Eiweiß etwa 1% pro Jahr. D.h. Tausende von Menschen wären Jahr für Jahr in Sorge, ob sich vielleicht ein Multiples Myelom entwickelt haben könnte. Das Problem ist, dass selbst bei einer frühzeitigen Entdeckung des Multiples Myeloms eine Therapie nicht unbedingt einen Vorteil haben muss. Unsere Empfehlung ist deshalb, solche Untersuchungen nur aufgrund eines bestimmten Verdachtes durchzuführen, z.B. bei Knochenbeschwerden, die nicht anders zu erklären sind, oder bei einer Blutarmut, bzw. bei Einschränkung der Nierenfunktion. Dann sollte eine sogen. Eiweißeletrophorese und die Bestimmung der Leichtketten im Blut erfolgen. Für einen Großteil der Multiples Myelom-Patienten wäre sogar als erster Schritt die Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit ausreichend.

Intruder: Bei meinem besten Freund wurde vor 4 Jahren ein Multiples Myelom diagnostiziert. Dann Chemo usw. Jetzt ein Rückfall. Ich habe mich durch das Internet gearbeitet, um zusätzliche Informationen zusammenzutragen zur Behandlung vom Multiplen Myelom. Auffallend ist für mich, dass es offenbar Therapien gibt, die auf seriösen Seiten propagiert werden, für die es aber noch keine ausreichenden Studien-Ergebnisse gibt. Ist der Einsatz überhaupt erlaubt? Kann man sich dem aussetzen? Bin gerade ganz stark verunsichert.

Dr. med. Hans Salwender: Die Entwicklung neuer Therapien beim Multiples Myelom ist tatsächlich stark im Fluß. Da die Hälfte der Patienten heutzutage die Chance hat, ca. 10 Jahre und länger zu leben, müsste man um einen Unterschied im Gesamtüberleben zu sehen, sehr, sehr lange warten. Aus statistischer Sicht haben Sie vollkommen Recht, dass einige dieser Daten noch zu unreif sind. Andererseits wollen die Experten extrem erfolgversprechende Ergebnisse nicht jahrelang für sich behalten. In Deutschland erfolgt eine Zulassung der Medikamente, wenn zumindest die krankheitsfreie Zeit mit einer neuen Therapie gegenüber der herkömmlichen Therapie mit ausreichender statistischer Sicherheit belegt ist. D.h. die in Deutschland zugelassenen Therapien haben ihre Wirksamkeit auch ausreichend unter Beweis gestellt. Dies ist z.B. in den USA nicht immer so. Die Studiendaten werden aber auch nach der Zulassung der Medikamente weiter aktualisiert bzw. beobachtet, um zu belegen, dass der Nutzen der Medikamente auch bei längerer Beobachtung bestehen bleibt. M.E. kann man die in Deutschland zugelassenen Medikamente für das Multiples Myelom guten Gewissens einsetzen.



Ende der Sprechstunde.