Prostatakrebs – Wenn die Hormontherapie nicht mehr wirkt

UrologischeGemeinschaftspraxis
Derouet/Pönicke/Becker
Dr. med. Frank Becker
Facharzt für Urologie / Chefarzt (Kollegialsystem)
 
Zentrum am Boxberg
Boxbergweg 3
66538 Neunkirchen

Tel.: 06821-26121
Fax: 06821-26269

Urologie.neunkirchen@icloud.com

www.urologie-neunkirchen.de
 

Medikamentöse Tumortherapie (Uro-Onkologie):
 i.v. & orale Chemotherapie (ambulant/stationär)


Operative Urologie

ambulant (Zentrum am Boxberg)

stationär
- Belegarztabteilung Städtisches Klinikum Neunkirchen
- Hauptfachabteilung Knappschaftskrankenhaus Sulzbach
 

Andrologie
 
Spezielle Harnsteintherapie

PROTOKOLL

Prostatakrebs – Wenn die Hormontherapie nicht mehr wirkt

Flo_Gehrs: Kann man wirklich sicher messen, ob die aktuelle Behandlung wirksam ist? Was sind die Messeinheiten? Womit wird das verglichen?

Dr. med. Frank Becker: Bei einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom wird während der Behandlung regelmäßig überprüft, ob diese anspricht. In der Regel wird der PSA-Wert gemessen. Allerdings gibt es noch weitere Faktoren, die die Beurteilung der Behandlung vorhersagen. Diese sind z. B. weitere Blutwerte (so genannte weiche Tumormarker), aber auch regelmäßige bildgebende Untersuchungen, wie z. B. die Computertomographie oder Knochenszintigraphie. Hiermit kann man in regelmäßigen Abständen feststellen, ob die Behandlung anspricht, bzw. ob sich etwas unter  der Therapie verändert.

Gedack: Worin besteht der Unterschied einer sogen. zielgerichteten Therapie im Vergleich zu herkömmlichen Therapien? Die waren doch auch gut, aber allein der Name der neuen Therapieform spricht mich an. Wie wird darüber entschieden, wann ich das bekomme. Habe hormonunabhängiges Karzinom. Wenn ich meinen Arzt darauf ansprechen, flippt der dann innerlich aus? Wie neu ist das alles? Sehr interessant, was ich bisher in dieser Sprechstunde insgesamt erfahre.

Dr. med. Frank Becker: Bisher gab es in der Therapie in diesem Stadium in der Regel Chemotherapien, die sich allerdings als sehr wirksam erwiesen haben. Diese von Ihnen angesprochenen zielgerichteten Therapieformen wirken erneut über den Hormonweg und sprechen ebenfalls gut an. Sie sind in der Regel als Tablette einzunehmen, jedoch verdrängen sie  die bisherige Chemotherapie nicht, sondern sind als eine der jetzt zugelassenen vielen Substanzen in der Sequenz anzusehen. Als Entscheidung, welches Medikament in welcher Situation bzw. in welcher Reihenfolge angewandt werden sollte, dienen verschiedene Faktoren, die der behandelnde Arzt zusammentragen muss und individuell entscheiden soll, welches Medikament am sinnvollsten ist. Diese Substanzen sind seit 2011 in Deutschland offiziell eingeführt worden. Es gibt derzeit eine Zulassungserweiterungen, die im Laufe der Zeit hinzugekommen sind, so dass man die beiden Substanzen (Abiraterone und Enzalutamid) bereits in verschiedenen Situationen anwenden kann. D. h. vor oder nach einer Chemotherapie mit Docetaxel. Ein weiteres Chemotherapeutikum (Cabazitaxel) ist ebenfalls seit 2011 für eine Chemotherapie nach einer Docetaxel Chemotherapie zugelassen.

Neuenthaler: Für wen sind Seeds geeignet? Mein Bruder ist 66 und seine Prostata-Krebserkrankung wurde bei einer Routineuntersuchung entdeckt. Das hat schon seinen Sinn, dahinzugehen. Es wäre natürlich schön, wenn er nicht operiert werden müsste.

Dr. med. Frank Becker: Die so genannte Seed-Therapie ist eine kurative Therapieform, also ein Versuch, vom Prostatakarzinom zu heilen. Hierbei werden strahlende Partikel in die Prostata implantiert, so dass die Krebszellen - und somit die ganze Prostata - von Innen heraus bestrahlt wird. Somit handelt es sich um eine Therapieform, ähnlich wie die Radikaloperation, die vor einer Hormontherapie genutzt wird. Die Hormontherapie stellt eine palliative Therapieform dar. Hier wird ein Herauszögern des Fortschrittes der Krebserkrankung herbeigeführt. Die Seed-Therapie ist in bestimmten Situationen eine Alternative zu den anderen kurativen Therapieformen, wie die radikale Prostatektomie, die Bestrahlung von Außen (perkutane Bestrahlung) und die aktive Überwachungsstrategie (so genannte active Surveillance). Es gibt bestimmte Kriterien, die der Patient bzw. das Karzinom aufweisen sollte, damit diese Therapien sinnvoll im Einzelfall für den Patienten angewandt werden.

Debler: Macht die Einlagerung von radioaktivem Material in die Prostata auch impotent?

Dr. med. Frank Becker: Sie sprechen die oben genannte Seed-Therapie an. Hier wird - wie Sie schon erwähnten - radioaktives Material in die Prostata implantiert, welches die Prostata von Innen bestrahlt und somit die Krebszellen zerstören soll. Prinzipiell birgt jedes dieser oben genannten Verfahren die Gefahr einer bestehenden Impotenz. Inwieweit und wie schnell sich diese Impotenz entwickelt, ist individuell unterschiedlich, hängt von der Art der Methode und deren Radikalität ab. So kann sich z. B. eine Impotenz auch ein Jahr nach  der Bestrahlung erst langsam entwickeln.

Grotevent: OP und Bestrahlung liegen hinter mir. Anti Hormontherapie ist auslaufen. Es soll ein Therapieumstieg folgen in Richtung Chemo. Nach meiner Information ist eine Chemotherapie aber nur bei schnell teilenden Zellen sinnvoll. Prostatakrebs entwickelt sich aber langsamer. Ich möchte keinesfalls einer derart eingreifenden Behandlung zustimmen, die keinen besonders hohen Erfolg verspricht. Ich hätte gern einen Vorschlag von Dr. Becker. Vielen Dank dafür.

Dr. med. Frank Becker: Wenn eine Hormontherapie nicht mehr adäquat wirkt, d. h. der PSA-Wert steigt und Metastasen werden neuerdings nachgewiesen oder eine Symptomatik entsteht durch die Erkrankung (z. B. Knochenschmerzen bei Metastasen), steht man vor der Entscheidung, zusätzlich zur so genannten Androgenentzugtherapie (der allgemeine Hormonentzug, z. B. durch Drei-Monats-Spritzen) eine weiterführende Therapie einzuleiten. Hier entscheidet der behandelnde Arzt mit dem Patienten anhand verschiedener Faktoren, ob man in dieser Situation eher eine Chemotherapie beginnt, in diesem Fall mit Docetaxel, oder vor einer Chemotherapie eventuell noch eine so genannte antihormonelle Therapie mit den neuen oralen Substanzen (Abiraterone oder Enzalutamid) beginnt. Es gibt bestimmte Faktoren bzw. Situationen, in denen es Hinweise gibt, dass z. B. eine frühe Chemotherapie sinnvoll erscheint (z. B. bei starker Symptomatik oder aggressivem Tumorwachstum). Andererseits sind Situationen, in denen wenig oder keine Symptomatik vorliegt oder eine langsam fortschreitende Erkrankung nachweislich ist, ein Hinweis, hier eventuell eines dieser antihormonellen Medikamente einzusetzen.

Halifax: Die Medizin spezialisiert sich immer weiter bis in wirklich kleine Detailbereiche. Bei Prostatakrebs kommt es offenbar auf eine ganz fein ausdifferenzierte pathologische Beurteilung an. Als Patienten weiß ich aber nicht, ob meine Stanze nicht zu irgendeinem Pathologen geschickt wird, der auch alles andere macht. Bisher traue ich mich nicht mit meinem Urologen darüber zu reden, aber ich finde mein Argument wichtig. Wie kann ich sicherstellen, dass nur ein hochspezialisierter Pathologe meine Biopsie beurteilt?

Dr. med. Frank Becker: Prinzipiell gehört die Beurteilung einer Prostatastanze zum Repertoire des Pathologen. Diese wird anhand der Veränderungen der Zellen nach Gleason eingeteilt. In der Regel arbeiten die die Stanzbiopsie durchführenden Urologen meist mit versierten Pathologen zusammen, die auch bei etwaigen Unklarheiten die Stanzbiopsate zu Referenzpathologen schicken (hier wird oftmals auch eine Art Zweitmeinung eingeholt).

Sie sollten mit Ihrem Pathologen über diese Unklarheit im Vorfeld reden. Prinzipiell gibt es immer die Möglichkeit, bei Unklarheiten bei der Stanzbiopsie eine Zweitmeinung einzuholen.

Pölck: Warum kann man den inneren Schließmuskel in der Blase nicht erhalten bei einer Prostataentfernung?

Dr. med. Frank Becker: In der Regel liegt der innere Schließmuskel am Auslass der Blase in die Prostata, also der Übergang von Blase zu Prostata. Dieser so genannte innere Schließmuskel ist allerdings nicht für die Kontinenz zuständig und wird bei der so genannten Prostatahobelung, aber auch bei  der radikalen Prostatektomie automatisch mit entfernt.

Julle: Wie lange nach einer OP kann die volle Kontinenz noch wieder hergestellt werden.

Dr. med. Frank Becker: Nach der radikalen Prostatektomie (der kompletten Entfernung der Prostata bei Prostatakrebs) muss die Kontinenz nach der Operation neu erlernt werden, da sich die Anatomie nach der Operation verändert hat. Dies kann, je nach Gewebsbeschaffenheit, unterschiedlich lange dauern. In der Regel geht man davon aus, dass der Zustand etwa ein Jahr nach der Operation der endgültige Kontinenz-Zustand sein sollte.

Choi: Ist eine Kombinationstherapie mit Kinase-Hemmern und Zytostatika auf der Höhe der Zeit? Wie ist die Langzeitwirkung für eine metastasierte, hormonunabhängige Prostata-Krebserkrankung?

Dr. med. Frank Becker: Die aktuelle Behandlungsstrategie im metastasierten kastrationsresistenten Stadium basiert in einer Sequenztherapie, die mit diversen Zytostatika und antihormonellen Medikamenten bestritten wird. Parallel hierzu gibt es derzeit noch die Möglichkeit einer Alpha-Strahler-Therapie, die einen anderen Behandlungsansatz verfolgt. Derzeit wird in Studien getestet, ob eine parallele Kombination mit diesen Substanzen (also mehrere auf einmal zusammen) Sinn macht, oder ob die unerwünschten Wirkungen in einer solchen Kombination zu hoch sind bzw. kein Überlebensvorteil durch eine Kombination nachgewiesen werden kann. Die Langzeitwirkung des jeweiligen Medikamentes, ebenso wie das Ansprechen, ist individuell unterschiedlich. Die gesamte Langzeitwirkung oder auch Ansprechen bzw. progressionsfreies Überleben, addiert sich mit jeder neuen Sequenz dazu.

Haling: Mit der 3,5 Jahre dauernden Hormontherapie kam ich ganz gut klar. Ich war arbeitsfähig, was ja schon mal ganz wichtig ist. Als die Wirkung nachließ, dann die Umstellung auf Taxotere. Komme ich auch mit klar, aber meine Blutwerte haben sich total verändert und nachdem ich jetzt länger dabei bin führt das zu Dauermüdigkeit bis zu Erschöpfung. Am Abend bin ich komplett platt und krieche auf allen Vieren in mein Bett. Ist das normal? Ich würde trotzdem die Therapie gern beibehalten.

Dr. med. Frank Becker: Sie sprechen das so genannte Fatique-Syndrom an, welches bei allen der oben angesprochenen Therapieformen möglicherweise eintreten kann. Hierzu gehört eine Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Einschränkung der allgemeinen Belastbarkeit. Ihr behandelnder Arzt wird dennoch überprüfen, ob z. B. der Hämoglobinwert (roter Blutfarbstoff) während der Chemotherapie nicht abfällt. Dies kann eventuell auch zu solchen Symptomen führen. Eine Veränderung der Blutwerte kann sich sowohl bei der Chemotherapie als auch bei den neuen antihormonellen Substanzen jederzeit verändern und wird regelmäßig überprüft. Wenn die bisherige Therapie anspricht und die unerwünschten Wirkungen (z. B. das Ausmaß des Fatique-Syndroms) für den Patienten akzeptabel sind, sollte die Therapie - so lange sie wirksam ist - beibehalten werden. Zur Vermeidung bzw. Verbesserung des Fatique-Syndroms gibt es die Möglichkeit, mit allgemeinen Maßnahmen, wie z. B. körperliche Aktivität, entgegenzuwirken. Dies sollten Sie mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.

Cem: Ich bin noch in der Hormontherapie habe aber Angst, wenn die nicht mehr wirkt. Das hatte mein Arzt von Anfang an angekündigt, um mich darauf vorzubereiten. Er sagte auch es geht weiter. Das war vor 3 Jahren. Wie ist die Entwicklung nach der Hormontherapie, wie lange wirkt dann die Folgebehandlung? Diese Endlichkeit verunsichert mich sehr.

Dr. med. Frank Becker: Die Dauer der Wirksamkeit der Hormontherapie ist bei jedem Patienten unterschiedlich lang. Dies hängt zum Einen von den Vortherapien zusammen (z. B. ob eine Prostataentfernung zuvor erfolgte) aber auch mit der Situation, bei der die Erkrankung festgestellt worden ist. Wenn sich z. B. hier ein aggressiver Tumor  gezeigt hat, bzw. das Tumorwachstum und das Ausmaß der Streuung der Tumorzellen groß war, gibt es Hinweise, dass eine Hormontherapie kürzer anspricht, als bei einem Patienten, der ein weniger aggressives Karzinom hat, welches eventuell bei Diagnosestellung nicht soweit fortgeschritten ist. Die Folgetherapie bzw. die verschiedenen folgenden Therapiesequenzen dauern ebenso unterschiedlich lang und sind nicht genau vorhersagbar. Wenn diese allerdings ansprechen, verlängern sie den Verlauf der Erkrankung. Hier kann man mit diesen angesprochenen Sequenzen eine deutliche Verlängerung der Lebenszeit herbeiführen. Anhand des Tumorverlaufes bzw. der Aggressivität des Karzinoms und der Geschwindigkeit des Fortschreitens der Erkrankung kann man Rückschlüsse erhalten, wie lang eine Therapieform anspricht.

Abraham: Gibt es neue Therapiemöglichkeiten für das hormonrefraktäre Prostatakarzinom?

Dr. med. Frank Becker: Die bereits oben angesprochenen Substanzen sind seit 2011 verfügbar, die Chemotherapie mit Docetaxel gibt es allerdings schon länger. Die Anwendung der Substanzen hat sich im Laufe der letzten Jahre allerdings verschoben und es gibt Anwendungserweiterungen. D. h. antihormonelle Therapie mit Abiraterone und Enzalutamid kann bereits vor der Chemotherapie angewandt werden, somit sind Zulassungserweiterungen vorhanden. Zusätzlich gibt es das Alpharadin (Xofigo), welches einen ganz anderen Wirkmechanismus besitzt und über eine Bestrahlung der Metastasen (es sollten hier nur symptomatische Knochenmetastasen vorliegen) wirkt. In anderen Ländern, vornehmlich den USA verfügbar und auch zugelassen, ist eine Immunisierungstherapie vielversprechend. Mittels Aktivierung des körpereigenen Immunsystems - ähnlich wie eine Impfung - wird hier gegen Prostatakrebszellen vorgegangen. Eine weitere Chemotherapie ist nach nicht mehr wirksamer Docetaxel-Therapie verfügbar. Mittels Cabazitaxel (Jevtana) kann hier noch ein Ansprechen der Tumorzellen - selbst wenn Docetaxel nicht mehr wirkt - erzielt werden.

Göller: Auf Operation und Bestrahlung folgten zwei Jahre lang eine dreifache Hormonbehandlung die den PSA-Wert unten hielt, da wo er hingehört. Dann war Schluss. Wie gut ist die nächste Therapiestufe? Wie lange hält die?

Dr. med. Frank Becker: Für die Wahl der nächsten Therapiemodalität ist der weitere Verlauf ausschlaggebend. Wenn Metastasen vorliegen und nachgewiesen werden, wird anhand verschiedener Kriterien entschieden, ob in dieser Situation eher Chemotherapie (in der Regel mit Docetaxel) oder eine orale antihormonelle Therapie, z. B. Abiraterone oder Enzalutamid, sinnvoll sind. Entscheidungskriterien, die hierbei herangezogen werden und mit den Patienten als Auswahlkriterien besprochen werden, sind z. B. das Vorhandensein von Symptomen bzw. das Ausmaß der Symptome, das Vorliegen von so genannten viszeralen Metastasen (Organabsiedelungen z. B. in Leber oder Lunge), die Dauer des Ansprechens der Hormonbehandlung, der PSA-Wert und der PSA-Verlauf sowie der Gleason-Score des Tumors. Anhand dieser Faktoren gibt es derzeit allerdings nur retrospektive Analysen, die den Therapeut zusammen mit dem Patienten entscheiden lassen, welche Therapie in der individuellen Situation sinnvoll ist. Die Dauer der Therapie ist unterschiedlich und hängt von dem Ansprechen ab und auch - so vermutet man - von der Wahl der aufeinanderfolgenden Sequenz der verschiedenen Medikamente.

Zechlin: Fünf Jahre sind immer so eine magische Größe an der sich mein Vater und die Familie festgehalten hatten. Nach 5 Jahren und vier Monaten war dann der Traum vorbei. Klar ist: Die hormonelle Therapie entfaltet nicht mehr die volle Wirkung. Ich weiß, jetzt kann es weitergehen mit einer anderen Behandlung, aber woher soll ich meine Zuversicht nehmen? Die ist erneut nachhaltig erschüttert.

Dr. med. Frank Becker: Auch, wenn die hormonelle Therapie nicht mehr die volle Wirkung erzielt und der PSA-Wert steigt, eventuell auch bereits Metastasen vorliegen, sollte diese dauerhaft weitergeführt werden, da es Hinweise gibt, dass ein Teil der Tumorzellen trotzdem weiterhin auf diese Therapie ansprechen. Für die anderen so genannten operationsresistenten Zellen gibt es - wie angesprochen - andere weiterführende Therapieformen, die ebenfalls gute Ansprechraten zeigen. Ebenso vielversprechend ist die Verträglichkeit dieser Substanzen. So kann man durch eine Aneinanderreihung und teilweise auch Kombination von verschiedenen Verfahren weiterhin das Fortschreiten der Erkrankung hinauszögern.

Wenzien: Wenn so was in der Familie auftritt und man langsam lernt damit umzugehen, befasst man sich ja auch inhaltlich damit. Mir war vorher nie klar, wie unterschiedlich die einzelnen Krebsarten sind. Ich konnte überhaupt nichts damit anfangen, dass mein fitter Opa zwar Prostatakrebs haben soll, aber erst mal nichts unternommen wird. Das ging sogar mehrere Jahre so. Inzwischen ist er durch mehrere Stufen durch und in einer Hormontherapie von der wir wissen, dass sie vielleicht bald vorbei sein soll. Wie lange geht dann die antihormonelle Therapie? Und kommt dann danach auch noch was?

Dr. med. Frank Becker: Die Vorhersage des Ansprechens von Therapien ist äußerst schwierig und individuell unterschiedlich. Wenn eine Therapie anspricht, verlängert sie die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung. Alternativ zur antihormonellen Therapie - und hier sind verschiedene Faktoren für die Wahl des Medikamentes ausschlaggebend (siehe oben) - ist die Durchführung einer Chemotherapie auch im hohen Alter möglich und oftmals besser verträglich, als sich der Patient das vorstellt. Einen Versuch sollte es demnach wert sein und für mögliche unerwünschte Wirkungen unter der Chemotherapie gibt es derzeit gute so genannte Supportiv-Medikamente, die diese unerwünschten Wirkungen unterdrücken oder nur gering auftreten lassen. So kann auch nach einer antihormonellen Therapie eine Chemotherapie noch ein gutes Ansprechen erzielen.

Frau Seidel: Sehr geehrter Herr Dr. Becker, mein Vater mit 74 Jahren hat seit Juni 2014 Prostatakrebs G2, Gleasen ungünstige 4+3=7, Ausbreitungsdiagnostik ergab derzeit keine Metastasen, was hoffentlich den Tumor nur auf das Organ beschränkt. Er bekam Strahlentherapie, leider Nebenwirkung Harnverhalt und schon während der Bestrahlung 20 Wochen Dauerkatheter, im März 2015 TUR-P durchgeführt mit Erfolg, außerdem seit Juni 2014 die Hormontherapie mit Leuprone Depotatspritze für jeweils für 3 Monate. Meine Fragen: 1. Wie lange oder besser wieviel Jahre kann Leuprone gegen diesen Krebs wirken und somit Metastasierung usw. stoppen und was kann man bei Aussetzen der Wirkung therapeutisch weiter tun? 2. Durch die Bestrahlung wurde Tumorgewebe hoffentlich vollständig zerstört sowie gesundes Gewebe in Bindegewebe umgewandelt. Wie hoch ist die Gefahr, dass durch die TUR-P eine Streuung nicht zerstörter Tumorzellen stattfindet bzw. kann davon ausgegangen werden, dass die Bestrahlung wirklich alle Tumorzellen vernichtet hat? Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen.

Dr. med. Frank Becker: In diesem Fall wurde die Strahlentherapie vermutlich als kurative Option durchgeführt. Oft wird hierzu parallel oder in Kombination eine Hormontherapie mit durchgeführt, da dies in Kombination bessere Ergebnisse mit sich bringt, konkreter die Heilungschance hierdurch höher sein kann. Somit kann es sein, dass nach einer gewissen Zeit die Hormontherapie gestoppt wird und nur noch PSA kontrolliert wird. Falls der PSA hiernach weiter ansteigen sollte, gibt es erste Hinweise für ein Fortschreiten der Erkrankung. Somit wurde in diesem Fall die Hormontherapie eher als so genannte adjuvante Therapie (unterstützende zur Bestrahlung wirkende Therapie) angewandt. Die TUR-P, also Hobelung der Prostata, sollte keine Auswirkung auf den Verlauf der Krebserkrankung bewirken. Eine Wahrscheinlichkeit der Streuung der Tumorzellen durch diese Operation ist mir nicht bekannt. Anhand des PSA-Verlaufes kann ziemlich gut verfolgt werden, ob die Kombination aus Bestrahlung und Hormontherapie angesprochen hat. Der PSA-Wert pendelt sich in der Regel in einem sehr niedrigen Niveau ein und sollte auf Dauer niedrig bleiben (mit gewissen Schwankungen).

Crosser: Ich hatte einen hormonabhängigen Prostatatumor. Gegenwärtig bin ich noch in der Hormontherapie, aber es haben sich neue Metastasen gebildet vorher am Beckenkamm, jetzt an der Wirbelsäule. Für mich ist das ein Zeichen in die nächste Stufe der Therapie zu gehen, von der er mir vorab berichtet hatte, als es um die Gesamtplanung ging. Aber darauf springt mein Arzt nicht an. Was soll ich machen?

Dr. med. Frank Becker: In dieser Situation sollten erneut alle Befunde zusammengetragen werden und eine weitere Planung erfolgen. Hier sind die oben genannten Faktoren wichtig in der Entscheidung, ob und welche Art der Therapie nun sinnvoll ist. Bei einer Symptomatik nur von den Metastasen her, kann zusätzlich noch eine knochenstärkende Therapie Sinn machen. Eventuell kann in einzelnen Fällen eine Bestrahlung der Metastasen von Außen oder durch die oben genannten Alpha-Strahler zu einer Verbesserung der Gesamtsituation führen. Ob eine weitere Therapie direkt eine Chemotherapie bedeutet oder eine hormonelle Manipulation, wird bei dieser neuen Gesamtplanung zwischen Arzt und Patient im Einzelfall besprochen. Sprechen Sie in jedem Fall offen mit Ihrem Arzt. Ggf. kann in einer solchen Situation eine Zweitmeinung sinnvoll sein, zu der Sie auch ihr behandelnder Arzt ggf. überweisen kann.

Ludwig: Nach einem PSA-Wert von anfänglich über 1.000 ist er jetzt zurück auf 6. Mein Arzt sagt, das sei trotzdem zu hoch. Ist das so? Was kann denn passieren, wenn jetzt ein Behandlungswechsel, weg von der Hormontherapie in eine antihormonelle Therapie nach nur 2 Jahren eingeleitet wird?

Dr. med. Frank Becker: Der Abfall des PSA-Wertes scheint zunächst ein Erfolg der Hormontherapie zu sein. Man kann jedoch Rückschlüsse über die Dauer der Therapie anhand des so genannten PSA-Nadirs (der niedrigste PSA-Wert, der unter dieser Therapie erreicht wird) ziehen. In der Regel gilt, je niedriger der PSA-Nadir, um so besser. Dennoch ist der Verlauf individuell und nicht eindeutig vorhersehbar. Ein Behandlungswechsel sollte bei sukzessiv steigenden PSA-Werten oder neu aufgetretener Symptomatik, also dem Nachweis des Fortschreitens der Erkrankung, erfolgen.Hier sollten zuvor alle Faktoren erneut zusammengetragen werden. In der Regel gehört hier auch eine aktuelle Bildgebung dazu sowie das Erheben der oben genannten Faktoren. Hiernach kann entschieden werden, welche Therapie nun Sinn macht.


Ich bedanke mich bei allen Teilnehmern dieser Sprechstunde für die rege Teilnahme und die vielen interessanten Fragen. Ihnen allen und Ihren Angehörigen wünsche ich gesundheitlich alles Gute und einen angenehmen Abend!



Ende der Sprechstunde.