Vorhofflimmern - Dem Schlaganfall vorbeugen

Herz Zentrum Bad Krozingen
Dr. med. Nils Jonas
Rhythmologie-Kardiologie
Ärztlicher Direktor: Prof. F.-J. Neumann
Südring 15
79189 Bad Krozingen

Tel.: 07633-402-0
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PROTOKOLL

Vorhofflimmern - Dem Schlaganfall vorbeugen

DR. JONAS: Wir beginnen die Sprechstunde um 19:00 Uhr

Winkler : Angeblich laufe ich Gefahr, dass sich bei mir im Herzen Blutgerinnsel bilden können. Soll deshalb jetzt Blutverdünner bekommen, um einen Schlaganfall vorzubeugen. Ich habe gedacht, dass wird ja immer heftiger. Blutgerinnsel im Herz reicht eigentlich schon. Führt das zum Tod? Wieso geht das dann nach oben in den Kopf?

DR. JONAS: Ich gehe davon aus, dass Sie Vorhofflimmern haben. Das ist die häufigste Herzrhythmusstörung, bei der eine Blutverdünnung begonnen wird. Diese führt in der Regel nicht zum Tod, aber es kann durch die Ausbildung eines Blutgerinnsels im Herz, welches sich dann lösen kann, zu einem Schlaganfall kommen und hier ist die Gefahr des Todes deutlich erhöht. Man weiß, dass ein Großteil der durch Vorhofflimmern verursachten Schlaganfälle zu einer bleibenden Beeinträchtigung und auch zum Tod führen kann.

Beadini : Was bedeutet der Begriff Kardioversion in Verbindung mit Rhythmusstörungen?

DR. JONAS: Wenn eine Herzrhythmusstörung, wie Vorhofflimmern oder auch Vorhofflattern, vorliegt, so kann diese durch einen elektrischen Stromschlag, auch Kardioversion genannt, wieder in den normalen Rhythmus, den Sinusrhythmus, überführt werden. Damit dieser normale Rhythmus dann auch bestehen bleibt, ist in der Regel eine medikamentöse Therapie mit einem Antiarhythmikum notwendig.

Stoffleitner : Mein Blutdruck ist völlig normal bis niedrig. Kann man dann auch einen Schlaganfall bekommen?

DR. JONAS: Ein normaler bis leicht erniedrigter Blutdruck führt nicht zu einem Schlaganfall.

Ju_Gartner : Ist Dabigatran eine neue Substanzklasse? Was ist der große Unterschied zu den bisherigen?

DR. JONAS: Dabigatran ist eine völlig neue Substanzklasse, es ist ein Thrombininhibitor. Er greift an einer anderen Stelle als das bisher einzige orale Antikoagulanz ein, welches in Deutschland seit nun über 50 Jahren Marcumar ist. Es hat viele Unterschiede, ich nenne nur eine der wichtigen: Im Gegensatz zu Marcumar hat es eine sehr kurze Halbwertzeit, weshalb es zweimal täglich eingenommen werden muss. Dies hat den Vorteil, dass man es im Falle einer Blutungskomplikation oder einer anstehenden Operation absetzen kann und dann schnell wieder die normale Gerinnbarkeit des Blutes vorliegt. Auf der anderen Seite muss man es allerdings auch regelmäßig einnehmen. Wenn man ein oder zwei Tabletten vergisst, ist die Gerinnbarkeit im Gegensatz zu Marcumar auch nahezu normalisiert. Ein weiterer Unterschied ist die Tatsache, dass man mit Marcumar den so genannten INR-Wert regelmäßig bestimmen muss, dies entfällt bei Dabigatran.

Hanny Roggisch : Ist ein Gerinnungshemmer eigentlich ähnlich, wie eine Thrombose-Prophylaxe? Da habe ich neulich relativ lange mir selbst eine Spritze geben müssen. Bei der Nachuntersuchung ist aufgefallen, dass mein Blut wohl insgesamt QUOT1dickerQUOT2 ist, als bei anderen. Kann das sein? Muss man da grundsätzlich was gegen tun? Bin ich deshalb gefährdet einen Schlaganfall zu bekommen?

DR. JONAS: Gerinnungshemmung ist der Überbegriff. Meistens versteht man darunter eine Prophylaxe, wie bei Ihnen die Thromboseprophylaxe gegen eine tiefe Beinvenenthrombose. Auf der anderen Seite gibt es auch die therapeutische Gerinnungshemmung, gerade dann, wenn schon eine Thrombose vorliegt. Die Gerinnungshemmung unterscheidet sich dabei in der Intensität der Gerinnungshemmung. Außerdem sind nicht alle Medikamente für die Thromboseprophylaxe wie auch für eine therapeutische Gerinnungshemmung überhaupt zugelassen. Bei einer Thromboseprohphylaxe wird in der Regel eine fixe standardisierte, oft auch vom Gewicht abhängige Dosis gespritzt. Zur Behandlung einer tiefen Beinthrombose wird in der Regel Marcumar und seit neuestem auch Dabigatran verwendet. Um auf den letzten Teil Ihrer Frage einzugehen: Bei einer Thromboseprophylaxe geht es um die Verhinderung eines Blutgerinnsels im venösen Teil des Gefäßsystems, bis auf wenige, sehr spezielle Ausnahmen, besteht dabei keine Schlaganfallgefahr. Bildet sich ein Gerinnsel im venösen Gefäßsystem, so führt es beim Loslösen am ehesten zu einer Lungenembolie.

Glowa : Kann man an Vorhofflimmern sterben, wenn man das zu lange hat?

DR. JONAS: Jein. Die Hauptgefahr, am Vorhofflimmern zu sterben, ist erstens ein Schlaganfall. Dies geschieht in der Regel hauptsächlich dann, wenn keine Blutgerinnungshemmung durchgeführt wird. Wenn Vorhofflimmern mit einer sehr schnellen Überleitung zur Herzkammer vorliegt und lange besteht (die so genannte Tachyarrhythmie), dann kann es zur Ausbildung einer schweren Herzschwäche kommen. Diese kann aber gut diagnostiziert und auch therapiert werden, so dass man an dieser heutzutage eigentlich nicht mehr verstirbt.

Hel_Humbert : Bisher bekam ich Coumadine, aber das war ganz schwierig mit der Dosis und dann gab es auch immer Schwierigkeiten beim essen. Ich habe dann öfter Pausen eingelegt. Mein Arzt rät mir jetzt zu einem neuen Medikament, das wohl auch eine ganz andere Zusammensetzung hat. Also was wirklich neues. Aber ist das dann genug ausgetestet? Es geht um den Wirkstoff Dabigatran. Das Medikament ist von Böhringer.

DR. JONAS: Coumadine gehört, wie auch Marcumar, zu den Vitamin K Antagonisten. Diese interagieren mit Vitamin K, welches vor allen Dingen in Gemüse, wie Salat oder Brokkoli, vorhanden ist. Dadurch wird der INR-Wert durch vermehrtes Essen von Gemüse also beeinflusst. Und hier besteht ein wesentlicher Unterschied des neuen Medikamentes Dabigatran von der Firma Boehringer, welches in Deutschland Pradaxa heißt. Da es an einer ganz anderen Stelle in der Gerinnungskaskade angreift, besteht keine Abhängigkeit von Nahrungsmitteln. Dies ist auch ein Grund, warum keine regelmäßigen Gerinnungskontrollen durchgeführt werden müssen. Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage: Das Medikament ist seit mehreren Jahren durch Studien getestet und auch schon seit einiger Zeit zur Prophylaxe und Therapie der tiefen Beinvenenthrombose auf dem Markt, also nicht mehr ganz neu. Allerdings verfügen wir noch nicht über die jahrzehntelange Erfahrung hinsichtlich einer Langzeitanwendung, wie es bei Marcumar der Fall ist.

Josch : Mein Vater hat einen seit 5 Monaten einen unregelmäßigen Herzschlag und das Blut fließt nicht gleichmäßig durch sein Herz. Daraus ergeben sich jetzt möglicherweise weitere Komplikationen. Er bekommt Macumar, aber wie geht es weiter. Soll er das jetzt bis an sein Lebensende nehmen?

DR. JONAS: Diese Frage kann ich Ihnen so nicht ganz sicher beantworten. Um die Art des "unregelmäßigen Herzschlages" beurteilen zu können, müsste ich das EKG Ihres Vaters sehen. Es gibt einen unregelmäßigen Herzschlag z. B. durch Extraschläge der Vorkammer oder der Hauptkammer (so genannte Extrasystolen), die bei strukturell normalem Herz nicht gefährlich sind und auch nicht einer Blutverdünnung bedürfen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich das Vorhofflimmern, welches wegen seines unregelmäßigen Herzschlages auch "absolute Arrhythmie" genannt wird. Hier ist in den meisten Fällen eine Blutverdünnung notwendig. Ich gehe davon aus, dass letzteres bei Ihrem Vater vorliegt. In diesem Falle wird er das Medikament wahrscheinlich lebenslang einnehmen müssen, wobei es auch hier einige wenige Ausnahmen gibt.

Hauke : Meine Frau wacht nachts auf und hat hohen Blutdruck bis fast 200/120. Der Puls ist dabei eher niedrig meist unter 60. Sie hat dann so ein klopfen in der Brust und das macht ihr Angst. Sind diese Schwankungen normal, denn tagsüber ist alles in Ordnung. Meine Frau ist 75 Jahre. Müssen wir Angst vor einem Schlaganfall haben?

DR. JONAS: Ihre Frau hat eventuell zwei Probleme: Zum einen einen nächtlichen hohen Blutdruck, der mit 200 / 120 nicht ok ist! Sie sollte daher unbedingt ein blutdrucksenkendes Medikament einnehmen, wenn dies schon der Fall ist, so müsste man eine abendliche Dosis hinzufügen oder diese erhöhen. Ein niedriger Puls ist per se nicht gefährlich, es sei denn, er ist so niedrig, dass man dadurch Probleme - wie z. B. Schwindel oder auch eine Bewusstlosigkeit - bekommt. Sollte Ihre Frau aber regelmäßig ein "unruhiges Herzklopfen" verspüren, so sollte man zum Ausschluss von Vorhofflimmerepisoden eine Langzeit-EKG-Aufzeichnung (so genanntes 24-Stunden-EKG) durchführen lassen. Dies kann in vielen Fällen der behandelnde Hausarzt, in jedem Fall aber ein Kardiologe machen.

Carl_Bötti : Ich lebe in Brüssel und arbeite für die EU. Seit 3 Jahren bin ich Coumadin (Warfarin)-Patient und kann/soll jetzt auf Pradaxa umsteigen. Hat mein Arzt in Deutschland gesagt. Bin natürlich begeistert, dass ich jetzt nur noch Tabletten nehmen muss. Ich soll dadurch auch ohne die regelmässigen Laboruntersuchungen auskommen. Wie ist das möglich? Finde das gerade nicht so gut, wenn sich das reduziert, weil mir diese Kontrollen viel Sicherheit gegeben haben.

DR. JONAS: Ich nehme an, Sie nehmen das Coumadin wegen Vorhofflimmern. Denn dafür wäre auch Pradaxa zugelassen (nicht aber, wenn Sie das Coumadin z. B. wegen einer künstlichen Herzklappe nehmen!). Wenn Sie Ihre jetzige Medikation seit drei Jahren gut vertragen und die gemessenen INR-Werte im therapeutischen Bereich liegen (denn nur dann ist dieses Medikament wirksam!), dann müsste man Sie nicht auf Pradaxa umstellen. Sie könnten dann weiterhin die regelmäßigen INR-Kontrollen durchführen lassen und so Ihren Hausarzt regelmäßig sehen. Auf der anderen Seite gäbe Ihnen die neue Medikation mit Pradaxa durch den Wegfall der INR-Bestimmungen mehr Freiheiten, wenn dies für Sie als EU-Bediensteter eventuell durch Auslandsreisen wichtig ist. Sie können Ihren Hausarzt ja auch ohne die INR-Kontrollen regelmäßig kontaktieren... Da Pradaxa, wie bereits in einer der vorherigen Fragen erwähnt, in einen anderen, spezifischen Bereich der Blutgerinnung eingreift, ist eine INR-Bestimmung daher nicht mehr notwendig.

Eppers : Ist da ein Unterschied zwischen Blutverdünner und Gerinnungshemmer? Das eine bedeutet mehr Fließfähigkeit, aber eine Gerinnungshemmung ist doch was ganz anderes oder?

DR. JONAS: Im Großen und Ganzen meint Blutverdünner und Gerinnungshemmer dasselbe: Bei der Blutverdünnung wird - wie der Name schon sagt - das Blut verdünnt und somit "flüssiger". Bei der Gerinnung kommt es zu einer Vernetzung von Bestandteilen des Blutes und somit zu einer "Verdickung". Wenn man die Gerinnung hemmt, wird das Blut daher auch "flüssiger".

Makowka : Sehr geehrter Experte, ich habe seit Februar dieses Jahres mehrere immer mal wieder Phasen, wo ich nicht richtig gucken kann. Dann fehlt das was im Winkel. Manchmal flimmert es auch. Ist das eine Art Vorzeichen (behauptet ein Kollege)? Ich bin 59 Jahre, männlich, habe einen normalen Blutdruck, kein Übergewicht und keine anderen Erkrankungen, außer dass ich Schilddrüsentabletten nehmen (Euthyrox 100).

DR. JONAS: Ich kann im Internet bei Ihnen keine Diagnose stellen. Die von Ihnen geschilderten Symptome könnten aber zu einer vorübergehenden Durchblutungsstörung im Gehirn passen. Die häufigste Ursache für diese Art von Erkrankung wäre ein Vorhofflimmern. Ich würde Ihnen raten, sich mit Ihren Symptomen einmal bei einem Neurologen vorzustellen.

Post77 : Ich habe früher mal einen sogen. Vitamin K-Antagonisten eingenommen, aber die Nebenwirkungen waren so stark, dass ich das nicht mehr wollte. Jetzt hat mein Kardiologe gesagt gibt es etwas ganz neues das heißt Pradax und soll nur wenige Nebenwirkungen haben. Ich gelte immer noch als gefährdet und könnte mich zu einem neuen Versuch durchringen. Was sind das für Nebenwirkungen mit denen ich rechnen muss bei Pradaxa. Bitte nur ganz ehrliche Info.

DR. JONAS: Eine der unerwünschten Wirkungen bei einem kleinen Teil der Patienten könnten Magenbeschwerden sein, wobei diese nach meiner Erfahrung meist nur am Anfang der Behandlung auftreten. Wichtig zu wissen ist, dass auch Pradaxa zu einer ähnlichen Blutverdünnung wie die Vitamin K Antagonisten führt, d. h. es besteht ein Blutungsrisiko. Dieses ist aber - je nach der Dosierung von Pradaxa - allenfalls gleich wie bei Marcumar, in der niedrigeren Dosierung sogar geringer. Bevor Sie allerdings gar keine Blutverdünnung einnehmen und sich dem Risiko eines Schlaganfalls aussetzen, würde ich Ihnen raten, über die Möglichkeiten dieses neuen Medikamentes noch einmal mit Ihrem Hausarzt oder Kardiologen zu sprechen.

Klose : Wirkt Pradaxa nur anders oder auch besser?

DR. JONAS: Beide Teile Ihrer Frage sind richtig: Wie schon angeführt, wirkt Pradaxa ganz anders, führt aber zu einer vergleichbaren Blutgerinnung. Ob es bei Vorhofflimmern langfristig besser wirkt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Fakt ist allerdings, dass es in einer großen Studie mit 18.000 Patienten, die auch zu der Zulassung dieses Medikamentes bei der Indikation Vorhofflimmern geführt hat, zu einer weiteren Reduktion von Schlaganfällen gekommen ist bei gleicher Sicherheit hinsichtlich Blutungskomplikationen.

MODERATOR: Dr. Jonas macht eine kurze Pause. Wir setzen die Beantwortung Ihrer Fragen in wenigen Minuten fort.

Mehmel : Sind Depressionen auch ein Risiko in Richtung Schlaganfall? Was passiert da im Kopf? wo ist eine eventuelle Verbindung im Gehirn?

DR. JONAS: Meines Wissens besteht keine direkte Verbindung zwischen einer Depression und dem Risiko eines Schlaganfalls. Bei einem Schlaganfall kommt es zu einer Verstopfung eines Gefäßes im Gehirn durch ein Blutgerinnsel. Dadurch können Bereiche des Gehirns "absterben". Je nach dem, wo das Blutgerinnsel im Gehirn sitzt, kommt es zu unterschiedlichen Funktionsstörungen. Die bekannteste und wahrscheinlich schlimmste ist die Lähmung einer Körperseite. Möglicherweise besteht die Gefahr, dass man nach einem Schlaganfall durch die Beeinträchtigung im Alltag eine Depression entwickelt, aber nicht umgekehrt.

Steinbeck : Meine Frau bekommt nach der Reha (mittlerer Schlaganfall) nur noch Blutverdünnung sonst nichts. Ist das normal. Mein Bruder hatte einen Haufen Medikamente, die er regelmäßig nehmen musste. Meine Frau kommt nicht mehr richtig voran. Alles scheint festgezurrt, keine Besserung mehr. Mit Links kritzelt sie ein bisschen was auf eine Tafel. Hat man sie aufgegeben, bekommt sie deshalb keine Medikamente oder hilft ohnehin nichts mehr.

DR. JONAS: Um die Medikation Ihrer Frau beurteilen zu können, müsste ich ihre gesamte Krankengeschichte kennen. Viele Patienten mit einem Schlaganfall haben noch andere Erkrankungen, wie z. B. einen Bluthochdruck oder ein erhöhtes Cholesterin, selbstverständlich müssten diese auch behandelt werden. Ob das bei Ihrer Frau der Fall ist, kann ich so nicht sagen. Wenn ein Schlaganfall erst einmal stattgefunden hat, dann soll durch eine Blutverdünnung in der Regel ein erneuter Schlaganfall verhindert werden, meist ändert die Blutverdünnung an dem bestehenden Defizit aber nichts. Gegen die Lähmungen kann aber eine regelmäßige Krankengymnastik und gegen etwaige Sprachstörungen auch eine Logopädie helfen. Ich glaube nicht, dass Ihre Frau "aufgegeben wurde"!

JörgundGisela : Wie verhalten im Ausland? Geplant ist eine Reise in den Himmalaya. Wenn man so eine Reise macht, sollte man sich da irgendwie mit Medikamenten bevorraten? Wird das Blut in der Höhe wirklich dicker?

DR. JONAS: Bei Reisen im Ausland kommt es natürlich immer darauf an, wohin man fährt! In europäischen Ländern oder auch in Neuseeland oder USA (um nur einige Beispiele zu nennen) ist eine INR-Bestimmung wie in Deutschland möglich. Ob das im Himalaya auch der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. In Ihrem Fall gäbe es mehrere Möglichkeiten: Bei einem kurzen Aufenthalt und zuvor stabilen INR könnte man kurz vor der Reise und dann wieder nach der Reise die Blutverdünnung bestimmen. Ist ein längerer Auslandsaufenthalt geplant, so besteht auch noch die Möglichkeit einer INR-Selbstmessung, ähnlich wie bei der Blutzuckerselbstmessung wird hier über einen kleinen Blutstropfen aus dem Finger die Blutgerinnung bestimmt. Es ist allerdings eine vorherige Schulung auf diesem kleinen Gerät notwendig. Für Patienten, die häufig in das Ausland reisen, wäre es allerdings auch überlegenswert, ob sie sich nicht auf die neue orale Antikoagulation mit Pradaxa umstellen lassen wollen, denn hier ist eine INR-Bestimmung nicht mehr nötig.

Tacioglu : Ist Pradaxa teuer und belastet den Medikamenten-Etat meines Arztes? Ich bin BEK versichert und mein Arzt rät mir von Pradax ab, aber alles was ich darüber lese klingt total gut. Kann ich die Tabletten auch über das Internet ohne Verschreibung bekommen? Ich traue mich bisher nicht, habe Angst, dass da nicht die richtigen Substanzen drin sind.

DR. JONAS: Sie sprechen ein Problem an: Wie jedes neue Medikament ist Pradaxa natürlich teurer als das seit Jahrzehnten etablierte Marcumar. Ob Sie bei einer gesetzlichen Krankenkasse oder einer privaten Krankenkasse versichert sind, sollte allerdings bei der Verschreibung des Medikamentes keine Rolle spielen. Es handelt sich um ein verschreibungspflichtiges Medikament, welches Sie also ohne Rezept nicht bekommen sollten. Von einer Bestellung über das Internet ohne Verschreibung rate ich Ihnen dringend ab - dies gilt meiner Meinung nach aber auch für alle anderen verschreibungspflichtigen Medikamente! Ob das Medikament den Etat Ihres Hausarztes belasten wird, ist noch nicht sicher: Momentan fließt es meines Wissens in sein Medikamentenbudget mit ein, hier können sich aber noch Änderungen ergeben.

Schuch : Gibt es unterschiedliche Schweregrade beim Vorhofflimmern?

DR. JONAS: Es gibt unterschiedliche Definitionen von Vorhofflimmern: So bezeichnet man das gelegentliche Auftreten als "intermittierend", das dauerhafte Vorhofflimmern, welches sich mit Medikamenten oder einer elektrischen Kardioversion aber noch in den normalen Sinusrhythmus überführen lässt als "persistierend". Lässt sich das Vorhofflimmern nicht mehr in den normalen Rhythmus rücküberführen oder haben Arzt und Patient es als dauerhaft vorhanden akzeptiert, so spricht man in der aktuellen Nomenklatur von "permanentem Vorhofflimmern". Daneben gibt es natürlich noch "symptomatisches" Vorhofflimmern, also wenn man das Vorhofflimmern merkt und "asymptomatisches" Vorhofflimmern.

Josi : Ich nehme zwei Mal täglich 150mg Pradaxa. Jetzt kommen mir Zweifel, weil die Dosierungen in Studien meistens an Männern getestet werden. Ich bin aber eine Frau, in den Wechseljahren und wiege nur kurz über 50kg. Wird das berücksichtigt, oder gibt es da keine Unterschiede?

DR. JONAS: Nach der aktuellen Studienlage und der Fachinformation muss hinsichtlich der Dosierung zwischen Männern und Frauen kein Unterschied gemacht werden. Bei Patienten unter 50 kg wird bei der von Ihnen eingenommenen Dosierung von zweimal 150 mg eine "engmaschige klinische Überwachung" empfohlen.

Carina : Das Herz meiner Mutter hat in den vergangenen drei Jahren an Leistungsfähigkeit verloren, nicht nur altersbedingt, sondern krankhaft. Jetzt kommt noch Vorhofflimmern dazu und der behandelnde Kardiologe hat gesagt, dass QUOT1wir aufpassen müssen, dass daraus kein Schlaganfall wirdQUOT2. Jetzt ist meine Mutter superängstlich und ich auch. Wie oft sollte sie zur Kontrolle, wie kann sie vorbeugen, wie kann ich meine Mutter unterstützen, sie ist 79 Jahre. Ich bedanke mich für eine Antwort.

DR. JONAS: Nach Ihren Angaben gehe ich davon aus, dass Ihre Mutter eine Herzschwäche - also eine Einschränkung der Pumpfunktion - hat. Dies allein ist - abhängig von dem Schweregrad - eine relative Indikation zur Blutverdünnung. Kommt jetzt noch Vorhofflimmern dazu, so ist das Risiko für einen Schlaganfall erhöht. Dazu kommt, dass Frauen ein etwas erhöhtes Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern haben und das Risiko auch mit dem Alter steigt. Aus den mir vorliegenden Informationen hat Ihre Mutter daher eine klare Indikation für eine orale Blutverdünnung.

Jon_Kern : Gibt es Risikogruppen für Vorhofflimmern und die Krankheiten, die sich daraus ergeben können aufgrund Vererbung

DR. JONAS: Ja. Typische Erkrankungen, die im Verlauf zu Vorhofflimmern führen können, sind ein hoher Blutdruck, eine Blutzuckererkrankung (Diabetes), bereits vorhandene Verkalkungen der Blutgefäße, wie z. B. eine koronare Herzkrankheit oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), um nur einige zu nennen. Auch ein vorangegangener Schlaganfall ist ein Risikofaktor. Ein Teil dieser Risikofaktoren wird bekanntermaßen ja auch vererbt.

Krischke : Ich bekomme demnächst 2 Zahnimplantate. Da fließt heutzutage kaum noch Blut. Ich habe schon mehrere Implantate im Mund und allerbeste Erfahrungen damit. Weil ich eine Medikamentenumstellung hatte bin ich jetzt ein bisschen unsicher, muss ich Pradaxa absetzen bevor ich mit der Behandlung beginne? Wie lange im voraus? Da sich die Behandlung über mehrere Monate hinzieht (die Implantatwurzel muss erst richtig einwachsen, bis es oberhalb weiter geht) soll ich dann zwischendurch weitermachen mit Pradaxa?

DR. JONAS: Das müssen Sie mit Ihrem Zahnarzt besprechen. Viele Zahneingriffe können heute schon unter laufender Blutverdünnung durchgeführt werden, ob dies auch für Zahnimplantate zutrifft, entzieht sich meinem Wissen. Wenn es sich nur um einen einmaligen Eingriff handeln würde, so könnte man Pradaxa einen bis zwei Tage vorher aussetzen und hätte so eine nahezu normalisierte Gerinnung zum Zeitpunkt des Eingriffes. Unmittelbar nach dem Eingriff könnte man das Medikament dann ja wieder einnehmen und würde so das Risiko sowohl eines Schlaganfalls wie auch einer Blutung bedingt durch den zahnärztlichen Eingriff sehr gering halten. Wenn allerdings zahlreiche Eingriffe innerhalb einer kurzen Dauer geplant sind, ist zu überlegen, ob dieses Vorgehen sinnvoll ist.

Bruhns : Was kann man vorsorglich machen an Untersuchungen? Ultraschall der hirnversorgenden Arterien am Hals und das Herz habe ich checken lassen. Bin 78 und voll im Beruf mit eigener Firma. Geht mir bestens und ich möchte, dass noch lange so bleibt. Ich treibe Sport (walking, ohne Stöcke, freiwillig geh ich nicht am Stock!) und Golf.

DR. JONAS: Es scheint mir, als machen Sie schon vieles richtig! Eine vorsorgliche Untersuchung der hirnversorgenden Arterien am Hals und des Herzens macht bei Vorliegen von Risikofaktoren durchaus Sinn. Daneben gelten natürlich allgemeine Empfehlungen: So ist regelmäßiger Ausdauersport sicher förderlich, eine ausgewogene, fleischarme Ernährung ebenfalls. Risikofaktoren wie hoher Blutdruck oder ein hoher Blutzucker sollten beobachtet und ggf. medikamentös therapiert werden, gleiches gilt für eine erhöhtes Cholesterin. Und übrigens: Ein wenig Rotwein schadet meist nicht!

Hali.Smetan : Wir sind schon 23 Jahre in Deutschland, aber bei uns gibt es immer den Ramadan. Wir Kinder sind schon erwachsen und für uns ist das kein Problem. Mein Vater hatte aber vergangenes Jahr einen Schlaganfall. Er ist halbseitig gelähmt, und kann nicht mehr so gut sprechen. Aber er legt großen Wert auf Ramadan. Für die Familie ist das eine große Sorge, denn der Körper wird nicht gleichmässig ernährt und er bekommt tagsüber zu wenig Flüssigkeit, was das Blut dicker macht. Außerdem ist das nicht gut mit den medikamenten. Wir können ihn aber nicht überzeugen. Welches Argument könnten wir noch einbringen?

DR. JONAS: Das ist eine schwierige Frage. Wahrscheinlich wird es uns nicht gelingen, Ihren Vater zu überzeugen. Das Fasten an sich stellt für eine Therapie mit Marcumar kein Problem dar, sofern er sich in der Zeit nach 18:00 Uhr normal ernährt, d. h. die übliche Menge an Vitamin-K-haltigem Gemüse zu sich nimmt. Was die Flüssigkeit betrifft, so muss er die Trinkmenge eben nach 18:00 Uhr zu sich nehmen.

Wolny : Ich habe einen erste Hilfekursus besucht. Da sagte man mir, dass Alkoholiker keinen Herzinfarkt oder Schlagfanfall bekommen können, weil das Blut ausreichend verdünnt sei, durch die ständige Flüssigkeitszufuhr. Klingt sehr simpel und eher nach Spaß. Wenn ich jeden Tag 2 bis 3 Liter Wasser am Tag trinke bin ich dann auch davor geschützt?

DR. JONAS: Das ist so nicht ganz richtig! Ein übermäßiger Alkoholkonsum gilt sogar als Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern! Regelmäßiger Alkoholkonsum schützt also weder vor einem Herzinfarkt noch vor einem Schlaganfall! Außerdem sind Alkoholiker in der auch Raucher, dies ist ein weiterer, nicht zu unterschätzender Risikofaktor. Allerdings ist regelmäßige Flüssigkeitszufuhr, z. B. von Wasser, sinnvoll: Es gibt auch Fälle, wo ein Schlaganfall durch eine "Verdickung des Blutes" durch vermehrten Flüssigkeitsverlust verursacht wurde (z. B. bei gedopten Hochleistungsradfahrern). Hier kann durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr entgegengewirkt werden.

DR. JONAS: Ich möchte allen Teilnehmern für die zahlreichen und sehr interessanten Fragen danken. Ich glaube, dass eine Vielzahl der Probleme im Alltag angesprochen wurden und hoffe auch, dass ich diese zur Zufriedenheit beantworten konnte. Das Thema Vorhofflimmern ist und bleibt sicher eine Erkrankung, die uns in Zukunft in einer alternden Bevölkerung zunehmend beschäftigen wird. Durch neue Therapiestrategien wird sich aber meines Erachtens bei der Behandlung des Vorhofflimmerns einiges ändern. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend!



Ende der Sprechstunde.