Cholesterin – Therapiemöglichkeiten bei hohen Cholesterinwerten

Prof. Dr.med. Gerald Klose
Praxis für Endokrinologie Dres. I. van de Loo & K.W. Spieker
Ehem. Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Klinikum Links der Weser,
Gesundheit Nord Bremen
Innere Medizin, Gastroenterologie, Präventivmedizin
Alfred-Faust-Str.11
28277 Bremen

Tel.: 0421 6969 300
Fax: 0421 6969 3099

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Schwerpunkte


•Diagnostik und Therapie von Stoffwechselrisiken für

•Herz- und Kreislauferkrankungen

•Diagnostik und Therapie von Fettstoffwechselstörungen, fachgebundene

•genetische Beratung


Lipid-Apherese (Klinikum Links der Weser)

Lipidsprechstunde

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PROTOKOLL

Cholesterin – Therapiemöglichkeiten bei hohen Cholesterinwerten

PROF. DR. MED. KLOSE: Wir beginnen um 19 Uhr.

ARTE: Was ist dieses Medikament Evolocumab? Ist das auch unter dem Namen Repatha bekannt? Wie wird das angewendet und wann ist das erforderlich?

PROF. DR. MED. KLOSE: Evolocumab ist die Fachbezeichnung für einen Antikörper, der zur Senkung von LDL-Cholesterin führt. Repatha ist der Handelsname für diesen Wirkstoff, der alle 14 Tage oder alle vier Wochen subkutan, d. h. unter die Haut, injiziert werden muss. Erforderlich kann die Anwendung von Repatha sein, wenn mit den gängigen Behandlungsmöglichkeiten LDL-Cholesterin bei höchstem Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung nicht ausreichend gesenkt werden kann.

Renner8: Stimmt es, dass neueste Studien belegen, dass Statine, die eigentlich das LDL senken sollen, selbst verantwortlich sind Plaque zu verursachen? Das wäre ja absolut grotesk und eine ganze Generation wäre völlig falsch behandelt worden.

PROF. DR. MED. KLOSE: Wenn es so wäre, hätten das eine Vielzahl zurückliegender Studien schon längst gezeigt. Das Gegenteil ist der Fall. Jede Senkung des LDL-Cholesterins um etwa 40 mg/dl senkt das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Komplikation um ein Viertel. Vielleicht ist Ihnen eine Beobachtung aufgefallen, nach der Statine eine Zunahme von Kalk in atherosklerotischen Plaques  verursachen können. Dies trifft zu, führt aber nicht zu mehr Erkrankungen, sondern bedeutet eher eine Stabilisierung, einen Schutz vor einer Plaqueruptur. Dies ist ein Einreißen in der Gefäßwand, die einen Infarkt zur Folge haben kann. Statine verhindern gerade diese Komplikation.

K_Otter: Bauen sich Ablagerungen an den Gefäßwänden auch wieder ab? Oder bleibt das da alles fest sitzen, wenn es sich einmal gebildet hat?

PROF. DR. MED. KLOSE: Dieser Frage gehen Wissenschaftler und Ärzte schon seit Jahrzehnten nach. Eine frühere Feststellung, nach der diese Veränderungen an den Gefäßwänden ein mit dem Alter zusammenhängendes Schicksal wären, sind längst überholt. Gerade in jüngster Zeit haben Studien gezeigt, dass die Rückbildung pathologischer oder krankhafter Gefäßveränderungen durch Senkung des LDL-Cholesterins möglich ist, wenn diese ausgeprägt genug ist. Ausgeprägt genug heißt, LDL-Cholesterin deutlich unter 70 mg/dl.

OXI: Vor 40 Jahren hat die amerikanische Gesundheitsbehörde speziell das LDL als gesundheitsschädlich eingestuft. Man hat den Eindruck in den westlichen Ländern drehen seither alle durch. Gesellschaftlich ein verbreitetes Thema, stricken alle mit an der Verbreitung der Erkenntnis, dass ein Gesamtcholesterin um die 200 sein soll. Mir erschließt sich nicht, ob ausreichend dagegen geforscht wurde, oder ob forschungswillige Wissenschaftler das Thema erst gar nicht angefasst haben, weil hoffnungslos durch perfekte Lobbyarbeit Cholesterin-Liga 200. Ich sehe nur, dass immer mehr als ursprünglich gefährlich eingestufte Lebensmittel jetzt wieder in ihrem ernährungsbiologischen Wert bestätigt wurden. Siehe als neuestes Butter und Eier. Was ist nun wirklich dran, an der Gefahr, die von höherem bis hohem LDL ausgeht?

PROF. DR. MED. KLOSE: Eine Empfehlung, Gesamtcholesterin über 200 generell als gefährlich einzustufen, ist seit Langem überholt. Heute werden risikoadaptierte Zielwerte für LDL-Cholesterin empfohlen. Das heißt, dass bei besonders hohem Risiko, z. B. nach überstandenen atherosklerosebedingten Erkrankungen oder bei Diabetes Mellitus oder bei chronischen Nierenerkrankungen tatsächlich das Erreichen von LDL-Cholesterin unter 70 mg/dl angestrebt wird. Die Empfehlungen sind das Ergebnis eines Behandlungsnutzen als Folge solcher Maßnahmen. Tatsächlich hat sich die Bewertung von Ernährungsfaktoren und Cholesterin insofern geändert, dass Butter und Eier jetzt für weniger relevant gehalten werden. Immense Forschungsaktivitäten gelten seit Jahren und auch aktuell weiteren möglichen Ursachen für die Entstehung und den Verlauf von Atherosklerose. Hierbei kommen Überlegungen zu Entzündungsvorängen eine besondere Rolle zu. Die entscheidende Antwort auf Beziehungen eines Risikofaktors zu einer Erkrankung, wie der Atherosklerose, ergibt sich aus der Therapie. Dabei hat sich herausgestellt, dass cholesterinwirksame Maßnahmen bei Weitem mit dem größten Nutzen für bessere und längere Gesundheit einhergehen. Ein Gesamtcholesterin über 200 kann, wie Sie vermuten, absolut harmlos sein. Cholesterinsenkende Maßnahmen werden heutzutage wissenschaftlich nur bei einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen. Für ein solches Risiko bestimmend sind Zigaretten rauchen, vorbestehende Gefäßerkrankungen, Diabetes Mellitus, Lebensalter, Blutdruckerhöhung, aber eben auch erhöhtes LDL-Cholesterin.

I.Klanck: Wann tritt eine familiäre Hypercholesterinämie akut auf? Gibt es ein Alter in dem man dafür predestiniert ist, oder besondere Lebensumstände als Auslöser?

PROF. DR. MED. KLOSE: Eine familiäre Hypercholesterinämie ist eine sehr gut untersuchte genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung. Sie besteht dementsprechend seit der Geburt. Die Wahrnehmung der Betroffenheit kann akut sein, wenn beispielsweise unglücklicherweise nach einem Herzinfarkt in jüngerem Lebensalter eine solche Stoffwechselstörung entdeckt wird. Besondere Lebensumstände als Auslöser für eine familiäre Hypercholesterinämie gibt es nicht. Es gibt aber Auslöser für das Auftreten der Gefäßkomplikationen durch eine familiäre Hypercholesterinämie. Diese sind weitere Risikofaktoren, insbesondere Zigaretten rauchen. Weiterhin kann eine Erhöhung eines anderen Blutfettwertes, des Lipoprotein (a), zu einer vorzeitigen Komplikation führen.

Als klassisch gilt die Möglichkeit, schon mit dreißig oder vierzig Jahren als Mann an einem Herzinfarkt zu erkranken, als Hinweis für eine zugrundeliegende Hypercholesterinämie.

Bei Frauen verschiebt sich dieses Risiko um zehn Jahre.

CLANCY: Habe neulich eine Doku gesehen, woraus hervorgeht, dass bei der Einschätzung gefährlicher Werte wohl erheblich manipuliert wurde, um Patienten therapiepflichtig zu machen. Und immer geht es am Ende ums Geld. Was soll ich als Patient noch glauben, wenn selbst die Ärzte untereinander sich betrügen bei relevanten Informationen?

PROF. DR. MED. KLOSE: Leider nennen Sie nicht, welche von Ihnen als Doku bezeichnete Information diese Einschätzung vermittelte. Insofern kann ich zur Möglichkeit einer Manipulation nicht Stellung nehmen. Sicherlich sind mit Maßnahmen im Gesundheitssystem auch unterschiedliche wirtschaftliche Interessen verbunden. Eine Praxis benötigt zur Unterhaltung einen gewissen Umsatz und auch die Forschung, sei es der Industrie oder sei es von Forschungsinstituten, ist auf Mittel angewiesen.

Yildirim: Bei uns in der Familie hat man nicht so viel darüber nachgedacht, wenn das Cholesterin hoch war. Da hat man gesagt, das ist eben so. Aber ich sehe das anders. Ich bin hier aufgewachsen und lese natürlich all die Warnungen und auch unser Hausarzt sagt, dass speziell meine Mutter was tun muss. Aber angeblich "vergisst" Sie dann die Medikation. Soll ich das so laufen lassen? Ich kann nicht ständig hinter meiner Mutter her sein, damit sie die Dinger nimmt. Ihr Gesamtwert ist ohne Medikamente weitgehend konstant bei 290.

PROF. DR. MED. KLOSE: 290 mg/dl für Gesamtcholesterin wäre bereits überdurchschnittlich hoch. 290 mg/dl für LDL-Cholesterin, die atherosklerosebegünstigende Unterfraktion, wäre so hoch, dass der Verdacht auf das Vorliegen einer familiären Hypercholesterinämie begründet ist. Speziell diese Stoffwechselstörung hat ein sehr hohes Risiko für ein vorzeitiges Herzinfarktereignis. Natürlich können Sie die Behandlung Ihrer Mutter nicht kontrollieren oder überwachen. Die Bewertung des Stellenwertes der Konzentration von 290 mg/dl kann ihr behandelnder Arzt unter Einbeziehung weiterer eventueller Risikomerkmale, wie z. B. dem Lebensalter, vornehmen. Beruhigenderweise muss bei einem Cholesterinwert in dieser Höhe nicht automatisch die Realisierung des Risikos befürchtet werden. Das Erreichen eines hohen Lebensalters ohne besondere Erkrankungen wird auch beim Vorliegen so hoher Cholesterinwerte nicht selten beobachtet. Das Dilemma ist, dass nicht vom Wert her unterschieden werden kann, ob eine Gefahr vorliegt, oder ob nichts zu befürchten ist. Ich würde, wenn ich eine Cholesterinerhöhung über 290 hätte, oder gar eine LDL-Cholesterin-Erhöhung in diesem Ausmaß, mich einer cholesterinsenkenden Maßnahme, in erster Linie einer Therapie mit Statinen, unterziehen. Vielleicht überzeugt das Ihre Mutter.

Hornicz: Irgendwie ist immer alles gut, solange man jung ist. Verändert sich mit dem Alter auch der Fettstoffwechsel?

PROF. DR. MED. KLOSE: Im Laufe des Lebens nehmen die Cholesterin-, bzw. die LDL-Cholesterin-Werte, zu. Ab Ende sechzig werden wieder vermehrt niedrigere Lipidwerte beobachtet. Die Beobachtung hängt zum Teil mit Veränderungen des Fettstoffwechsels im Laufe des Lebens zusammen. Zum Teil finden sich aber bei Untersuchungen älterer Menschen deswegen seltener erhöhte Lipidwerte, weil von einer Hypercholesterinämie Betroffene leider schon verstorben sein können.

Sterzenbach: Kann ich darauf hoffen, dass die Gentherapie mittelfristig eine Lösung für die Erkrankung findet und auf den Markt bringt? Wir sind so eine Familie, die mit dem Cholesterin Schwierigkeiten hat. Seit das Problem bekannt ist sind alle Familienmitglieder sensibilisiert und die Kinder bekommen schon unmissverständlich vermittelt, wie sie sich zu verhalten und zu ernähren haben. Aber nahezu alle zwischen 50-60 Jahre bekommen zumindest TIAs oder kleine Herzinfarkte. Wir wünschen uns dringend eine Perspektive für unsere Kinder.

PROF. DR. MED. KLOSE: Dieser Hoffnung schließe ich mich gerne an. Leider existiert noch keine Perspektive einer Gentherapie in absehbarer Zeit. Immerhin zeichnen sich aber ganz erhebliche Behandlungsfortschritte durch die PCSK9-Hemmer ab. Sie beinhalten z. B. die Hoffnung auf eine Art Impfung. Die Entwicklung solcher Möglichkeiten wird, wenn sie überhaupt kommt, aber auch noch viele Jahre benötigen.

Gotthold: Es gibt unterschiedliche Medikamente, die Blutfette senken sollen. Was passiert, wenn man so ein Medikament irgendwann wieder absetzt? Fängt dann alles wieder von vorn an?

PROF. DR. MED. KLOSE: Medikamente mit blutfettsenkender Wirkung funktionieren nur so lange, wie man sie anwendet. Dies gilt genauso für Maßnahmen zur Blutzuckersenkung bei Zuckerkrankheit, wie zur Blutdrucksenkung bei arterieller Hypertonie.

CLANCY: Lief bei Arte oder 3Sat und war hochinteressant.

PROF. DR. MED. KLOSE: Der vor Kurzem bei Arte gesendete Film, unter dem Titel "Cholesterin, der große Bluff", war durch beispiellose Desinformationen charakterisiert. Es war eine Anhäufung unbewiesener Behauptungen und Verdächtigungen. Die in der Sendung vertretende Auffassung, die u. a. eine großangelegte Verschwörung der Pharmaindustrie unterstellt, ist eine unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht haltbare Außenseitermeinung. Sie ist nicht ohne Gefahr, wie eine dänische Untersuchung aus dem vergangenen Jahr, an über 600.000 Patienten gezeigt hat, denen ein Statin verschrieben worden war. Diejenigen, die u. a. wegen negativer Berichterstattung in den Medien ihr Statin wieder abgesetzt hatten, erlitten deutlich häufiger Herzinfarkte oder starben sogar an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung als Patienten, die die Behandlung nicht abbrachen. Die Schwäche des Films war die Unfähigkeit von Redaktionen, die Relevanz von Meinungen und Erkenntnissen sachgerecht zu gewichten. Ein bloßes Nebeneinander von Auffassungen bedeutet keine Gleichwertigkeit.

In dem Film waren die Auffassungen so gegenüber gestellt, als ob die Ablehnung einer Bluttransfusion durch die Zeugen Jehovas genauso legitim wäre, wie eine Transfusion bei einem Blutungsschock.

ratto: Welche Rolle spielt der sogenannte PCSK9-Signalweg, ich habe das in einer Zeitschrift gelesen.

PROF. DR. MED. KLOSE: PCSK9 ist die Abkürzung für ein Enzym, das den LDL-Cholesterin-Stoffwechsel reguliert. Dieses Enzym bindet an LDL-Rezeptoren. Die Bindung hat zur Folge, dass der in die Zelle aufgenommene Komplex aus Rezeptor und LDL-Cholesterin vollständig abgebaut wird. Bei schwächerer Aktivität oder gar dem Fehlen von PCSK9 ist die Leberzelle in der Lage, den LDL-Rezeptor zu recyceln. Mehr LDL-Rezeptoren an der Zellmembran führen zu einer stärkeren Abbaumöglichkeit von LDL-Cholesterin im Plasma und damit eben zu einem niedrigeren Cholesterinspiegel. Die PCSK9-Konzentration kann durch Antikörper therapeutisch gesenkt werden. Menschen mit genetisch niedrigerer PCSK9-Konzentration haben niedrigere LDL-Cholesterin-Werte und ein geringeres Herzinfarktrisiko. Das Ausmaß der Risikosenkung durch Behandlung mit Antikörpern gegen PCSK9 wird in Kürze in großen Studien gezeigt werden.

Rostock: Welchen Anteil an meinem problematischen Cholesterinwert kann ich eigentlich überhaupt durch Ernährung verbessern?

PROF. DR. MED. KLOSE: Eine fettarme und fettmodifizierte Ernährung kann zu einer Senkung des Cholesterins um oft über 10 bis 15 % beitragen. Fettmodifiziert bedeutet die Verringerung von Fetten mit so genannten gesättigten Fettsäuren. Solche gesättigten Fettsäuren finden sich vornehmlich in Fetten aus tierischen Lebensmitteln. Fette mit einem höheren Anteil an ungesättigten Fettsäuren finden sich in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft und in Fetten mancher Fischarten. Insgesamt wird heute eine Ernährungsform befürwortet, die sich häufig in Ernährungsgewohnheiten der Bewohner von Mittelmeerländern findet. Im Einzelfall kann eine ernährungsbedingte Senkung des Blutcholesterinspiegels auch höher ausfallen. Die durch eine gesunde Ernährung hervorgerufene Senkung des Cholesterins wirkt sich vor allem aus, wenn Sie frühzeitig im Leben begonnen und beibehalten wird. Bei genetisch bedingten Cholesterinerhöhungen reicht die Möglichkeit der Lipidsenkung durch Ernährung leider meist nicht aus.

Kehrenberg: Wie schnell wirkt sich zu hohes Cholesterin schädigend auf Gefäße oder Herz (?) aus?

PROF. DR. MED. KLOSE: Die Wirkung erhöhten Cholesterins auf die Entwicklung von Atherosklerose ist nicht akut. Nur in der extrem seltenen Konstellation einer besonderen Merkmalsform der familiären Hypercholesterinämie kann die Cholesterinerhöhung schon im Kindesalter zu Schäden führen. Dies ist der Fall, wenn man von beiden Elternteilen die Veranlagung einer Cholesterinstoffwechselstörung geerbt hat. Eine solche Konstellation kann zu Cholesterinerhöhungen im Kindesalter von bis zu 1.000 mg/dl führen. In solchen Fällen ist es tragischerweise möglich, dass schon Kinder vor dem Schulalter einen Herzinfarkt oder eine Klappenverengung erleiden.

ClaudiR: Muss jetzt die Cholesterin-Geschichte neu geschrieben werden und wissenschaftlich neu beurteilt werden, mit den Erkenntnissen, die man jetzt hat???

PROF. DR. MED. KLOSE: Das hängt von der Bewertung der Erkenntnisse durch den Autor der Cholesteringeschichte zusammen. Vor einem Jahr haben die mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Entdecker des LDL-Stoffwechsels (M. Brown und J. Goldstein) einen Artikel mit der Überschrift, "Ein Jahrhundert Cholesterin und ein Jahrhundert Herzinfarktforschung", geschrieben. Dieser Beitrag gibt so präzise die Cholesteringeschichte wieder, dass nur neue Erkenntnisse eine Fortschreibung erforderlich machen.

Unterhaus: Welchen Einfluss oder besser welche Funktion haben Triglitzeride auf einen gesunden Cholesterin-Spiegel?

PROF. DR. MED. KLOSE: Triglyceride sind eine weitere Art von Blutfetten, die eine Rolle bei der Entstehung von Erkrankungen spielen können. Triglyceride werden auch in Molekülen transportiert, die als Lipoproteine bezeichnet werden. Diese Partikel enthalten Triglyceride und Cholesterin in einem unterschiedlichen Mengenverhältnis. LDL-Cholesterin ist ein solches Lipoprotein, das vor allem Cholesterin enthält. Die Triglyceride beeinflussen den Cholesterinspiegel im Blut nicht direkt. Lipoproteine, die Triglyceride enthalten, werden aber im Blut zu LDL-Cholesterin umgewandelt. Insofern kann eine vermehrte Produktion solcher triglyceridhaltigen Lipoproteine auch zu höheren LDL-, d. h. Cholesterinkonzentrationen, führen. Die Triglyceridkonzentrationen unterliegen stärkeren Schwankungen und die Beziehung zu Gefäßkomplikationen ist nicht so eng, wie die Beziehung von Cholesterin und Atherosklerose. Massiv erhöhte Triglyceride, d. h. Werte um 1.000 mg/dl gegenüber Normalwerten unter 200 mg/dl, beinhalten ein Risiko für Bauchspeichdrüsenentzündungen. Triglyceride haben als Energielieferant und Energiespeicher (Fettgewebe) eine physiologische Funktion.

Luka Nagel: Es geht ja wohl nicht nur um das Gesamtcholesterin, sondern auch um das Verhältnis der zwei Arten zueinander. Kann es passieren, dass man ein ideales Gesamtcholesterin hat, aber die Aufteilung nicht stimmt und keiner merkt das, weil immer nur Gesamtcholesterin bestimmt wird?

PROF. DR. MED. KLOSE: Dies kann durchaus passieren. Das Gesamtcholesterin gibt den Wert für LDL-Cholesterin und für HDL-Cholesterin wieder. Während LDL-Cholesterin Atherosklerose begünstigt, sind hohe HDL-Cholesterinkonzentrationen mit einem geringeren Risiko für Atherosklerose verbunden. Wenn man beispielsweise ein Gesamtcholesterin von 240 hat, könnte ein Anteil von z. B. 80 mg/dl HDL-Cholesterin für eine günstige Konstellation sprechen. Wenn aber das HDL-Cholesterin nur einen Anteil von 20 mg/dl hätte, wäre die verbleibende LDL-Cholesterinkonzentration viel zu hoch.

Peter_Kuhr: Ab wann muss man professionell an das Problem herangehen? Also mit Medikamenten, meine ich. Gibt es dafür eine Gesamt-Cholesteringrenze, oder geht es um das aufgeteilte Cholesterin nach HLD/LDL?

PROF. DR. MED. KLOSE: Den Quotienten HDL/LDL berücksichtigt man heute bei Therapieempfehlungen nicht mehr. Das Problem eines erhöhten LDL-Cholesterins geht man an, wenn das so genannte globale Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung erhöht ist. Dies beinhaltet das Vorhandensein weiterer Merkmale, die mit einem höheren Risiko für Atherosklerose einhergehen. Einen hohen Stellenwert hat alleine das Lebensalter. In jüngeren Jahren steigern aber Faktoren, wie Zigaretten rauchen, Zuckerkrankheit und hoher Blutdruck, dieses Risiko erheblich. Mit anderen Worten, ein statistisch erhöhter Cholesterinwert muss nicht notwendigerweise behandelt werden, wenn nicht weitere Risikomerkmale bestehen. Nach einer durchgemachten Erkrankung des arteriellen Gefäßsystems ist schon ein LDL-Cholesterin von 100 mg/dl eine Obergrenze.

Lydia_Janda: Ich kann mit dem Begriff Polygener Cholesterinüberschuss nichts anfangen. Könnte Prof. Klose erläutern, was das ist? Vielen Dank.

PROF. DR. MED. KLOSE: Im Gegensatz zur durch einen einzigen Gendefekt bedingten familiären Hypercholesterinämie kann eine Cholesterinerhöhung die Folge mehrerer, oft sich im Einzelnen nicht stark auswirkender, Genveränderungen sein. Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass eine monogene Ursache für eine Cholesterinerhöhung, wie bei der familiären Hypercholesterinämie, ein mehrfach höheres Risiko beinhalten, als das Ergebnis einer Hypercholesterinämie als Folge mehrerer Gendefekte, einer polygenen Hypercholesterinämie.

Silvi_Wehrhahn: Habe ich überhaupt eine Chance meine Cholesterinwerte unter Kontrolle zu halten, wenn ich durch die Familie eine Vorbelastung habe?

PROF. DR. MED. KLOSE: Die Antwort ist eindeutig "ja". Es hängt von der Ursache der Vorbelastung ab. Ihr Arzt kann Ihnen Ratschläge geben, welche Maßnahmen bei Ihnen erforderlich sein können. Sie können von einem gesunden Lebensstil bis zur Anwendung von Medikamenten reichen. Die modernen Behandlungsmöglichkeiten erlauben auch bei sehr stark erhöhten Ausgangswerten heute eine Befundkorrektur.

Ruby: Wenn ich das richtig sehe, sind Cholesterinhemmer ziemliche Klopper, die man nicht so lange nehmen sollte. Kann oder muss man die unbegrenzt nehmen?

PROF. DR. MED. KLOSE: Die Anwendung, beispielsweise von Statinen, die die Cholesterinsynthese hemmen, hängt vom Risiko ab, zu dem eine Cholesterinerhöhung beitragen kann. Es liegen zahlreiche Untersuchungen an mehr als 170.000 Patienten vor, die eine Sicherheit der Cholesterinsenkung belegen. Die Dauer der Einnahme hängt von dem Wunsch ab, sein Risiko für Atherosklerose zu senken.

Kondizielle: Wieso senken Nüsse den Cholesterinspiegel? Die bestehen doch selber fast ausschließlich aus Fett.

PROF. DR. MED. KLOSE: Die Zusammensetzung  der in den Nüssen enthaltenen Fettsäuren beeinflusst den Cholesterinspiegel. Diese Zusammensetzung ist bei Nüssen günstig.

H_Linnekogel: Was passiert im Körper, wenn ein oder mehrere Signalwege blockiert werden? Ich soll ein solches Medikament bekommen und wüsste gern, ab das nicht auch schädlich sein kann, wenn der Körper an seiner normalen Funktion gehindert wird.

PROF. DR. MED. KLOSE: Die mit Medikamenten verbundene Beeinflussung von Signalwegen ist bis zur Zulassung lange systematisch auf Sicherheit und Verträglichkeit untersucht worden. Die zur Beeinflussung des Cholesterinstoffwechsels benutzten Medikamente haben keine bekannten negativen Auswirkungen auf Signalwege im Organismus. Statine z. B., die das geschwindigkeitsbestimmende Enzym der Cholesterinsynthese hemmen, werden seit mehr als zwanzig Jahren angewandt, und die Verträglichkeit wurde genau beobachtet. Zum großen Glück haben sich auch in dieser langen Zeit keine neuen Risiken ergeben. Eine manchmal auftretende unerwünschte Wirkung sind Muskelbeschwerden, die aber durch ein Verschwinden nach Absetzen der Medikation charakterisiert sind. Es ist aber dabei zu bedenken, dass solche Muskelbeschwerden gar nicht von der Medikation herrühren müssen, sondern auch aus vielen anderen Gründen im Laufe des Lebens auftreten können.

PROF. DR. MED. KLOSE: Ich danke allen Teilnehmern der heutigen Sprechstunde für die zahlreichen und sehr interessanten Fragen. Zum Abschluss wünsche ich Ihnen allen einen angenehmen Abend und viel Gesundheit.



Ende der Sprechstunde.